„Das Politische ist immer auch persönlich“

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Dankesrede zur Verleihung des Literaturpreises 1992 der Internationalen Erich Fried Gesellschaft Wien, 3. Mai 1992…

Von Paul Parin


Paul Parin mit Anna Freud auf dem 27. Internationalen Psychoanalytischen Kongreß in Wien vom 24.-30. Juli 1971

Sehr geehrter Herr Minister, sehr geschätz­tes Präsidium und sehr geschätzte Mitglie­der der Internationalen Erich Fried Gesell­schaft, liebe Christa Wolf, verehrte Anwesende,

Ihnen allen danke ich, und ich danke natürlich auch der Republik Österreich, eigentlich ihren Steuerzahlern und Steuerzahlerinnen, die das Preisgeld großzügig bewilligt haben und für die weiteren Kosten aufkommen. Meinen Dank mö­gen sich die Angesprochenen auf- und zuteilen; von mir aus ist er unteilbar.

Besonders danke ich allen, die sich mit Erfolg darum bemüht haben, das Andenken an Erich Fried mit fortgesetzten Veranstaltungen wach zu halten, damit seine Dichtung, sein un­beugsamer kritischer Geist und seine Zivilcou­rage weiterwirken – wenn die Verhältnisse es ge­statten. Daß die Verhältnisse die Kritik eines Erich Fried nötig hätten, bitter nötig, darüber gibt es keinen Zweifel.

Die Verantwortung dafür, daß gerade ich dieses Jahr ausgezeichnet wurde, trägt allein die Jurorin Christa Wolf. Fragwürdig ist ihre Wahl allemal. Was fällt der Frau ein, einen jungen Schriftsteller vorzuschlagen, der ein uralter Mann ist! Man wird wie gewohnt versuchen, Christa Wolf herunterzumachen und ihr jede Art Schwäche des Verstandes und des Charakters anwerfen, die jene Herrn selber als Altlast mit sich herumtragen.

Wenn diese europäische oder deutsche Form des Machismo auftaucht, spricht man unter Eth­nologen von Papiermachos. Machismo ist ein männliches Verhaltensstereotyp. Die Männer stellen sich aggressiv über die Frauen, erniedri­gen sie und beuten sie aus; sie sind rücksichtslos, oft gewalttätig und blähen sich in billigen und leeren Attitüden. (…)

Blick starr auf die Kulturszene gerichtet

Zurück zu meiner Auszeichnung. Sie ist nicht die erste. Mein erstes Erzählbuch wurde von den Literaturexperten für den Preis des Kantons Zürich vorgeschlagen. Die Regierung hat die Zuteilung untersagt, beileibe nicht, um ihre Sympathie zur Regierung der weiland DDR aus­zudrücken, die ebenso gegen Schriftsteller vor­zugehen pflegte, sondern weil ich gegen die Ein­richtung von Isolationshaftzellen nach dem Mu­ster von Stammheim im Gefängnis von Regens­dorf bei Zürich aufgetreten war. Die Fachleute schlugen mich sechs Jahre später wieder vor, ich erhielt den Preis und reichte ihn auf der Stelle der kritischen Wochenzeitung WoZ weiter, damit die Regierung endlich einsehe, daß Literatur nicht unpolitisch sein kann. Erich Fried war mit dieser Behauptung einverstanden und Christa Wolf wird mir wohl auch recht geben. Im De­zember 1991 nahm ich den Preis der Stadt (also nicht des Kantons) Zürich ohne Bedenken ent­gegen. Zürich hatte neuerdings eine rot-grüne Regierung. Doch hat diese Regierung seither das linke Kulturzentrum Kanzlei geschlossen, die Drogenkranken aus ihrem Refugium Platzspitz ausgesperrt und brutaler polizeilicher Verfol­gung ausgesetzt. (…)

Erich Fried’s älterer Bruder

In einer Hinsicht hat Christa Wolf zweifellos richtig gewählt. Erich Fried wäre einverstanden gewesen. Ich war ja sein älterer Bruder. Wie er mich dazu gemacht hat, will ich erzählen.

