Die Akademie und der Botschafter

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Eine evangelische Bildungseinrichtung lädt Repräsentanten des iranischen Regimes in Deutschland zur Diskussion…

Von Stephan Grigat
Jungle World v. 4. April 2013

Was machen deutsche Akademiker und evangelische Funktionäre, wenn sie über Möglichkeiten diskutieren möchten, die »iranische Zivilgesellschaft« zu stärken? Planen sie Veranstaltungen mit Vertretern der iranischen Opposition? Organisieren sie Panels mit in Deutschland lebenden Exiliranern? Nein, sie laden den Botschafter des Regimes ein, unter dem Zehntausende Iraner ermordet und Millionen ins Exil getrieben wurden.

Am 18. April soll Ali Reza Sheikh Attar, dem von iranischen Oppositionellen unmittelbare Verantwortung für zahlreiche Morde in den kurdischen Gebieten des Iran vorgeworfen wird, an einer Konferenz teilnehmen. Sie trägt den Titel: »Neue Po­litik für den Mittleren Osten. Wie kann die iranische Zivilgesellschaft gestärkt werden?« Ebenfalls eingeladen ist Kazem Sadjadpour vom iranischen Außenministerium, das 2006 die »Holocaust-Konferenz« in Teheran veranstaltete, die bekanntlich der Leugnung der Shoah diente.

Die Veranstaltung wird von der in der niedersächsischen Provinz gelegenen Evangelischen Akademie Loccum veranstaltet, die in besseren Zeiten Theodor W. Adorno zu ihren Referenten zählte. Der Direktor der Akademie, Stephan Schae­de, traf sich 2010 zu einem Gespräch mit Abolfazl Rahnama, der das Amt des Kulturrats der iranischen Botschaft bekleidet, und vereinbarte nach Angaben von deren Kulturabteilung eine »langfristige Zusammenarbeit«.

Die Tagung wird vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung gefördert. Die Bildungseinrichtung erhält für den Plausch mit iranischen Repräsentanten auch Unterstützung aus SPD und Union: Björn Thümler, der als CDU-Fraktionsvorsitzender im niedersächsischen Landtag im Konvent der Akademie sitzt, begrüßt gegenüber der Jungle World, dass die Frage, wie »die demokratischen Kräfte im Iran« gestärkt werden könnten, »in einem vielfältigen Dialog und damit unter anderem auch mit dem iranischen Botschafter in Deutschland diskutiert wird«.

Thela Wernstedt, die als Mitglied der SPD-Fraktion im Landtag dem Konvent der Akademie angehört, schloss sich auf Nachfrage einer Aussage von Marcus Schaper an. Der Studienleiter für Internationale Politik und Geschichte der Akademie und Organisator der Konferenz sagte der Jungle World: »Evangelische Akademien sind dem Diskurs verpflichtet. Das bedeutet für uns im konkreten Fall, dass wir Akteure zusammenbringen, um miteinander und nicht nur übereinander zu sprechen, und es schließt den Vertreter der iranischen Regierung in Deutschland ein.«

Zu der Frage, wie die Einladung eines Vertrauten Mahmoud Ahmadinejads wie Attar, der auch ein gerngesehener Gast bei den Lobbyisten der Deutsch-Iranischen Handelskammer ist, eine Stärkung der iranischen Zivilgesellschaft bewirken soll, äußerte sich Schaper ebenso wenig wie dazu, warum kein exiliranischer Oppositioneller zu der Konferenz eingeladen wurde. Es wäre auch schwierig zu erklären, wie man »Akteure zusammenbringt, um miteinander und nicht nur übereinander zu sprechen«, wenn man zwar Repräsentanten des iranischen Regimes, das seine Gegner ermordet, sobald es ihm opportun erscheint und sich ihm eine Gelegenheit bietet, ein Podium verschafft, nicht aber den verfolgten Gegnern.

