Magerkur für „Palästina“

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Der palästinensischen Autonomiebehörde in Ramallah, seit dem Vorstoß von Präsident Mahmoud Abbas bei der UNO in „Palästina“ umbenannt, stehen trotz des Jubels über den diplomatischen Erfolg schwere Zeiten bevor…

Von Ulrich W. Sahm, Jerusalem, 2. Dezember 2012

Weil Israel die Umwandlung zum „Beobachterstaat“ als Verstoß gegen die Osloer Verträge wertet, hat Finanzminister Juval Steinitz als erste „Sanktion“ ein Einbehalten der im Namen der Behörde eingezogenen Steuern und Zölle für Importwaren verkündet. Da die Autonomiebehörde über keine Außengrenzen verfügt, obliegt es den israelischen Grenzbeamten, die Abgaben einzusammeln. So wurde es in den Pariser Wirtschaftsverträgen zwischen Israel und der PLO (Palästinensische Befreiungsorganisation) vereinbart. Das System funktionierte bisher einwandfrei, solange Israel die eingetriebenen Gelder monatlich nach Ramallah überwiesen hat.

Es handelt sich um etwa 90 Mio. Euro pro Monat, die wichtigste und vor allem sicherste Einnahmequelle der Behörde. Ohne dieses Geld wird sich die Regierung von Abbas schwer tun, den aufgeblähten Beamtenapparat entlöhnen zu können. Sollte Israel diese Strafmaßnahme aufrecht erhalten, droht der palästinensischen Regierung schon bald der Konkurs, denn arabische und palästinensische Banken verweigern Abbas jetzt schon weitere Kredite. Genaue Zahlen zu dem palästinensischen Finanzsystem liegen freilich nicht vor.

Neben den Geldern aus Israel verfügt der Apparat noch über Spenden der Geberländer. Die europäischen Länder haben in der Vergangenheit Milliardensummen in die Autonomiebehörde investiert, als Aufbauhilfe für den künftigen Staat. Doch diese Zahlungen wurden schon vor Jahren gekürzt, als nach dem Tod von Jassir Arafat nicht nur die Ausmaße der Korruption offenkundig geworden waren. Die Europäer wollten die Behörde auch zwingen, den Wasserkopf des aufgeblähten Verwaltungsapparats zu reduzieren und die Gelder sinnvoller einzusetzen. Inzwischen kommen noch wirtschaftliche Engpässe in Europa hinzu, was der Spendierfreudigkeit einen zusätzlichen Dämpfer aufgesetzt hat.

Die arabischen Staaten haben bei Konferenzen der Geberländern zwar Milliardenbeträge versprochen, aber ihre Versprechen kaum oder gar nicht eingelöst. Nach Angaben des israelischen Experten für die Palästinensergebiete, Dany Rubinstein, entspreche der Anteil der von Israel überwiesenen Gelder ungefähr der Hälfte der Gesamteinnahmen der Regierung in Ramallah.

Eigene Steuereinnahmen fallen offenbar überhaupt nicht ins Gewicht. Bei einem Besuch im Dorf Ouja bei Jericho im Juli erzählte der Bürgermeister stolz, einen Monat zuvor Wasseruhren bestellt zu haben, um sie in den in den Wohnungen seiner Dorfbewohner einzubauen. Gleichzeitig klagte er über eine unbezahlte Wasserrechnung aus Ramallah in  Höhe von mehreren hunderttausend Schekeln. Weil die Bürger von Ouja jedoch bisher für ihren Wasserverbrauch nichts entrichtet hätten, schlug der Bürgermeister den Europäern vor, diese Rechnung zu begleichen, um sein Dorf vor dem Bankrott zu retten.

Dieses ist nur ein Beispiel von vielen. Die Palästinenser zahlen weder für Strom noch Wasser, „weil sie nicht daran gewöhnt sind“, wie ein EU-Beamter eingestand, als die Europäer 2006 einsprangen, die Beschaffung des Schweröls zu finanzieren, mit dem das Kraftwerk im Gazastreifen für die Erzeugung von etwa 10 % des Strombedarfs betrieben wird. Der restliche Strom wird bis heute aus Israel geliefert, kostenlos, mit Steuern der israelischen Bürger vorfinanziert. Die palästinensischen Schulden allein für Strom und Wasser häuften sich an. Steinitz will die einbehaltenen Gelder der Palästinenser zum Abtragen dieses Schuldenbergs verwenden.

