Auszeichnungen für standhafte Wirte

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Weil junge Nazis in Regensburg einen Barkeeper prügelten, der sich vor eine bedrängte farbige Mutter und deren Kind gestellt hatte, verweigern mittlerweile rund 170 von 250  Wirten in der Innenstadt Nazis Eintritt und Bedienung. Ihre Initiative weitet sich in Deutschland aus. Jetzt bekommen die Regensburger Vorreiter den Martin-Luther-Preis für Mut und Standhaftigkeit , eine Auszeichnung, die nicht frei ist von inneren Widersprüchen. Umso unstrittiger ist der Josef-Felder-Preis , der  der Initiative im Sommer verliehen werden soll…

Von S. Michael Westerholz

Was im Sommer 2010 in der mittelalterlichen Altstadt Regensburgs vor und Tage später im Café Picasso passiert war, veränderte die persönliche Einstellung zahlreicher Menschen gegenüber gewaltbereiten, rassistischen Nazis.  Der Barkeeper hatte bei einer Rauchpause die drei Burschen beobachtet, die die wehrlose Frau samt Kind massiv bedrängten; er hatte sich vor sie gestellt und die Angreifer verscheucht. Tage später waren sie mit Verstärkung im Picasso erschienen und hatten den Mann  brutal zusammengeschlagen. Eine schockierte Mutter, das traumatisierte Kind, ein mutiger Barkeeper, der im Krankenhaus wieder auf die Beine gebracht werden musste – das rüttelte die Mitbürger in der weltoffenen  Stadt auf und wollte niemand mehr schweigend hinnehmen.  Die Täter wurden gefasst und verurteilt. Und dann gründeten Wirte die Initiative: „Keine Bedienung für Nazis“.

Der Aufkleber mit der Aufschrift: „Rassisten werden hier nicht bedient“, den  85 Wirte spontan gut sichtbar an ihre Eingangstüren klebten, wurde von immer mehr Gastgebern angefordert. Die Nazis fassen bis heute nicht, wie ihnen seither geschieht: Betreten sie ein Lokal trotz unmissverständlicher  Abweisung, werden sie nicht bedient und höflich auf die Straße gesetzt. Die meisten Wirte kennen ihre „braunen“ Pappenheimer sowieso, doch ließen sich die Initiatoren unter ihrem Sprecher Ludwig Simek von Polit-Experten einen Ratgeber schreiben, der aufzeigt, wie Nazis auch dann erkennbar sind, wenn sie nicht mit Glatzen, entsprechenden Tatoos und Springerstiefeln  provozieren: Geschniegelt, gebügelt, aber mit martialischen oder malizösen Sprüchen und abschätzigen Randbemerkungen über auswärtige Gäste entlarven sie sich und ihre bevorzugten Gruppierungen in der Politlandschaft.

Keine Bedienung für Nazis

Der Regensburger Richard Spieß aus dem Kreis der Initatoren und Helga Hanusa von der Koordinierungstelle Bayern gegen Rechtsextremismus  sorgten für die Weiterverbreitung der Grundidee. Und die schlug so ein, dass mittlerweile Wirte in ganz Deutschland so handeln wie die Regensburger, darunter solche in Nürnberg und Lübeck.

Der Martin-Luther-Preis „Das unerschrockene Wort“   wird alle zwei Jahre verliehen. Er ist mit 10.000 € dotiert. Gestiftet haben ihn jene 16 deutschen Städte, die für Leben und Werk des christlichen Reformators Martin Luther im 16. Jahrhundert bedeutsam waren. An diesem Wochenende soll der Preis in Eisleben in Sachsen-Anhalt überreicht werden  –  eine Veranstaltung, die nicht ganz ohne Pikanterie ist: Denn zwar hat der katholische Mönch Martin Luther seine Reformideen mit sehr viel Mut und Wortgewalt verteidigt und dabei mehr als einmal sein Ledben aufs Spiel gesetzt: Doch war er auch ein arger antijüdischer Rassist mit durchaus nicht mutigen, sondern sündhaft opportunistischen Hetzreden, übrigens nicht allein wider die eh stetig verfolgten Juden, sondern auch gegen revoltierende Bauern, die sich ein bisschen Freiheit und Selbstbestimmung erkämpfen wollten, vom Adel aber mörderisch niedergemetzelt wurden – oft begleitet vom Beifall und theologischen Rechtfertigungen von Priestern und Pastoren.