Auch der Einwand, dass derartige Auftritte die Sanktionsbemühungen konterkarierten, die Opposition im Iran und im Exil schwächten und der Legitimation der Politik der iranischen Machthaber dienten, die neben Schwulenverfolgung und Frauenunterdrückung Vernichtungsdrohungen gegen Israel sowie ein Nuklear- und Raketenprogramm beinhaltet, mit dem diese Drohungen in die Tat umgesetzt werden könnten, blieb unerwidert. Zu der Frage, wie die Evangelische Akademie ihren Hinweis auf die »nationalsozialistische Gewaltherrschaft und die Mitschuld der Evange­lischen Kirche an der Katastrophe« in ihrer Selbstdarstellung mit der Einladung eines Vertreters solch eines Regimes vereinbaren könne, wollten sich trotz mehrfacher Nachfrage weder Vertreter der Akademie noch die CDU- und SPD-Vertreter in deren Konvent äußern – darunter Stefan Schostok, der für die SPD in Hannover als Oberbürgermeister kandidiert.

Mittlerweile gibt es öffentliche Kritik an der Einladung des iranischen Botschafters. Die Deutsch-Israelische Gesellschaft Hannover hat ein Protestschreiben angekündigt. Hiwa Bahrami, der Sprecher der Demokratischen Partei Kurdistan-Iran in Deutschland, fordert die Absage des Auftritts von Attar: »Anstatt mit den Mördern der iranischen Freiheitsbewegung und antisemitischen Holocaustleugnern einen fruchtlosen Dialog zu führen, muss der Westen sich endlich unmissverständlich zur Unterstützung der iranischen Opposition bekennen. Alle Gefahren, die von diesem Regime ausgehen, lassen sich letztlich nur beseitigen, wenn dieses Regime gestürzt wird.« Saba Farzan vom Mideast Freedom Forum Berlin kritisiert in einem Protestbrief an Klaus Holz, den Generalsekretär der Evangelischen Akademien in Deutschland, das Gesamtkonzept der Tagung: „Es ist eine Verhöhnung der jungen iranischen Generation, wenn Sie vorgeben, mit dieser Konferenz die iranische Zivilgesellschaft stärken zu wollen.”

Für Absagen von Veranstaltungen mit Attar gibt es Vorbilder: 2010 verzichtete das Hamburger Hotel Atlantic Kempinski auf eine Konferenz mit dem iranischen Botschafter, nachdem Kundgebungen gegen die Tagung angekündigt worden waren. 2009 und 2011 sagten die Stiftung Schloss Neuhardenberg und die Heinrich-Böll-Stiftung Sachsen Veranstaltungen mit Attar nach Protesten ab. Die Vertreter der Evangelischen Akademie zeigen sich jedoch unbeeindruckt und ziehen eine Ausladung der iranischen Repräsentanten bisher nicht in Erwägung.

Update:
Anhaltende Kritik an Einladung des iranischen Botschafters
Alle gegen Attar: Weiter Kritik an Ev. Akademie

5 Kommentare

  1. Achmachmirdendjihad lässt die Muskeln spielen und droht „to sweep enemies from the region if the need arises“ ganz ohne A-Bomben, allein mit der iranischen Jugend – Erfahrung hat man ja, war da nicht was mit Kids, die freudig und massenhaft bei der Minenentsorgung mitmachten (Lebensjob)? – lt. der Iranischen Online-Plattform presstv.ir:

    ‚Ahmadinejad: Iran doesn’t need A-bomb
    Iran’s President Mahmoud Ahmadinejad
    Thu Apr 11, 2013 8:24PM GMT

    Iran says arrogant powers lay false claims as to Iran’s possession of nuclear bomb, while the country does not need atomic bomb to sweep enemies from the region if the need arises.

    Referring to the powers’ obstructionism, cantankerousness, and pressure to prevent the Iranian nation’s progress, Iran’s President Mahmoud Ahmadinejad said, “They (the powers) used the nuclear issue as an excuse and claim falsely that Iran is equipped with nuclear bomb,” the Iranian president’s official website reported on Thursday.

