Avigdor Lieberman – Ein Kommmentar von Roy Siny…
Am 17. Dezember 1999 kehrte der 12-jährige Sohn des Angeklagten nach Hause zurück und erzählte dem Angeklagten, dass er in eine Prügelei mit drei anderen Kindern verwickelt wurde. Der Angeklagte verließ daraufhin sofort das Haus und begann den Kindern im Alter von 12 und 13 Jahren nachzujagen. Während er sie verfolgte, hob der Angeklagte einen Stein auf und warf diesen in Richtung der Kinder, dabei traf er eines am Rücken. Sie konnten fliehen und sich verstecken. Der Angeklagte konnte sie nicht finden, er suchte ihre Wohnhäuser auf, um den Eltern zu erklären, dass sie seinen Sohn attackiert hätten. Nachdem er dies tat, setzte er seine Suche nach den Kindern fort, bis er sie erfolgreich, sich unter einem Wohnwagen versteckend, fand. Er riss eines der Kinder an sich und schlug in dessen Gesicht. Der Schlag war so stark, dass das Kind an die hinter ihm liegende Wand prallte und dabei seinen Kopf aufschlug. Dann fiel es zu Boden. Während es auf dem Boden lag, trat der Angeklagte mehrmals auf es ein. Dann packte der Angeklagte das Kind bei den Haaren und schliff es zu seinem Auto. Er fuhr es nach Hause und drohte damit, seine Arme und Beine zu brechen, wenn es jemals wieder die Stadt des Angeklagten betreten sollte„.
Diese Furcht einflößende Beschreibung ist einer Anklageschrift aus dem Jahr 2001 gegen den erst kürzlich aus dem Amt getretenen Außenministers Israels, Avigdor Lieberman, entnommen. Jedoch war dieser alptraumhafte Tathergang nicht der Grund für Liebermans Abtritt. Tatsächlich wurde dieser Fall durch Verständigung im Strafverfahren abgeschlossen, und Lieberman bleibt weiterhin Mitglied der Knesset. Die genannten Punkte der Anklageschrift wurden bestätigt und von Lieberman gestanden. Außerdem verweigerte er jegliches Bedauern des Tathergangs.
Roy Siny, Levantinische Wahrheiten
Warum ist nun dieser Fall erwähnenswert? Bevor ich die Krux meines Artikels offenbaren werde, muss man verstehen, was für eine Person hier gewählt wurde, um den Staat Israel in seiner Außenpolitik zu vertreten: Jemand, der in den in den meisten Staaten Europas ein unbeliebter, in der weißrussischen Diktatur jedoch ein Ehrengast ist, wo er auch gern seinen Familienurlaub verbringt.
Lieberman wurde in Moldawien geboren, und wanderte 1978 mit 20 Jahren nach Israel aus. 34 Jahre und einige Rollen im öffentlichen Leben später kann er noch immer keinen kompletten Satz auf Hebräisch hervorbringen. Während seines Studiums an der Hebräischen Universität in Jerusalem wurde er politisch in einer rechts ausgerichteten studentischen Zelle aktiv, die von Tzahi Hanegbi geführt wurde, einem korrupten Ex-Justizminister, der mehrmals verurteilt wurde.
Man bezeichnete ihn damals als den „Muskel Hanegbis“, zuständig für den gesamten Campus, immer bereit zum Kampf mit den Linken oder den arabischen Aktivisten. Durch diese Aktivität lernte er Benjamin Netanjahu kennen, und wurde später Belegschaftsführer in den Vorwahlen des Likud. Danach wurde er zum Sekretär der Partei ernannt, und erhielt außerdem die Rolle des Geschäftsführers eines Unternehmens namens „Miromit.“ In den drei Jahren seiner dortigen Tätigkeit erfuhr das Unternehmen schwere Verluste von mehr als 20 Millionen Schekel, mutmaßlich durch Untreue innerhalb des Kreises der Geschäftsführer. Allerdings wurde letztendlich nur eine Person wegen Korruption verurteilt, und das war der Hauptgeschäftsführer der Unternehmung.
Nach dem Erfolg bei der Wahl zum Ministerpräsidenten von 1996 ernannte Netanjahu Lieberman zu seinem Büroleiter. Im darauf folgenden Jahr erhob die Polizei Anklage gegen ihn aufgrund der Bar-On-Hebron-Affäre. Das Verfahren wurde jedoch eingestellt.
Im selben Jahr wurde Lieberman erneut von der Polizei vernommen, dieses Mal wegen Fälschung von Berichten über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk an das Kabinett. Erneut wurde keine Anklage erhoben und das Verfahren eingestellt.
Ein weiteres Jahr später, im Jahre 1998, wurde Lieberman verdächtigt, 115.000 Schekel eines Vereins, der Immigrantenkinder dabei unterstützte, sich im israelischen Bildungssystem zurechtzufinden, veruntreut zu haben. Lieberman behauptete, dass es sich bei dem Geld um einen Kredit gehandelt und er das Geld bar zurückgezahlt habe. Beweise für diese Behauptung wurden nicht gefunden. Der Vorgang wurde aufgrund „mangelnden öffentlichen Interesses“ nicht weiter verfolgt.