Im Jahr 1984 war ich hier in Wien zu einem Podiumsgespräch eingeladen. Bei der gleichen Tagung „Literatur im März“ hörte ich zum ersten Mal den von mir geliebten und bewunderten Dichter persönlich. Noch mehr als die Kunst sei­nes Vortrags beeindruckte mich das anschlie­ßende Gespräch. Es dauerte gut zwei Stunden und war nicht eine der üblichen Fragestunden, sondern eine packende und tiefschürfende poli­tische Diskussion. Ich glaube, daß ich nie einen kompetenteren Politiker gehört habe als Erich Fried. (…)

Nachher hörte ich zufällig, wie ein höherer Offizier ihn zu einer Lesung und Diskussion an die Militärakademie in Wiener Neustadt einlud. Eine bundesdeutsche Offizierschule hätte da­mals Erich Fried nicht eingeladen; eine schwei­zerische Offiziersvereinigung hätte ihn hinaus­geworfen, wenn er sich in ihre Ideologieschmie­de verirrt hätte. Ich dachte, die Epoche Bruno Kreisky hat Österreich sehr gut getan und sprach Erich Fried an. Er wollte länger mit mir reden. Wir trafen uns im Cafe Museum. Noch zwei oder drei Mal saßen wir im Laufe der Jahre in einem Wiener Cafe zusammen. Einmal besuchte er uns in Zürich. Er kam gestützt auf zwei Stöcke kaum über die zwölf Stufen zu unserer Parterrewoh­nung hinauf. Im Juni 1987 lud er mich ein, an den Römerberg-Gesprächen in Frankfurt teilzuneh­men. Erst wollte ich nicht. „Da könnten wir uns doch einmal sehen“, sagte er am Telephon. Das hieß „vielleicht zum letzten Mal“; so krank war er. Ich ging nach Frankfurt und war wiederum fasziniert von seiner Redekunst. Wir konnten je­doch kaum miteinander sprechen, weil Erich von seinen Zuhörerinnen und Zuhörern umla­gert war.

Das sind zu wenige Begegnungen, um eine intensive Freundschaft zu begründen. Die wickelte sich in wenigen Briefen und ungezähl­ten Telefongesprächen ab. Fast immer war er es, der aus London anrief, weil er meist auf Reisen war, wenn ich es versuchte. Ich mußte ihn bitten, spät abends oder nachts zu telefonieren, denn ich behandelte damals noch Patienten und konnte den Arbeitstag nicht für ein bis zwei Stunden un­terbrechen. Weniger als eine Stunde sprachen wir nie.

Zu Beginn hatte er erklärt, ich sei sein älterer Bruder, nicht „gleichsam“, „irgendwie“ oder „wie ein Bruder“, sonder schlechthin „sein Bru­der“. Seine Intuition machte mich betroffen. Bald jedoch war ich erleichtert, weil er heraus­finden wollte, worauf die spontane Sympathie zurückzuführen sei. Ein Dichter, der seinen Ge­fühlen auf den Grund geht. Den Fachmann für das Unbewußte hatte er am Draht. (…)

Zwei ähnliche Schicksale

Wenn zwei Menschen in der Kindheit und Ado­leszenz ähnlich einschneidende Erfahrungen gemacht haben, ist es ihnen leicht, sich in den an­deren einzufühlen. Man spricht von unbewußter wechselseitiger Identifikation. Gerade dies hat seine Zuneigung zu mir gestiftet. Nach Sigmund Freud ist Identifikation eine Vorstufe jeder Lie­be. So kam ich in den Genuß von Erichs brüder­licher Liebe und Freundschaft.

Beide stammten wir aus assimilierten jüdi­schen  Familien  im  Österreich  der Zwi­schenkriegszeit. Er litt schon als kleiner Knabe an einer Bewegungsstörung der Beine und konn­te nicht mit den anderen Kindern mithalten. Wie auch in den Erzählungen „Mitunter sogar La­chen“ zu lesen ist, hat ihn die Behinderung dazu gebracht, Geschichten zu erfinden und seine Re­dekunst zu entwickeln, um Spielgefährten zu fesseln und um sich zu scharen.