    “While Iran does not need atomic bomb and if the need arises someday for the enemies to be swept away from the region, the very youths [of Iran] can do this through their determination and thought…,” he added.

    “Enemies know that the Iranian nation has a massive capacity, which if assumes motion can play role on the level of international management turning into nation’s model,” the Iranian president said.

    The United States, Israel, and some of their allies have repeatedly accused Iran of pursuing non-civilian objectives in its nuclear energy program.

    Over the false allegation, Washington and the European Union have imposed several rounds of illegal unilateral sanctions against the Islamic Republic.

    Iran refutes the allegation and argues that as a signatory to the nuclear Non-Proliferation Treaty and a member of the International Atomic Energy Agency, it is entitled to develop nuclear energy for peaceful purposes.“

    Immerhin sagt man Israel und nicht „zionistische Entity“ o.ä. Fast eine Anerkennung :- )

    Zum Artikel: Warum sollte der Botschafter nicht sprechen dürfen? Er muss davon einen Bericht nach Teheran schicken. Wenn sich genug kenntnisreiche Zuschauer und Gesprächsteilnehmer einfinden, die ihn u.a. vielleicht auch mit dem Zitierten, einer unverhohlenen Drohung, konfrontieren, dürfte das eine weit größere Niederlage für ihn und seine Brötchengeber bedeuten als nur eine simple Ausladung.

    Das Programm
    http://www.loccum.de/programm/p1317.html
    am Donnerstag unter der Teilnahme der beiden Iraner lautet:

    „In welchem Umfang kann ein kooperations-orientierter Kurs gegenüber dem Iran eingeschlagen werden?

    17:30 Uhr
    Wie kann den nächsten Atomgesprächen zum Durchbruch verholfen werden?
    Dr. August Hanning, Senior Advisor, Institute for Strategic Dialogue, Berlin
    Dr. Kazem Sadjadpour, Associate Professor, School of International Relations, Ministry of Foreign Affairs, Teheran

    19:30 Uhr
    Neue Dynamik in der Iranpolitik – Eine deutsche und europäische Aufgabe?
    Hans-Dieter Lucas, Politischer Direktor, Auswärtiges Amt, Berlin (angefragt)
    Ali Reza Sheikh Attar, Botschafter der Islamischen Republik Iran, Berlin“

    Falls der angefragte Politische Direktor des Auswärtigen Amtes der BRD absagt – was dann? Hält Attar dann einen Monolog? Das könnte zusätzlich peinlich werden für ihn. Obwohl – wer verirrt sich dorthin? Denn neben den selbst zu tragenden Anreisekosten sind, abgesehen davon, dass man sich anmelden muss, die Eintrittspreise ähnlich denen für ein Länderspiel, allerdings für drei Tage:

    „160,- € für Ãœbernachtung, Verpflegung, Kostenbeitrag.

    Für Schüler/innen, Auszubildende, Studierende, Freiwilligendienstler sowie Arbeitslose Ermäßigung nur gegen Bescheinigung auf 80,- €.“

    Ist ja ’n Klacks für Jüngere, d.h. Hartz IV-lerInnen, Azubis etc. Abgesehen von dem Wochentag, den mensch u.U. nicht so ohne Weiteres blau machen kann, Ob man die so fernhalten nöchte? Denn: „Eine Reduzierung der Tagungsgebühr für eine zeitweise Teilnahme ist nicht möglich.“

    Wieso das so ist, wird nicht gesagt. Nachtigall… Wer also von jener Gruppe nur die beiden rel. hochkarätigen Vertreter des Iranischen Staates adäquat begrüßen will, muss tief in die Tasche greifen, bekommt aber letztlich nicht viel dafür.

    Da geht es doch der iranischen Jugend viel besser, s.o.

