Gestörte Friedensruhe zwischen Ägypten und Israel

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Die ägyptische Aufkündigung der Erdgaslieferungen an Israel ist wie eine Bombe eingeschlagen. In Israel galt zunächst der ägyptische Beschluss als erster Schritt zu einer Aufkündigung des seit dreißig Jahren bestehenden Friedensvertrags. Stunden später wurde die „Krise“ zu einem „Geschäftsstreit“ heruntergespielt. Ägypter wie Israelis reagieren bei dem Thema sehr gereizt…

Von Ulrich W. Sahm, Jerusalem, 22. April 2012

Die umfangreichen Erdgasvorkommen im südlichen Sinai wurden von Israel entdeckt und erschlossen. Im Rahmen des Friedensvertrags und des israelischen Rückzugs von der Sinaihalbinsel 1982 wurden ägyptische Erdgaslieferungen an Israel vertraglich abgesprochen.

Ägypten lieferte sein Erdgas auch an Jordanien und Syrien. Die „saubere Energie“ hatte eine Umstellung der Kraftwerke in den drei Ländern von Schweröl auf das billigere Erdgas zur Folge. Doch die Pumpstationen auf dem Sinai wurden inzwischen 14 Mal von El-Kaeda nahestehenden Beduinen gesprengt, um die Versorgung nach Israel zu unterbrechen.

In der Folge hat Ägypten 2011 nur etwa 25 Prozent der vertraglich abgesprochenen Menge an Israel geliefert und 2012 nichts mehr. In Israel stiegen die Strompreise um 25 Prozent. Das Ausbleiben des ägyptischen Ergas trifft so jeden Israeli.

Der Erdgas-Vertrag spielte eine entscheidende Rolle während des „arabischen Frühlings“ in Ägypten und dem Sturz von Präsident Hosni Mubarak. Mitgliedern des alten Regime wurde vorgeworfen, dem verhassten israelischen „Feind“ das Erdgas zu einem Vorzugspreis verkauft und so das ägyptische Volk um seine Naturschätze „beraubt“ zu haben. Gleichzeitig diente das Gasgeschäft als Vorwand, Mubarak Korruption vorzuwerfen.

Die Aufkündigung des Vertrags hat in Israel größte Sorgen ausgelöst und könnte für Ägypten fatale Folgen haben. Finanzminister Juval Steinitz redete von einer „empfindlichen Störung der Friedensstimmung“. Oppositionschef Schaul Mofas redete von einem „präzedenzlosen Tiefpunkt“ in den Beziehungen zwischen beiden Ländern und forderte die Amerikaner auf, einzugreifen. Die USA überweisen an Ägypten über 2 Milliarden Dollar pro Jahr Finanzhilfe als „Belohnung“ für den Friedensvertrag mit Israel. Da der Gasvertrag Teil des Friedensabkommens ist, kann dessen Aufkündigung als erster Schritt in Richtung einer Aufkündigung des Friedensvertrags interpretiert werden. Ägyptens Wirtschaft liegt infolge der Revolution und des Zusammenbruchs der Tourismusindustrie am Boden. Der Aufstand mit blutigen Demonstrationen auf dem Tahrir-Platz in Kairo war auch ein sozialer Aufstand. Doch hat er die Lage für die meisten Ägypter nur noch verschlimmert. Eine Reduzierung der amerikanischen Finanzhilfe oder gar ihr Ausbleiben wäre Ägyptens Wirtschaft ein Todesstoß.

Derweil bemüht sich Israel, die Beziehungen mit Kairo einigermaßen korrekt aufrecht zu erhalten, aus eigenem Interesse. Es kam zu einem Sturm auf die israelische Botschaft, bei dem sechs Israelis fast gelyncht worden wären, wenn die Amerikaner nicht in letzter Minute interveniert und die Ägypter dann doch Sonderheiten entsendet hätten, die Israelis zu retten. Die Affäre war für das Militärregime unter Feldmarschall Tantawi höchst peinlich, hatte aber keine politische Folgen.

Schlimmer war eine Terrorattacke vom Sinai aus, bei der acht Israelis nahe Eilat ums Leben kamen. Dieser Tage werden israelische Urlauber dringend aufgerufen, die traumhaften Strände entlang der Sinaiküste am Roten Meer umgehend zu verlassen und heimzukehren. Nicht nur die Sprengungen der Erdgas-Pipeline, sondern auch die Terrorattacke nahe Eilat und wiederholte Entführungen von Touristen im Sinai gelten als Zeichen für eine mangelnde Kontrolle der ägyptischen Sicherheitskräfte auf der Sinai-Halbinsel. Dort haben Beduinen das Sagen und palästinensische Extremisten aus dem Gazastreifen.

Das Herz des Friedensvertrages zwischen Israel und Ägypten ist eine international überwachte Entmilitarisierung des Sinai. Während nur „Polizisten“ im Sinai stationiert sein durften, hat Israel stillschweigend der Verlegung ägyptischen Militärs nach Scharm A Scheich zugestimmt, um zunächst den gestürzten Diktator Mubarak zu schützen. