Allianzenwechsel auf europäischer Ebene

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Der französische FN tauscht seine Bündnispartner aus. Weg von Jobbik, hin zu Geert Wilders…

Von Bernard Schmid, Paris

Zu dem Bemühen der Parteiführung des Front National um ein halbwegs „anständiges“ Erscheinungsbild zählt auch der jüngst erfolgte Bündniswechsel auf europäischer Ebene. Marine Le Pen versucht, auf sichtbaren Abstand zu offen antisemitischen Parteien wie Jobbik in Ungarn oder der offen nazistischen „Goldenen Morgenröte“ in Griechenland zu gehen.

Umgarnt von ihr werden hingegen Parteien mit mehr oder minder breiter Wählerbasis in West- und Mitteleuropa, die als pro-abendländisch, als „zuverlässig“ im Sinne westlicher Politik gelten.  Dies trifft kaum auf eine Partei wie Jobbik zu, nicht nur, weil sie gar zu unverhohlenen Judenhass schürt. Aus historischen Gründen blickt der radikale ungarische Nationalismus eher nach Asien: Im frühen 20. Jahrhundert kam dort eine Strömung des von der Türkei faszinierten „Turanismus“ auf; und nachdem am Ausgang des Ersten Weltkriegs die Donaumonarchie aufgelöst und Ungarn – im Vertrag von Trianon (1919) – erheblich verkleinert wurde, fühlten die dortigen Nationalisten sich „vom Westen verraten“. Etwa von Frankreich, auf dessen Boden der Trianon-Vertrag geschlossen wurde. Infolgedessen wandten ungarische Radikalnationalisten sich eher an den Nationalismus der türkischen Kemalisten sowie an den aufstrebenden japanischen Militarismus. ((Vgl. etwa Hérodote Nr. 144: L’extrême droite eu Europe (2012), besonders S. 41.)) Diese Tradition ist, jedenfalls bei Jobbik, ungebrochen. Am 30. Oktober, 31. Oktober, 01. und 02. November 13 sprach Jobnik-Chef Gabor Vona in vier türkischen Universitäten (in Sakarya, an der Marmara-Universität in Istanbul, in Bilecik und an der Istambul Universitesi). Dabei erklärte er u.a., Jobbik werde von westlichen Politikern verfolgt, „weil wir stets in Treue fest zur Türkei und zu den turanischen Völkern wie in Aserbaidschan hielten“. Und er rief aus: „Der Islam ist die letzte Hoffnung für die Menschheit, in der Finsternis des Globalismus und des Liberalismus.“ (Was eigentlich nicht ganz der Sichtweise des Kemalismus und säkular-autoritären türkischen Nationalismus entspricht, aber sei’s drum.)

Derzeit existieren in Europa drei supranationale Zusammenschlüsse von rechtsextremen Parteien:

1.- Der kleinste und „radikalste“ ist die Europäische Nationale Front oder European National Front; zu ihr gehören u.a. die deutsche NPD, aus Griechenland die „Goldene Morgenröte“ sowie die italienische Forza Nuova. Ihr internationales Gewicht ist jedoch eher vernachlässigbar.

2. – Als Zweites gibt es die Europäische Allianz der nationalen Bewegungen oder European Alliance of national movements (französisch AEMN abgekürzt), welche am 24. Oktober 2009 in Budapest gegründet wurde. Ihre beiden stärksten Parteien waren bislang die ungarische Jobbik-Partei und der französische Front National; ihr Vorsitzender war bis vor kurzem der französische FN-Europaparlamentarier Bruno Gollnisch. Ansonsten gehörten der AEMN bei ihrer Gründung eher schwächere Parteien an, wie ein Fähnlein italienischer Traditionsfaschisten (Movimento Sociale-Fiamma tricolore), das jedoch neben den stärkeren „Postfaschisten“ von Gianfranco Fini nur eine Splitterpartei bildet. Im Laufe der Zeit gesellte sich dann noch die britische BNP hinzu.