Ich bin mit einer Mißbildung der Hüftgelen­ke zur Welt gekommen und habe zeitlebens ge­hinkt. Immerhin konnte ich mein Gebrechen sportlich kompensieren, war also körperlich besser dran als er. Sprache und Reden waren auch für mich wichtiger als für gesunde Kinder, und haben mir während eines ganz anderen Be­rufslebens so viel bedeutet, daß ich mich im Al­ter dem Schreiben zuwenden konnte und heute hier vor Ihnen stehe.

Für Erich Fried war die Grundlage zur Ent­wicklung seines dichterischen Genius und sei­ner sprachlichen Virtuosität gelegt. Geistig war er vom Kindheitsmuster her besser ausgestattet als ich.

Den Einbruch der Nazis hatten wir beide als Gymnasiasten erlebt, Erich 1937 mit 16 Jahren in einem Wiener humanistischen Gymnasium, ich mit 18 im Grazer Lichtenfels-Realgymnasi­um. Beide verteidigten wir uns und versuchten, die Hitleranbeter bloßzustellen. Wieder war ich im Vorteil, nicht nur, weil ich älter war als er, als Schulkollegen damit anfingen, auch weil ich wußte, daß ich als Ausländer fort konnte, wenn es zu schlimm werden sollte. Er diskutierte klü­ger, ich bösartiger, obwohl oder gerade weil die militanten Nazibuben in Graz dem spiritus loci entsprechend brutaler waren als in Wien.

Die tragischen Ereignisse, die Erich 1938 be­troffen haben, sind nicht mit meinem viel milde­ren Schicksal zu vergleichen.

In einer durch mehrere Telefongespräche fortgesetzten Diskussion stimmte er mir zu, daß sich Ähnlichkeit und Unterschiede der Erfah­rungen später in unserer beider antifaschisti­schem und sozialistischem Engagement ab­zeichnen. Ich konnte als Chirurg an einem revo­lutionären Befreiungskampf teilnehmen, als Forscher gesellschaftliche Prozesse in der Psy­choanalyse, bei Afrikanern und bei uns einsich­tig machen, mich da und dort politisch einmi­schen. (…)

Marxismus und Psychoanalyse

Der Inhalt unserer Gespräche war in Erich Frieds Biographie vorgezeichnet. Die Psychoanalyse gehörte zur intellektuellen Ausstattung seiner Jugendzeit. (…) Eines Tages, so erzählte er mir, las er unsere Afrikabücher. Da entdeckte er, wie neu, was Otto Fenichel, Sieg­fried Bernfeld und der junge Erich Fromm längst festgestellt hatten. Daß beide, Marxismus und Psychoanalyse dialektisch-materialistisch argu­mentieren. Die Gesetzmäßigkeiten wirtschaftli­cher und sozialer Konflikte und die seelischer Konflikte sind im Prinzip die gleichen. Politi­sche und psychologische Analyse ergänzen ein­ander; ja, sie sind aufeinander angewiesen. (…)

An einen Höhepunkt unserer Auseinander­setzungen kann ich nur mit Lächeln und Rührung über den Ungestüm des jüngeren Bru­ders denken. Ein Telefonanruf aus London. Es sei so weit. Es sei ihm ein persönliches Gespräch mit Michael Gorbatschow zugesagt. Ich müsse, ausgestattet mit unseren Schriften, mit ihm nach Moskau fahren, um Gorbi zu sagen, wie er seine Politik in wissenschaftlich erweiterter Kenntnis des subjektiven Faktors, also des Menschen, richtiger gestalten müsse. Nur so würde Perest­roika zu einer wahrhaft menschlichen, besseren Gesellschaft führen.