Mangelnden eigenen Einnahmen stehen bei der Autonomiebehörde auch politisch motivierte sinnlose Ausgaben gegenüber. So erhält das Heer der Fatah-treuen Bediensteten der Autonomiebehörde im Gazastreifen weiterhin vollen Lohn, obgleich diese Gehaltsempfänger 2007 nach dem Putsch der Hamas-Organisation nach Hause geschickt und zur Untätigkeit verurteilt worden sind. Die Behörde in Ramallah will wenigstens virtuell einen Zugang zu dem abtrünnigen und vom Westjordanland geografisch separaten Küstenstreifen aufrecht erhalten.

Chefverhandler Saeb Erekat bezichtigter Israel der „finanziellen Piraterie“ und drohte mit einem Boykott israelischer Waren. Angesichts der fast völligen Abhängigkeit vom israelischen Markt, während für Israel der Handel mit den palästinensischen Gebieten weniger als 10 Prozent ausmacht, dürfte diese Drohung nur geringen Eindruck auf Finanzminister Steinitz machen.

Nach Angaben der deutsch-arabischen Wirtschaftskammer (Ghorfa) beläuft sich palästinensischer Export (2008) auf fast 600 Mio. US-Dollar, wobei Israel 86 % der Waren abnimmt, während die Palästinenser (2010) für fast 4 Mrd. Dollar importieren, überwiegend aus Israel. Der Staatshaushalt (2012) wurde auf 2,25 Mrd. Dollar geschätzt, die Ausgaben jedoch um ein Drittel höher auf 3,45 Mrd. Dollar.

Trotz Unmut über die Politik des Abbas, dürfte Israel keinen völligen Zusammenbruch der Autonomiebehörde anstreben, weil das politischen und wirtschaftlichen Interessen Israels widerspricht.

(C) Ulrich W. Sahm / haGalil.com

15 Kommentare

  1. @Lisa – Israel sabotiert den Ausbau der Wasserinfrastruktur in den palsätinensischen Gebieten, pumpt den Palästinensern ihr eigenes Wasser ab, verbietet ihnen Wasser auf ihrem Land zu erschließen und verkauft ihnen dann ihr eigenes Wasser zu hohen Preisen (hoch auf Grund der oft notwendigen Lieferung im Tanklastwagen, da die Palästinenser kaum Genehmigungen erhalten ihre Leitungen in Stand zu halten und ohne israelische Genehmigung dürfen sie keine Schraube auf- oder zudrehen)

    Weiterhin – um diese Schulden geht es nicht in dem Artikel, sondern um die Zölle, die den Palästinensern schlichtweg gehören, die aber Israel FUER SIE einzieht.

    Israel braucht keine Zölle überweisen, wenn es aufhört diese Zölle einzunehmen und die Palästinenser das selber machen dürfen.

    Das Geld gehört den Palsätinensern – nicht den Israelis. Soweit so klar.

    • Jawohl! Das Geld gehört den Palästinensern. Ich verstehe auch nicht, warum die Israelis das Geld partout selbst erst kassieren und dann an die Palis überweisen wollen. Ich muss sagen, hier will man mit der Einbehaltung der Zolleinnahmen die anderen nur erspressen. Auch mit dem Ausbau der ohnehin illegalen Siedlung will man die Palis massiv unter Druck setzen. Irgendwann wird die Welt, und nicht zuletzt die USA, den Israelis die rote Karte zeigen.

  2. @Koshiro

    Wieso muss sich der israelische Staat an irgendein obskures Gericht wenden? Ist das von dir erfundenes Recht, das ausschließlich für den jüdischen Staat zu gelten hat? Wieso soll ausgerechnet nur der jüdische Staat nicht auf Verträge, die er mit der Autonomiebehörde geschlossen hat, pochen dürfen?

    Dass du und deine Mitantisemiten die Juden und im Speziellen die Führung Israels im Gefängnis (wieso nicht in einem Vernichtungslager?) sehen möchtest ist klar wenn man in die jüngere Geschichte des Antisemitismus blickt.

