Nix habemos in Jerusalem

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Tiefschwarzer Rauch umhüllt Jerusalem seit den Mittagsstunden, um mit den gebräuchlichen Vatikan-Bildern zu sprechen. Die ausländischen Medien und sogar die israelische Botschaft in Berlin hatten schon angekündigt, dass sich in Jerusalem „möglicherweise“, „offensichtlich“ eine Regierungsbildung „abzeichnet“. Doch diese „habemus Regierum“ in Jerusalem waren mal wieder verfrühte Spekulationen…

Von Ulrich W. Sahm, Jerusalem, 14. März 2013

Der weiße Rauch lässt noch auf sich warten, obgleich „eingeweihte Kreise“ und sonstige Informanten schon die künftige Zusammenstellung der neuen Koalitionsregierung unter Premierminister Benjamin Netanjahu veröffentlicht hatten. Mit den üblichen Adjektiven wurde da eine „rechtskonservative“ Regierung mit „extremistischen“, „rechtsnationalen“ und „friedensbereiten“ Elementen vorgestellt.

Doch im Nahen Osten ist angeraten, nicht blindlings den Prophezeiungen der „Beobachter“ oder der „westlichen Diplomaten“ zu folgen, die meistens die Journalisten selber sind.

In den Mittagsstunden des Donnerstag brachen Naftali Bennet und Jair Lapid, die Chefs der beiden großen potentiellen Koalitionspartner des Regierungschefs, jeglichen Kontakt ab. Es ging nicht um wichtige Dinge wie Ideologie, Iran oder Budgetkürzungen, sondern um noch viel wichtigere Dinge, nämlich Pöstchen.

Am Morgen hatte Netanjahu angekündigt, dass es in der künftigen winzigen Regierung mit weniger als 20 Ministern weder stellvertretende Minister noch Vize-Premiers geben werde. Das war ein flagranter Vertragsbruch, eine einseitige Entscheidung und ein Verstoß gegen alle Absprachen, so die düpierten Koalitionspartner. Deshalb brachen sie am Donnerstag Mittag jegliche Kommunikation mit Netanjahu ab.

Am Nachmittag stellte dennoch Netanjahu vor den eigenen Parteigenossen die Errungenschaften seines Koalitionsvertrags vor. Doch bekam er lautes Murren zu hören. „Die Messer werden schon geschliffen“, hieß es in den Fernsehnachrichten. Denn Netanjahu hatte viele Posten den Koalitionspartnern versprochen, anstatt sie seinen treuen Gefolgsleuten zu übergeben.

Besonders getroffen hatte es Rubi Rivlin. Mit Tränen in den Augen und gebrochener Stimme verließ er das Knesset-Gebäude, nachdem er viele Jahre lang als populärer Knessetvorsitzender dem Staat gedient hatte. Rivlin ist ein Urgestein der Likudpartei, deren Vorsitzender, Netanjahu, sich offenbar für Rivlins souveräne und nicht immer regierungskonforme Amtsführung „gerächt“ habe. „Netanjahu schmeißt raus, anstatt zu ernennen“, klagte Rivlin. Anstelle von Rivlin erhielt der aus Russland stammende Abgeordnete Juli Edelstein eine Mehrheit, um sich als Kandidat der Likudpartei für den Vorsitz des Parlaments zur Wahl zu stellen.

Ob Netanjahu mit seiner Regierungsbildung Erfolg hat, wird sich spätestens am Samstag Abend herausstellen. Denn dann läuft die Frist ab, die ihm mitsamt einer zweiwöchigen Verlängerung Staatspräsident Schimon Peres zugebilligt hat. Sollte Netanjahu diesen Termin nicht einhalten, wird er der einzige von 120 Abgeordneten sein, dem es laut Gesetz untersagt sein wird, einen erneuten Anlauf zur Regierungsbildung zu nehmen.

Solange die Koalitionsverträge nicht unterzeichnet und die neue Regierung vereidigt ist, sollte niemand eine Wette abschließen oder gar seine Hand ins Feuer legen.

Sollte Netanjahu scheitern und sich kein anderer Kandidat für die Regierungsbildung finden, wären Neuwahlen, die keiner will, der einzige Ausweg aus der bestehenden Sackgasse.

Und falls bis Mittwoch keine Regierung in Israel steht, könnte in letzter Minute auch noch der erwartete „historische“ Besuch des amerikanischen Präsidenten Barack Obama abgesagt werden. Zwar ist alles schon längst vorbereitet und geplant, aber aus guten Gründen haben die Amerikaner die Staatsvisite noch nicht offiziell „angekündigt“. Tom Friedmann hatte in der New York Times schon kommentiert, dass Obama als erster amerikanischer Präsident eine reine „Touristenreise“ nach Israel unternehmen könnte, falls es dort nicht einmal eine Regierung als Gesprächspartner geben sollte.

(C) Ulrich W. Sahm / haGalil.com

1 Kommentar

  1. „Geschachere um Ministerposten“
    Nicht in Ihrem Artikel, aber in der Übersicht der Artikel zur Regierungsbildung in Israel über Ihren Artikel wird dieser Ausdruck verwendet.
    Darf man angesichts der sorgfältig inszenierten Empfindlichkeit bei der Wortwahl Ereignisse in Israel betreffend nunmehr davon ausgehen, dass der anwachsende Antisemismus nunmehr auch die Redaktionsstuben von haGalil erfasst hat, so dass dieser provokante Ausdruck lanciert wurde?
    Das sollte sich mal ein Herr Augstein unterstehen, von „Geschachere“ zu sprechen, oh weh, oh weh, oh weh.

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