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Jüdische Zeitungen bleiben offline

Deutsche Nationalbibliothek stur – Leo Baeck Institute will einspringen…

Von Jim G. Tobias

Trotz großer Proteste von Historikern, Archivaren und Journalisten (wir berichteten) bleibt die Deutsche Nationalbibliothek (DNB) in der Kausa „Exilpresse digital“ und „Jüdische Periodika in NS-Deutschland“ unerbittlich: „Bevor die Rechtslage nicht geklärt ist, können die Angebote nicht wieder bereitgestellt werden“, so Direktorin Ute Schwens. Wie haGalil erfahren hat, vereinbarten DNB und das zuständige „Referat beim Beauftragten für Kultur und Medien“ für den 7. August ein Gespräch mit dem Bundesjustizministerium. „Wir prüfen, was wir klären können“, sagte die DNB-Direktorin. Mit konkreten Ergebnissen wird gleichwohl nicht gerechnet: „Wenn wir auch nicht erwarten, dass wir dann eine ‚völlige Freistellung‘ erreichen, so doch mindestens mehr Bewusstsein für die Problematik.“

Nun will das renommierte Leo Baeck Institut (LBI), New York, aktiv werden. Nachdem sich der erste Ärger über die „nicht nachvollziehbare“ Abschaltung gelegt hat, kündigte Renate Evers, die Leiterin der LBI-Bibliothek an, zumindest die vom Netz genommenen Jahrgänge 1934 bis 1950 der wichtigen Exilzeitung AUFBAU über das LBI-Webportal zugänglich zu machen. Das US-Institut stellt schon seit längerem die kompletten Ausgaben des Blattes, von 1951 bis 2004 online für Forschungszwecke bereit. „Bisher ohne Probleme“, wie Renate Evers bestätigte. Da zu Beginn der seinerzeitigen Digitalisierung die frühen AUFBAU-Jahrgänge bereits im Netz zur Verfügung standen, hatte das LBI – um Dopplungen zu vermeiden – die Zeitung bewusst erst ab 1951 gescannt und einen Hinweis Seite angebracht, dass die ersten 17 Jahrgänge, 1934 bis 1950, bei der DNB einzusehen seien.

Ob die Deutsche Nationalbibliothek dem Leo Baeck Institute kollegial zur Seite springt und die elektronischen Daten der abgeschalteten AUFBAU-Jahrgänge zur Verfügung stellt, bleibt allerdings abzuwarten.

Die seit zwölf Jahren im Internet zugängliche Sammlung „Compact memory“, in der über 100 jüdische Periodika aus der Zeit von 1806 bis 1938 der Forschung angeboten werden, bleibt weiterhin online, wie die beiden Verantwortlichen Rachel Heuberger von der Universität Frankfurt/Main und Annette Haller von der Germania Judaica, nochmals bestätigten. Hier sieht man die Sache entspannt und pragmatisch und will erst bei konkreten Beschwerden von etwaigen Rechteinhabern tätig werden.


AUFBAU-Titelblatt vom 5. Januar 1951. Bis zur letzten Ausgabe, am 18. März 2004, stehen 54 Jahrgänge komplett unter http://www.lbi.org/2012/03/aufbau-digitizatio/ zur Verfügung.
Sreenshot: lbi.org