„Theoretisch hast du recht, da bin ich ganz deiner Meinung“, sagte ich, „doch Gorbi hat ge­genwärtig dringenderes zu tun. Wir sind nicht so weit mit unseren Einsichten. Für die große Poli­tik kommen wir noch lange nicht in Betracht.“ Ich konnte ihn kaum von dem Plan abbringen. Er wurde ganz traurig, gab aber schließlich mei­nem Argument recht, daß es besser wäre, wenn sie die Psychoanalyse organisch über Fidel Ca­stro in die Sowjetpolitik infiltrieren würden? In Kuba fand damals der zweite Lateinamerikani­sche Kongreß für Psychologie und Psychiatrie statt, in den die Freudsche Psychoanalyse zum ersten Mal in einem realsozialistischen Land Einlaß gefunden hatte. Daß das geschehen müs­se, davon hatte die Psychoanalytikerin und Ärz­tin Marie Langer aus Wien, die als Emigrantin lange in Buenos Aires gelebt hatte, und dann vor den argentinischen Generälen weiter nach Me­xico emigriert war, Fidel Castro in persönlichen Gesprächen überzeugt. (…)

Literatur und Psychoanalyse

Ihnen stehe ich mit einer anderen Dichotomie gegenüber: Psychoanalyse und Literatur. Daß Sigmund Freud ein großer Schriftsteller war, kam nicht von seiner Entdeckung der Psycho­analyse. Eher war es umgekehrt, war Freuds Wissenschaft von seinem literarischen Talent getragen. Generationen meiner Kollegen und Kolleginnen haben seither deutlich gemacht, daß das Erinnern in der Psychoanalyse nicht das gleiche ist wie das Schreiben von Erinnerungen. Beiden, der therapeutischen Psychoanalyse und der Literatur, ist gemeinsam, daß sie danach trachten, Stücke der Erinnerung neu zu beleben, sie zu verbinden und Gefühle hervorzurufen, die Ereignisse von damals durch Emotionen zu ver­knüpfen. Stellt sich diese Verbindung her, ist die Analyse gelungen; der Leser hat das Vergnügen, an einem Leben teilzunehmen, das das seine hät­te sein können. (…)

Wie anders ist es, wenn ich eine Geschichte erzähle. Da muß ich verdichten, was auseinan­derstrebt, muß eine Form finden. Da darf ich meine magische Macht anwenden, meine Figu­ren tanzen lassen. Es ist an mir, ihnen all die Ge­fühle, Ängste und Hoffnungen mitzugeben, die jetzt und früher die meinen sind und waren. Nie­mand ist mehr da, der Sinn und Unsinn an mei­ner statt gestaltet. Ich muß selber suchen, den Le­ser zu verführen; wenn es gelingt, wird er Ge­danken und Gefühle nach vielen Seiten offen fin­den, an meiner Welt teilnehmen, die für einen Augenblick auch die seine sein wird. (…)

In der Tat ist eine gelungene Psychoanalyse mit einem Kunstwerk verglichen worden, das der Analysand mit einiger Beteiligung seines Therapeuten gestaltet. Er inszeniert ein Drama. Die Protagonisten trägt er in sich. Wie er Vater, Mutter, Brüder und Schwestern erfahren hat, all die Rollen teilt er eine nach der anderen seinem Analytiker zu, der hinter ihm sitzt, der sich nicht verweigert, der bemerkt und sagt, jetzt bin ich der oder die. Das nennt man „Übertragung“. Und der Analysand erlebt manchmal, wie alles wie­der stimmt, so wie es wirklich gewesen ist. Sei­ne Wahrheit hat sich hergestellt. Das soll ja das sein, was ein Kunstwerk will. (…)

Mir ist es ganz anders ergangen, als ich mei­ne Geschichten geschrieben habe. Kaum stehen sie auf dem Papier, werden andere sie lesen. Wenn es glückt, wird in ihnen etwas vorgehen, an dem ich keinen Anteil mehr habe.

Doch wie verhält es sich mit der Erinnerung selbst? In der Analyse, so meine ich, gräbt man die Trümmer eines längst verfallenen Gebäudes aus, stellt sie zusammen, wie sie früher waren. Eine Rekonstruktion. Man kann sich erneut dar­in umsehen, einen Augenblick verweilen und weitergehen. Beim Niederschreiben einer Ge­schichte versuche ich, aus den ausgegrabenen Bausteinen ein neues Haus zu bauen. Eine Kon­struktion. Wer weiß, ob jemand darin wohnen wird und dann erst weitergehen.

