Änderung von Parteisymbol und/oder –namen beim nächsten Kongress?…
Von Bernard Schmid, Paris
Generationenkonflikt oder politischer Richtungskampf? Die genaue Natur des Zwists ist nicht ausgemacht. Hingegen dürfte feststehen, dass es sich nicht um Komplimente handelte, als Jean-Marie Le Pen am 27. Dezember 2013 eine Idee, die seine Tochter Marine zuvor als „nicht tabu“ und also bedenkenswert bezeichnet hatte, kommentierte. Die Vorstellung, auf ihrem nächsten Kongress – er wird im Oktober 2014 stattfinden – könnte ihre gemeinsame Partei sich umbenennen und ihren bisherigen Namen Front National (FN) aufgeben, verleitete Jean-Marie Le Pen zu wütenden Bezeichnungen. Er bezeichnete diese in einer seiner wöchentlichen Videobotschaften, die wie üblich auf der Webseite der Partei veröffentlicht wurde, als „absolut debil“, „skandalös“, „unanständig“ und „undenkbar“. Schließlich seien so viele „Opfer“ in der mittlerweile 41jährigen Geschichte des FN für diese Partei, unter ihrem „ehrbaren“ (bisherigen) Namen, erbracht worden.
Der 15. Parteitag in ihrer Geschichte wird in rund drei Vierteljahren, nach den französischen Kommunalwahlen – die in allen Städten und Gemeinden des Landes am 23. und 30. März stattfinden – und den Europaparlamentswahlen von Ende Mai kommenden Jahres, eröffnet werden. Am 1. Dezember 2013 hatte Louis Aliot, Vizevorsitzender der Partei und Lebensgefährte ihrer Chefin Marine Le Pen, in diesem Zusammenhang laut über eine eventuelle Namensänderung nachgedacht. Auch über eine Abänderung ihres bisherigen Wahrzeichens solle die rechtsextreme Partei nachdenken, regten einige der jüngeren Modernisierer in der Führung an. Zu ihnen zählt neben Aliot (44) etwa auch der andere Vizepräsident des FN, Florian Philippot (32).
Aus ihrer Umgebung verlautbarte, man könnte das bisherige Parteisymbol, eine züngelnde Flamme in den drei Nationalfarben blau, weiß und rot, durch eine Abwandlung des als Croix lorraine (Lothringer Kreuz) bekannten doppelbalkigen Kreuzes ersetzen – Florian Philippot jedenfalls benutzt ein solches Symbol für seinen Kommunalwahlkampf. Er tritt im März 14 zur Rathauswahl in Forbach, in der Region Lothringen, an.
Der Austausch hätte eine hohe symbolische Bedeutung. Die Flamme übernahm der Front National bei seiner Gründung im Jahr 1972 von der italienischen neofaschistischen Partei MSI – und bei deren Gründung im Dezember 1946 symbolisierte das Symbol, in Italien in grün-weiß-rot, ursprünglich „die aus dem Sarg Benito Mussolinis emporsteigende Seele“. Hingegen diente das „lothringische Kreuz“ im und nach dem Zweiten Weltkrieg den Gaullisten als Erkennungszeichen. Nun war die gaullistische Bewegung zwar konservativ und pochte auf den Wert der nationalen Unabhängigkeit, war jedoch ebenfalls klar antifaschistisch geprägt. Dass die rechtsextreme Partei oder Teile von ihr nun in Erwägung zogen, ein abgewandeltes Symbol dieser politischen Strömung zu verwenden, bedeutet freilich nicht ihre „Bekehrung“ zu antifaschistischen Grundsätzen. Eher im Gegenteil. Einmal mehr dreht sich alles darum, anderen politischen Kräften ihre Deutungshoheit über die Geschichte zu nehmen, sie ihrer Symbolik zu berauben und dadurch den Anspruch zu erheben, die rechtsextreme Partei umgreife „das gesamte Erbe der Nation“. Bei der Europaparlementswahl von 1999 etwa hatte der FN zuerst Plakate mit dem Konterfei des historischen Sozialistenführers Jean Jaurès und einem Zitat von ihm verklebt, welche jedoch für die extreme Rechte werben sollten – Jaurès, ein scharfzüngiger Kritiker des Chauvinismus vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs, würde sich wohl im Grabe herumdrehen – und dann einen Kandidaten namens Charles de Gaulle auf den Listenplatz Nummer Zwei gestellt. Es handelte sich um einen Enkel seines berühmten Namensvetter, der auf politischen Abwegen untewegs war.
Am 09. November 2013 nahm Florian Philippot in Colombey-les-deux-Eglises, dem ebenfalls in Lothringen gelegenen Geburtsort von de Gaulle – des Großvaters -, an den Gedenkfeiern zu dessen 43. Todestag teilgenommen. Bereits ein Jahr zuvor hatte er sich ihnen, mehr oder weniger diskret bleibend, angeschlossen. In diesem Jahr kam es dabei jedoch zu deutlichem Widerspruch. Konservative mit gaullistischem Hintergrund, wie der frühere Parlamentspräsident Bernard Accoyer, protestierten und verwiesen Philippot darauf, seine Partei stehe eher in einer Kontinuitätsliste mit dem Marschall Philippe Pétain als mit Charles de Gaulle, der jenen während der Besatzungszeit bekämpfte. Marine Le Pen erklärte in einer Replik darauf, würde der historische de Gaulle heute leben, dann wäre er angeblich auch beim Front National, weil die übrigen Parteien außer ihm das Ziel der nationalen Unabhängigkeit aufgegeben hätten.
Aber die Umbennungspläne und die Absichten zum Auswechseln des Parteisymbols stießen auch auf heftige Widerstände innerhalbn der eigenen Partei. Ihnen hat nun der Parteigründer und – noch immer – „Ehrenvorsitzende auf Lebenszeit“ des FN, Jean-Marie Le Pen, mit seinen Worten von Ende Dezember 13 eine prominente Stimme verliehen. Viele Parteifunktionäre monierten einen Werteverfall ihrer „Bewegung“, den drohenden Verrat an Prinzipien und die Aufgabe der eigenen Identität. Marine Le Pen hatte sich zunächst auf diplomatische Weise positioniert, mit ihrer Stellungnahme, es gebe kein Tabu. Inzwischen hat sie jedoch erklärt, Pläne zum Wechsel des Parteinamens stünden nicht auf der Tagesordnung. Auch ihr junger Vizepräsident Philippot ruderte inzwischen zurück. Bei einem Auftritt im Sender BFM TV am 30. Dezember 13 erklärte er, „Gerüchte“ über eine Umbennung entbehrten derzeit jeder Grundlage: „Dies ist nicht aktuell.“
Aus demselben Anlass erklärte Philippot, wenn der FN bei den Europaparlamentswahlen am 25. Mai 14 stärkste Partei in Frankreich werde, dann fordere er eine Auflösung des derzeitigen Parlaments und vorgezogene Neuwahlen zur Nationalversammlung. Denn in diesem Falle hätte die französische Bevölkerung „dem bisherigen Europaprojekt der Altparteien eine klare Absage erteilt“. Dass der Front National am Abend des 25.05.2014 möglicherweise unter den französischen politischen Parteien auf dem ersten Platz landet, kann tatsächlich nicht ausgeschlossen werden. Im Oktober erschien jedenfalls eine Umfrage in der Wochenzeitschrift Le Nouvel Observateur zur Europawahl, die den FN mit 24 Prozent als stärkste Partei abschneiden sah. Seither sind keine neuen aufsehenerregenden Umfragen zu dieser Wahl erschienen.
Der FN tritt zu ihr im Bündnis mit einem halben Dutzend weiteren, rechtsextremen Parteien an. Am 15. November 2013 hatten sechs Parteien aus diesem Spektrum in Wien ein Bündnis geschlossen und sich dabei zum erklärten Ziel gesetzt, nach Christ- und Sozialdemokraten zur drittstärksten Kraft im kommenden Europaparlament zu werden. Zu ihnen zählen die österreichische FPÖ, der französische FN, der Vlaams Belang aus Belgien, die Lega Nord aus Italien, die „Schwedendemokraten“ (SD) sowie eine slowakische nationalistische Formation. Zwei Tage zuvor, am 13. November 13, hatte Marine Le Pen in Den Haag den niederländischen „Islamkritiker“ und Rassisten Geert Wilders von der „Partei für die Freiheit“ (PVV) getroffen. Auch er möchte mit dem FN in einer Allianz antreten. Wilders forderte bei einer gemeinsamen Pressekonferenz auch andere nordeuropäische einwanderungsfeindliche Parteien dazu auf, sich ihren beiden Parteien anzuschließen. Die moslemfeindliche „Dänische Volkspartei“ (DFP) antwortete darauf jedoch am folgenden Tag, dies komme aus ihrer Sicht nicht in Frage. Jean-Marie Le Pen sei Antisemit, und sein Einfluss beim Front National sei noch zu stark; dies wolle man nicht in Kauf nehmen.
Die rechtspopulistischen Parteien müssen besonders große Anstrengungen machen, um glaubhaft zu machen, dass sie sich von dem Antisemitismus lösen wollen / gelöst haben.
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