Weit unstrittiger ist die Auszeichnung, die den Regensburger  Wirten im Sommer verliehen werden soll: Zu Ehren des Journalisten, Politikers und Widerständlers Josef Felder (1900 bis 2000) stiftete  Bayerns SPD 1995 den Preis für besondere Verdienste um das Gemeinwohl und für Zivilcourage. Felder  hatte 1933 als Abgeordneter des Reichstages mit der SPD-Fraktion gegen Hitlers Ermächtigungsgesetze gestimmt und war nach Mitarbeit in der Exil-SPD in Prag und heimlicher Rückkehr nach Deutschland Häftling im KZ Dachau geworden. Der Münchner Sportbekleidungs-Fabrikant Bogner rettete ihn. Von 1957 bis 1969 gehörte der Chefredakteur der Parteizeitung „Vorwärts“ dem Deutschen Bundestag an.

4 Kommentare

  1. Mal ehrlich, Herr Westerholz, Sie leben doch in Deggendorf oder Umgebung (wie einem Ihrer Beiträge hier zu entnehmen war). Sind Sie noch nie über diesen zweifelhaften Hain der Nazihelden gestolpert? Der Anzahl der Internet-Einträge nach, handelt es sich doch um eine relativ bekannte ‚Einrichtung‘ der Stadt Deggendorf.

    Und Sie sind noch nie auf den Geiersberg gewesen, und haben sich nie die Tafeln mal näher angesehen?

    Wenn wir heute das Jahr 1985 schreiben würden, so wäre einzig die Tatsache, dass in diesem Deggendorfer Hain der SS gedacht wird, anstössig.

    Inzwischen jedoch sind wir weiter.

    Zwischen der Bitburg-Kontroverse und heute liegen 28 Jahre handfester auch internationaler Diskussionen (Historikerstreit, Ausstellung Wehrmachtsverbrechen, Knopp&ZDF etc.), liegen neueste Erkenntnisse über das (Un-)Wesen der Wehrmacht, verfügen wir über detailliertes Wissen zur Haltung der deutschen Soldaten – Juden, Roma und Slawen gegenüber. Ernst Klee und zahlreiche andere veröffentlichten Tagesbefehle deutscher und bayerischer Generäle. Tagesbefehle, die lauteten: „Zigeuner sind beim Aufgreifen sofort zu erschießen!“ oder „Juden können, wenn sie in kleineren Gruppen angetroffen werden, sofort erledigt werden oder aber an Lager zum Abtransport weitergeleitet werden!“.

    Es kann somit absolut keine Rechtfertigung dafür geben auch noch im zweiten Jahrzehnt des 21. Jh. Wehrmachtssoldaten als „Helden“ zu feiern bzw. ihnen einen besonderen Verehrungsstatus zukommen zu lassen.

    Sie gelten doch als wer in ihrer Umgebung, Herr Westerholz. Machen Sie ihren Einfluss geltend und sorgen Sie wenigstens dafür, dass der unselige Hain in „Kriegerhain“ oder „Gefallenenhain“ oder ähnlich umbenannt wird.

    Dies dürfte doch das Mindeste sein, was man den Deggendorfern zumuten kann. Oder sollen schon wieder SPIEGEL und Co, Report und TAZ von der Sache Wind bekommen und Bayern um einen Naziskandal reicher dastehen?

    Na, also.

  2. „Die Initiative “Keine Bedienung für Nazis” hat kaum mehr als
    aktionistischen Symbolgehalt – Aufkleber an der Eingangstür –
    denn sie ist politisch nicht greifbar, offensichtlich
    undefiniert. “

    ich finde solche initiativen sehr gut. sie setzen masstaebe
    die eingehalten werden, oder eben nicht. aber an denen kann
    die realitaet gemessen werden.

    ich kann mich erinnern einmal wurden auf einem ska-konzert
    luftbalons verteilt „gegen rassismus“. das war eine aehnliche
    aktion. und sie war gut, weil eine bestimmte stimmung
    geschaffen wurde. und aehnlich aktionen gab es auch schon
    in fussballstadien und auch dort wurde versucht die
    stimmung und das ambiente in eine bestimmte richtung zu
    beinflussen.

    „politisch greifbar“.. was meinen sie damit? fuer mich
    klingt das nach ein paar leute setzen sich wo auch immer
    zusammen und reden erstmal.

    ich meine wunder sollte man von sowas natuerlich nicht
    erwarten. aber das heist ja nicth dass es komplett
    sinnlos ist.

    J

  3. Dem Einwand von S.Mayer muss ich mich anschließen.

    Wie ich kürzlich aus zuverlässiger Quelle erfahren habe, gibt es sowohl in Plattling, als auch in Deggendorf und in anderen niederbayerischen bzw. Oberpfälzer Orten Lokale, an denen man als (dunkelhäutiger) Ausländer lieber nicht, oder sehr rasch vorbeigeht, weil man sich Anpöbeln und dumme (=rassistische) Sprüche ersparen möchte.

