Wer hat in Bulgarien zugeschlagen?

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Knapp drei Stunden nach dem schweren Terroranschlag auf israelische Touristen in Burgas an der bulgarischen Schwarzmeerküste wusste der israelische Premierminister schon genau, dass alle Spuren nach Iran führen…

Von Ulrich W. Sahm, Jerusalem, 19. Juli 2012

Die Gewissheit über die Täter so kurz nach der Tat ist erstaunlich. Denn als Netanjahu seine Schuldzuweisung mitsamt der Drohung einer „heftigen israelischen Reaktion“ veröffentlichte, war nicht einmal klar, wie viele Israelis ums Leben gekommen worden. Am Donnerstag Morgen erklärte Außenminister Avigdor Lieberman, dass „jenseits jeglichen Zweifels“ die libanesische Hisbollah zusammen mit den iranischen Revolutionsgarden den Anschlag ausgeführt hätten. Quellen nannte er nicht, während Iran dementierte und diese Beschuldigung als „Verleumdung“ zurück wies. Drahtzieher sei nach Angaben israelischer Medien General Qassem Suleimani, Kommandant der für Auslandseinsätze zuständigen «Quds»-Einheit der iranischen Revolutionsgarden.

Selbst am Morgen danach, am Donnerstag, schwankte die Zahl der israelischen Toten noch zwischen 5 und 6, wobei auch ein bulgarischer Busfahrer als Todesopfer erwähnt wurde. Schlimmer noch: Bis Donnerstag stand nicht fest, ob eine Bombe im Kofferraum des Busses explodiert war oder ob es sich um einen Selbstmordattentäter handelte. Die Bulgaren behaupten, dass sich ein „blonder Mann mit langen Haaren“ auf dem kleinen Flughafen des Ferienorts an der Schwarzmeerküste herumgetrieben habe. Er habe sich unter die Israelis gemischt, die mit einer bulgarischen Chartermaschine aus Tel Aviv kommend um 16:45 Uhr gelandet waren. Sie wollten einen Zubringerbus besteigen, um zum Terminal gebracht zu werden. Etwa 200 Passagiere waren an Bord, überwiegend israelische Schüler vor dem Militärdienst, die sich in den Kneipen von Burgas austoben wollten. Der langhaarige Mann und mutmaßliche Selbstmordattentäter habe einen möglicherweise gefälschten amerikanischen Pass bei sich getragen. Das berichten israelische Medien. Ihre nicht immer beim Namen genannten Quellen sind israelische Diplomaten, das bulgarische Fernsehen und Reiseleiter in Burgas.

Weiter erklärten Experten, dass israelische Sicherheitsleute im Flugzeug mitfliegen. Doch die Sicherheit auf dem Flugplatz und in den Zubringerbussen liege in der Verantwortung des jeweiligen Gastlandes.

Übereinstimmend erklärten Vertreter des israelischen Außenministeriums und der Zentrale für Terrorbekämpfung, dass der israelische Geheimdienst keinerlei konkrete Hinweise auf einen geplanten Anschlag in Bulgarien hatte. Deshalb habe es keinerlei Reisewarnung gegeben, wie sie regelmäßig ausgegeben wird, zum Beispiel für den ägyptischen Sinai und andere gefährliche Gebiete. Ebenso erklärten Experten, dass kein Geheimdienst der Welt alle Ferienorte im Auge haben könne. Umso erstaunlicher war die Schuldzuweisung Netanjahus so kurz nach dem Anschlag, zumal Bulgarien nicht auf der Liste besonders gefährlicher Länder gestanden habe.

Im Gegensatz zu Bulgarien hatte der israelische Geheimdienst offensichtlich vor einigen Monaten konkrete Hinweise auf geplante Anschläge in Thailand, Zypern und Georgien. Die örtlichen Behörden erhielten von Israel Tipps und verhinderten die geplanten Anschläge. Es wurden Männer mit iranischen Ausweispapieren verhaftet.

Die israelischen Verdächtigungen gegen Iran als Drahtzieher und gegen die Hisbollah als ausführender Arm sind freilich nicht ganz aus der Luft gegriffen. Zufällig wurde am Mittwoch der 18. Jahrestag des Selbstmordanschlags auf das jüdische Gemeindezentrum Amia in Buenos Aires 1994 begangen, bei dem 85 Menschen getötet und über 300 verletzt wurden. Das war ein Anlass für jüdische Organisationen, die Festnahme der Hauptverdächtigen durch Interpol zu fordern und der Justiz in Argentinien auszuliefern. Als Drahtzieher gilt der heutige iranische Verteidigungsminister Ahmad Vahidi. Der meistgesuchte Terrorist der Welt, Militärchef der Hisbollah, soll jenen Anschlag geplant haben: Imad Murghniye. Doch der wurde gezielt 2008 in Damaskus mit einer Bombe in der Kopfstütze seines Autos durch „Unbekannte“ getötet. Nach einem Anschlag auf ein israelisches Diplomatenfahrzeug in Neu Delhi im Februar wurde von Iranern durchgeführt.

(C) Ulrich W. Sahm / haGalil.com

1 Kommentar

  1. „Bis Donnerstag stand nicht fest, ob eine Bombe im Kofferraum des Busses explodiert war oder ob es sich um einen Selbstmordattentäter handelte.“

    Es gibt auch die Möglichkeit, dass man jemanden geködert hat, der die Bombe (den Rucksack) im Bus ablegen sollte zwecks Fernzündung. (z. B. via Handy)
    Es gibt die Möglichkeit, dass ein zweiter Täter den Geköderten (als Mitwisser) in die Luft sprengte, unmittelbar nachdem er den Bus betreten hatte.
    Notwendig wäre hierzu lediglich das Wissen um die Handy-Nummer.
    Es gibt Kreise, denen ich so etwas zutraue.
    Der Täter kommt mir sehr atypisch für einen Selbsmordattentäter vor.
    Nun gut, dies ist pure Spekulation.
    Bei der Spurensicherung sollte man eine „Handy-These“ mit einbeziehen.
    Falls ein Handy als Zündmechanismus je vorhanden gewesen war dürfte davon nur wenig übrig sein.

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