Das Politische ist immer auch persönlich

Im Lauf der psychoanalytischen Arbeit zeich­nen sich mitunter Einsichten ab, denen man all­gemeine Gültigkeiten zuschreiben darf; das sind wissenschaftlich begründete Regeln oder Ge­setzmässigkeiten. In einer Untersuchung von Personen, die sich zur Zeit der Niederschlagung des „Prager Frühlings“ 1968 für Freiheit und Un­abhängigkeit engagiert hatten, kam ich zum Schluß:

„Die Aussage, daß ein politisches Engage­mentnichts anderes sei, als der Versuch, persön­liche Konflikte zu lösen, ist ebenso unsinnig wie jene andere, daß die Beteiligung an einer politi­schen Bewegung aus rein objektiven oder ratio­nalen Motiven ohne die Mobilisierung individu­eller innerer Konflikte zustande kommen könn­te.“ Einfacher ausgedrückt: Das Politische ist immer auch persönlich, das Persönliche immer auch politisch. (…)

Meine Damen und Herren, ich befinde mich in einem Dilemma: Ich meine, daß ich über Li­terarisches sprechen sollte, bin aber gerade nur zur Hälfte mit literarischen Fragen vertraut, nämlich als Leser. Bereits dieses Theater ist mit seiner Tradition und für mich selber ein anspruchsvoller Ort. Ich war zehn Jahre alt, als mich meine Eltern bei einem Besuch in Wien zu einer Vorstellung von „Der Bauer als Millionär“ mitnahmen, wenn mich die Erinnerung nicht täuscht, ins Burgtheater. Das war mein erstes Theatererlebnis. Als Student kam ich aus Graz und liebte die Wiener Theater, besonders die Jo­sephstadt von Max Reinhart, die von Camillo Castiglioni, einem der erfolgreichsten Speku­lanten des Ersten Weltkriegs, finanziert wurde. Er war in Triest ein Schulkollege meines Vaters gewesen. Meine Mutter mochte ihn aus morali­schen Gründen nicht, ich dagegen fand ihn gut, weil er so viel für das Theater getan hatte. (…)

Ich wähle den Ausweg, nicht über Literatur zu sprechen, sondern darüber, was heute jede Li­teratur – nicht nur „ein Gespräch über Bäume“ -fragwürdig, beinahe unmöglich macht. (…) Am liebsten würde ich mich der Maxime der französischen Surrealisten anschließen, die ihr Mentor Andre Breton formuliert hat: „Mit dieser Welt gibt es keine Verständigung. Wir gehören ihr nur in dem Maße an, als wir uns gegen sie auflehnen.“

Doch gilt das für mich gar nicht. Ich lebe nicht schlecht, mache mit in der Konsumgesellschaft, genieße Privilegien und Vorteile. Außerdem bin ich Bürger in einem demokratischen Staatswe­sen, wie wir alle. (…)

Wenn mir die Ereignisse auf den Leib rücken, kann ich keine Geschichten mehr erzählen. Seit in den südslawischen Ländern ein schrecklicher und schrecklich sinnloser Krieg herrscht, fällt mir kaum etwas anderes ein als Leserbriefe, Auf­rufe an Soldaten, sie sollen desertieren, Zei­tungsartikel, damit man hinschaut, hilft, und ver­steht, wie wenigstens dieses menschengemach­te Unheil entstanden ist. Die Versuchung, mich ganz in die Lesewelt zurückzuziehen ist da. War­um schweige ich nicht endlich und verzichte dar­auf zu schreiben? Weil ich gerne schreibe und weil ich Christa Wolf zustimme, die geschrieben hat: „Wer zu verzichten angefangen hat, ist auf Ungerechtigkeit festgelegt.“

Dieser Beitrag Paul Parins ist zuvor erschienen in: Roland Kaufhold (Hg.) (1993): Pioniere der Psychoanalytischen Pädagogik: Bruno Bettelheim, Rudolf Ekstein, Ernst Federn und Siegfried Bernfeld, psychosozial Nr. 53 (1/1993), S. 126-131. Der Beitrag wurde von Roland Kaufhold für haGalil gekürzt. Wir danken dem Autor und dem Psychosozial-Verlag für die freundlich erteilte Nachdruckgenehmigung.

Die ungekürzte Version dieser Preisrede Paul Parins kann als Sonderdruck hier erworben werden.