    • @ efem: „Wer also von jener Gruppe nur die beiden rel. hochkarätigen Vertreter des Iranischen Staates adäquat begrüßen will, muss tief in die Tasche greifen, bekommt aber letztlich nicht viel dafür.“
      Genau! Die Macht der Straße sollte wesentlich stärker ihre momentane Meinung adäquat zum Ausdruck bringen können. Fand ich in Lichtenhagen (ohne Eintritt) auch schon richtig gelungen.

      Wenn ich mir die, außer Ar.. Lüders und die momentanen Vertreter Irans, Rednerliste anschaue, ist es mit Soros Jüngern, BND und recht hochrangigen Teilnehmern unseres Staates doch vielleicht zielführend.

      Verbunden mit der mangelnden Möglichkeit Ahmadinejads bald weiter die Richtung seines Landes zu bestimmen, ist der Ansatz, gegenüber einem Krieg, vielleicht nicht so verkehrt.

      Ohne Appeasementpolitik in diesem Fall betreiben zu wollen, ist die Veranstaltung einer weltweit unbekannten und nicht berühmten Akademie, vielleicht doch ein interessanter Ansatz. Oder meinst Du die Deutschen machen sich zum Depp, unterstützen offiziell die Veranstaltung durch staatliche Stellen und Referenten, um es mal den Israelis so richtig zu zeigen?

    • @ ente

      „Die Macht der Straße sollte wesentlich stärker ihre momentane Meinung adäquat zum Ausdruck bringen können. Fand ich in Lichtenhagen (ohne Eintritt) auch schon richtig gelungen.“

      Die das Treffen kritisch begleiten Wollende, so es sie, was wir nicht wissen, wirklich gibt, der jüngeren Generation mit dmm Mob von Lichtenhagen in Zusammenhang zu bringen – darauf muss mensch auch erst mal kommen. Sackgasse. Das Fernhalten per Geldbeutel klappt aber bestimmt.

      Habe ich mich gegen die Veranstaltung ausgesprochen?

      Attar könnte übrigens einen Trumpf ausspielen:

      „“The era of the atomic bomb is over. Atomic bombs are no longer useful and have no effect on political equations. Atomic bombs belong to the last century, and anyone who thinks he can rule the world by atomic bombs is a political fool,” Ahmadinejad said during his visit to Benin on Monday.“
      http://www.presstv.ir/detail/2013/04/16/298498/era-of-atomic-bombs-over-ahmadinejad/

      Der Schah aber schrieb sinngemäß in seinem 1960 veröffentlichten Buch „Im Dienste meines Landes“: „Ich muss meinen Landsleuten das Lügen abgewöhnen“

      Ist ne Zeit her, und was so einer mal sagte: wer gibt schon was darauf. Attar bestimmt nicht, denn sein Boss spricht nur die Wahrheit.

      Hoffentlich.

  2. Protestbrief von Micha Brumlik gegen diese Einladung, habe ihn über Facebook (Dank an Martin K.) gefunden):
    Protestbrief von Micha Brumlik: Gegen die Einladung des iranischen Botschafters und eines Vertreters des iranischen Außenministeriums in die Ev. Akademie Loccum

    8. April 2013
    Sehr geehrter Herr Schaper,
    mit äußerstem Befremden muß ich erfahren, daß die Evangelische Akademie Loccum, bisher als ein Ort freien und liberalen Geistes bekannt, aus einer vermutlich missverständlichen Adaptation einer Politik des „Wandels durch Annäherung“ den Vertretern eines folternden, mordenden und antisemitischen, den Holocaust leugnenden, klerikalfaschistischen Regimes die Chance gibt, für ihr Regime zu werben. Da Sie vermutlich nicht bereit sind, diese Einladung zurückzuziehen, kann ich Ihnen nur mitteilen, daß die Evangelische Akademie Loccum jedenfalls für mich damit aus dem Kreis ernst zu nehmender Institutionen öffentlicher Meinungsbildung ausscheidet.

    Hochachtungsvoll
    M.
    Brumlik

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