    Die Rechten haben weiterhin ihre einschlägigen Gastronomie-Treffpunkte und sie werden vom Gros der restlichen Bevölkerung zumindest geduldet. Die Aktionisten hingegen, selbst wenn ihre Zahl wohl allmählich zunimmt, stellen eine Minderheit dar, über die häufig die Nase gerümpft wird: „Linke, Kommunisten, Arschlöcher!“
    .
    .
    .
    Von Interesse ist möglicherweise für Außenstehende noch wie im niederbayerischen Deggendorf auf ganz besonders perverse Art ganz offiziell NS-Heldenverehrung betrieben wird.

    Wir erinnern uns noch, Deggendorf war jener Ort gewesen, in dem die „Gnad“ noch bis 1992 stattfand, jene Wallfahrt, bei der an die „gotteslästerlichen Untaten“ der örtlichen Juden erinnert wurde, jener Juden, die man sämtliche 1338 meuchelte und deren Besitz brave Christen dann unter sich aufteilten. (http://de.wikipedia.org/wiki/Deggendorfer_Gnad).

    Im Deggendorfer Ortsteil Goldberg gibt es mitten im Wald einen sogenannten „Heldenhain“. http://www.deggendorf.de/fileadmin/pdf/tourismus/geiersberg/s014.pdf
    An Bäumen hängen dort Namenstafeln mit Geburtsdatum und Sterbedatum bzw. -ort von Wehrmachtssoldaten. Wer sich die Tafeln genauer ansieht, findet auch eine für einen gewissen Robert Kees, Angehöriger der Waffen-SS. Laut Auskunft eines Mitglieds des örtlichen Veteranenvereins sind noch mindestens vier weitere der durch Tafeln geehrten deutschen Soldaten in diesem „Heldenhain“ Angehörige von Hitlers Elitetruppe gewesen (ohne dass deren SS-Zugehörigkeit auf den Tafeln angegeben worden wäre).

    Besonders pikant an der Angelegenheit ist nicht nur, dass hier SS und Wehrmacht in aller Öffentlichkeit gehuldigt wird („Heldenhain“), sondern dass regelmäßig Prozessionen unter Anführung der CSU-Bürgermeister, derzeit Christian Moser, und etwa der des evang. Ortsgeistlichen Pfarrer Pommer stattfinden. (Die katholische Kirche steht hierbei sicher nicht abseits.)

    Keiner der genannten Ortspromis hat bisher an dem unwürdigen Spektakel Anstoß genommen, oder sich dafür eingesetzt, dass der „Heldenhain“ wenigstens in „Gefallenenhain“ oder „Kriegerhain“ umbenannt wird, was längst angebracht gewesen wäre. (Denn deutsche Soldaten, die an einem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg teilnahmen, waren i.d.R. keine Helden, sondern Mörder. Als „Helden“ können auf deutscher Seite guten Gewissens lediglich jene Wehrmachtsangehörigen bezeichnet werden, die desertierten.)

    Nein, für den Kirchen- wie für den Stadtoberen sind anscheinend auch SS-Mitglieder verehrungswürdige Gefallene der Stadt Deggendorf, derer in ‚angemessener‘ Weise gedacht werden muss.

    Wen wundert es, angesichts solcher gedankenloser, gleichgültiger, unbekümmerter Zustände, dass Wirte auch weiterhin Rechtsextremen Zugang gewähren und sie als Gäste in ihren Kneipen und Wirtshaüsern willkommen heißen (?).
    .
    .
    .
    Ãœbrigens, wie war das damals, 1985, mit Kohl und Reagan, in Bitburg?
    http://de.wikipedia.org/wiki/Bitburg-Kontroverse
    „Ach ja, dös is scho so lang her.“ – sagen die Bayern, wenn sie keine Lust haben sich zu erinnern…

    Heldenhain:
    http://regiowiki.pnp.de/index.php/Datei:Pnp-10-06-2008-heldenhain.jpg
    http://www.strassenkatalog.de/osm/heldenhain,22884334w.html
    http://www.deggendorf.de/index.php?id=1464

  4. Herr Westerholz wo haben Sie denn das her:
    „Die Nazis fassen bis heute nicht, wie ihnen seither geschieht: Betreten sie ein Lokal trotz unmissverständlicher Abweisung, werden sie nicht bedient und höflich auf die Straße gesetzt.“

    Die Initiative ist keine der Wirte, sondern eine von Aktionisten. Ich habe noch nicht gehört, dass tatsächlich NAZIS oder RASSISTEN hinauskomplementiert worden seien. Es ist völlig unklar was „Rassisten“ im Sinne der Initiativ sein sollen. Den Preis mit dem fraglichen Namensgeber hätte eher der Barkeeper verdient.
    Die Initiative „Keine Bedienung für Nazis“ hat kaum mehr als aktionistischen Symbolgehalt – Aufkleber an der Eingangstür – denn sie ist politisch nicht greifbar, offensichtlich undefiniert. Würde sie ernstgenommen werden, dürften ein großer Teil der Regensburger – ob ihrer rassistischen Grundeinstellung – nicht bedient werden.

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