3. – Und zum Dritten gibt es die „Europäische Allianz für Freiheit“ oder European Alliance for Freedom (französisch AEL abgekürzt), die von den drei Koalitionen die mit Abstand stärkste ist. Ihr gehören u.a. die österreichische FPÖ, der belgisch-flämische Vlaams Belang, die Schwedendemokraten (SD) und aus Deutschland die „Bürger in Wut“ (BIW) an. Auch die britische „Unabhängigkeitspartei des Vereinigten Königreichs“ UKIP wirkte zumindest inoffiziell bei der Allianz mit; ihr Europaparlaments-Abgeordneter Godfrey Bloom hatte von 2010 bis 2012 den Vorsitz der Allianz inne, ohne dass seine Partei formell in ihr Mitglied gewesen wäre.

Bislang war der Front National bezüglich seiner Teilnahme an den europäischen Koalitionen gespalten. Auf der einen Seite führte der pensionierte Juraprofessor, Europaparlamentarier und ehemalige Kandidat für den FN-Vorsitz (2010/11) Bruno Gollnisch seit Gründung der AEMN deren Vorsitz. Andererseits bemühte Marine Le Pen sich jedoch weitaus eher um Anschluss an die andere, unter (3) genannte Koalition. Im Juni 2011 erklärte sie – in ihrem eigenen Namen – ihren Austritt aus der AEMN, die jedoch weiterhin durch Gollnisch präsidiert wurde. Im November 2012 wurde Marine Le Pen dann zur stellvertretenden Vorsitzender der konkurrierenden Koalition AEL gewählt. Deren Vorsitzender ist seit demselben Datum der FPÖ-Politiker Franzo Obermayr.

Am 23. Oktober 2013 erklärte Marine Le Pen nun auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Franz Obermayr im Europäischen Parlament, dieser doppeldeutigen Situation müsse ein Ende gesetzt werden. Ihre Partei bleibe unzweideutig (nur noch) der AEL angegliedert. Gleichzeitig forderte sie die beiden anderen Abgeordneten des Front National im Europaparlament – wo die französische Partei seit 2009 über drei Sitze verfügt -, Jean-Marie Le Pen und Bruno Gollnisch, zum Austritt aus der AEMN auf. ((Vgl. http://www.francetvinfo.fr/monde/europe/marine-le-pen-veut-des-allies-en-europe-mais-pas-des-extremistes_442360.html)) Diese erklärten daraufhin, der Anordnung ihrer Parteichefin Folge zu leisten. Am 07. November 13 erklärte Jean-Marie Le Pen dann bei einem Auftritt in Champigny-sur-Marne (südöstlich von Paris): „Marine Le Pen hat uns dazu aufgefordert, uns aus dieser Allianz zurückzuziehen, Bruno Gollnisch und ich haben es getan.“ Demnach traten die beiden FN-Politiker „Ende Oktober“ aus der AEMN aus. ((Vgl. http://www.rtl.fr/actualites/info/politique/article/fn-jean-marie-le-pen-obeit-a-sa-fille-et-quitte-le-parti-pan-europeen-7766551739))

Als neuer europäischer Bündnispartner umworben wird nun eher die „Partei für die Freiheit“ (PVV) des britischen Anti-Islam-Politikers Geert Wilders. Im Unterschied zu Parteien wie Jobbik legt diese weder offenen Antisemitismus an den Tag, noch muss sie als unzuverlässig im Sinne der „Imperative westlicher Politik“ – der Behauptung so genannter westlicher Interesse gegen die übrige Welt – gelten. Im Unterschied zu Jobbik oder zu Jean-Marie Le Pen (in den Jahren 1998 oder 2009) wird es von ihr auch keine Sympathiebekundungen für das iranische Regime geben. Ansonsten ist die PVV ungeschminkt rassistisch, besonders im Umgang mit muslimischen Einwanderern. Nach der niederländischen Parlamentswahl vom 09. Juni 2010 gehörte sie zeitweilig einer Regierungskoalition mit Konservativen und Liberalen an (ohne eigene Ministerämter zu besetzen), diese zerbrach jedoch nach knapp zwei Jahren, führte zu Neuwahlen im September 2012 und zur Bildung einer Großen Koalition.

Am 13. November 13 – nach Redaktionsschluss dieses Artikels – wird ein Besuch von Marine Le Pen bei der PVV in den Niederlanden erwartet. Aber bereits am 22. April d.J. hatte sie mit deren Chef, Geert Wilders, zusammen in Paris gespeist. Ihr Zusammentreffen war damals allerdings erst drei Tage später durch den FN bekannt gemacht worden.