    Wenn Israel permanent Strom und Wasser ohne Gebühren durchzusetzen liefert, dann feiern das die Antisemiten, falls sie es wahrnehmen, als Sieg über die Juden. Wenn Israel weiter liefert aber Geld für die Tilgung der Rechnungen einbehält, da die PA nicht nur gegen die Gebührenpflicht, sondern auch gegen das Prinzip gegenseitiger direkter Verhandlungen verstoßen hat (Osloer Verträge), dann heulen sie wie vermeintlich getrene Hunde und machen daraus genauso einen Propagandasieg. Was Israel macht ist egal, auch das Gegenteil ist falsch. Denn das Problem des Antisemiten ist die Existenz der Juden. Da zwischen ihnen und der Vernichtung der Juden insbesondere der jüdische Staat steht, der seine Bürger verteidigt, muss dieser als Primärziel ausgeschaltet werden.

    • Weil es so was wie internationales Recht gibt? Weil in einem Rechtsstaat die Exekutive and geltende Gesetze gebunden ist?
      Hat natürlich nichts damit zu tun, dass ich schlicht auf cohens ziemlich dummen Vergleich geantwortet habe.

      „Dass du und deine Mitantisemiten die Juden und im Speziellen die Führung Israels im Gefängnis (wieso nicht in einem Vernichtungslager?) sehen möchtest ist klar wenn man in die jüngere Geschichte des Antisemitismus blickt.“

      Unterlassen Sie a) Ihre dümmlichen Unterstellungen und b) diesen vertraulichen Ton.

      Und nur zu Ihrer Informationen: Gemäß erwähntem internationalen Recht ist Israel als Besatzungsmacht verpflichtet, für die Versorgung der Bevölkerung des besetzten Gebietes aufzukommen.

  3. @1
    Für Diebstahl?Was passiert in Deutschland wenn sie Schulden haben?Wird da gepfändet oder nicht?Und wer hier weiter vorsätzlich Schulden macht begeht eine Straftat!Wer den Pfändungsschutz eingeführt hat schreib ich lieber nicht…

    • Ja, für Diebstahl.

      „Was passiert in Deutschland wenn sie Schulden haben?“

      Dann wendet sich der Gläubiger gegebenenfalls an ein Gericht. Er stiehlt jedenfalls nicht dem Schuldner oder seinen Verwandten einfach sein Eigentum. Und wenn er es doch tut, landet er da, wo Leute wie Netanyahu ohne jeden Zweifel aus diesem und vielen anderen Gründen hin gehören: Im Gefängnis.

    • Sicher seltener, wenn man so hört wie die sich in den Kundgebungen ärgern, dass sie zur Wehrpflicht gezogen werden.
      Was macht man eigentlich mit den Locken in der Armee, wenn einer von denen Gottgeweiht ist? Kriegt er Frauenstatus oder eine Perücke?

      Meine Güte, es liegen 3500 Jahre Thora dazwischen. Man will ein peppiges Land Israel haben und dann hat man massive Probleme mit Leuten, die nach der Thora leben.

      Wenn man denkt, dass die Armee die einzige Sicherheit im Land bietet, dann ist da ein Problem.

    • „Was macht man eigentlich mit den Locken in der Armee, wenn einer von denen Gottgeweiht ist? Kriegt er Frauenstatus oder eine Perücke? “

      Das finden Sie wohl besonders lustig? Tut das eigentlich weh?

      Und Tschüss, auf Sie reagiere ich nicht wieder. Daher schonen Sie Ihre Finger beim Tippen und anderen deren Geduld. 😀

  4. Warum hat man nicht vor der UNO Entscheidung die Gelder einbehalten, wenn die PLO so verschuldet ist?

    Beim Adventskalender sind die Türchen vorne, in Israel sind sie hinten.

    Advent bedeutet übrigens die 2 oder 3 malige Ankunft des Messias, damit wir am Boden bleiben.

  5. ulrich w. sahm halt…
    obs die massendemonstrationen 2011 waren, die heftigen probleme zwischen sekulären israelis und nicht arbeitenden, haredim, die auch nicht in der armee dienen, oder die absolut desaströse israelische aussenpolitik(auf dem schnellsten wege in die isolation)…
    …ulrich w. sahm relativiert es geschickt, um an anderer stelle die fähigkeit der palästinenser überhaupt zu leben, immer wieder anzweifelt.

    aber einseitige berichte sind immer ein eigentor, egal ob pro-israelische oder anti-israelische, da sie ihr ziel immer verfehlen…

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