Während der Untersuchungen beschimpfte Lieberman die israelische Polizei, indem er die Vernehmungsbeamten „antisemitische Rassisten, die in den Knast gehören“ nannte. Einigen bedeutenden Mitgliedern der Likud-Partei (natürlich nicht Netanjahu selber) – zu diesen Zeiten noch eine Partei mit demokratischen Elementen – ging das Auftreten des Büroleiters zu weit und sie drängten ihn, sein Amt niederzulegen. 1999 rückte Lieberman ein weiteres Mal in den Fokus der Polizei. Ihm wurde Beamtenbeleidigung vorgeworfen. Die Staatsanwaltschaft ließ die Klage fallen.
Liebermans größte Polizei-Affäre nahm 2000 ihren Lauf. Zu diesem Zeitpunkt war er bereits als Vorsitzender der Partei „Israel Beitenu“ in die Politik zurückgekehrt. Zunächst ging die Polizei Verdachtsmomenten nach, denen zu Folge er und seine Partei hohe Summen an illegalen Spenden von reichen Gönnern in Empfang genommen hatten. 2005 nahmen die Untersuchungen eine neue Wendung, als die Ermittler eine Reihe von Scheinfirmen aufdeckten, welche Lieberman selbst oder seiner Tochter Michal gehörten. Durch diese Kanäle wurden große Summen Geld von Unternehmern mit dem offensichtlichen Interesse, politische Entscheidungsprozesse in Israel zu beeinflussen, auf Konten der Liebermans umgeleitet.
Lieberman wurde 2006 zum ersten Mal in der Sache vernommen. Er behauptete vor seiner Rückkehr in die Politik 1999, diese Firmen verlassen und keine Verbindungen mehr zu ihnen zu haben. Die Ermittlungen der Polizei brachten jedoch anderes zutage. Es wurde nachgewiesen, dass Lieberman noch stets der Kopf der im Verdacht stehenden Firmen war und hohe Geldsummen illegal erhalten hatte. Sowohl Lieberman als auch seine damals 21-jährige Tochter waren zu diesem Zeitpunkt bereits Millionäre.
Im Laufe der weiteren Untersuchungen beauftragte Lieberman 2008 den israelischen Botschafter in Weißrussland, ein geheimes Dokument zu beschaffen, das Aufschluss über die Informationsbeschaffung seitens der israelischen Polizei von ihren weißrussischen Kollegen gab. In diesem Fall wird momentan noch gegen Lieberman ermittelt.
Jedoch entschied Israels Generalstaatsanwalt die Anzeige gegen Lieberman bezüglich des Besitzes diverser Scheinfirmen, welche Millionen von Dollar an illegalen Geldern erhielten, zum Schutze der Interessen ausländischer und lokaler Investoren fallenzulassen.
Warum wurde das Verfahren eingestellt? Das folgende Video ist Teil einer Kampagne der Partei „Eretz Hadasha“ (Neues Land), einer neuen Partei, welche an den kommenden Parlamentswahlen teilnehmen wird. Gründer und Vorsitzender der Partei ist Eldad Yaniv, eine Person, die einen eigenen Artikel verdient hätte: Yaniv war jahrelang als Anwalt in der Grauzone zwischen Politik und Kapital. Bei allen Korruptionsskandalen zu Lasten der israelischen Bürger hatte er seine Finger im Spiel. Nun bereut er dies. Daher entschied er sich, einen neuen Weg einzuschlagen und für die Zukunft der israelischen Gesellschaft zu streiten. Ein eindrucksvolles Interview mit ihm ist hier nachzulesen. Noch interessanter ist eine Reihe von YouTube-Videos, die er und seine Partei veröffentlichen, in welchen schrittweise die sogenannte „Methode“ offengelegt wird. Gemeint ist die Verbindung zwischen Kapital und Politik. Einige der Videos sind untertitelt, die meisten jedoch nicht.
Das folgende Video zeigt auf, warum die Ermittlungen gegen Lieberman eingestellt wurden und warum Lieberman früher in die Politik zurückkehren könnte als man denken mag:
Das Beschriebene wird niemals in den israelischen Medien zu finden sein. Eretz Hadasha wird von allen wichtigen Medien vollkommen ignoriert. Zudem trauen sich die meisten Journalisten nicht, sich mit Lieberman zu beschäftigen. Dies ist verständlich. Drei wichtige Zeugen getrauten sich gegen Lieberman auszusagen. Jedoch wird keiner der drei jemals in einem Israelischen Gericht angehört, denn einer beging Selbstmord, der Zweite hatte einen Schlaganfall, der Dritte bekam Angst und zog seine Aussage zurück.
Ein wichtiges Medieninstitut jedoch entschloss sich, die Affäre öffentlich zu machen. Am 27. November sendete der israelische TV-Sender Channel 10 eine investigative Dokumentation über die Lieberman-Affäre, welche alle drängenden Fragen aufwarf. Leider sahen lediglich 6% der TV-Zuschauer diese großartige Dokumentation. 39,1% bevorzugten die Küchen-Reality-Show „Master Chef“. Wer sich über die schrecklichen politischen Wahlresultate der israelischen Bevölkerung wundert; hier ist eine Antwort, direkt aus der Küche.
Während der letzten Jahre war Channel 10 – neben Haaretz – das einzige bedeutende Medium, welches die Vorgänge investigativ-journalistisch aufarbeitete. Mehrfach sah sich der Sender Drohungen ausgesetzt, abgeschaltet zu werden. Der Hauptverantwortliche hinter diesen Versuchen war Premierminister Netanjahu. Gestern sind diese Bemühungen von Erfolg gekrönt worden: Channel 10 wird voraussichtlich Ende des Monats abgeschaltet.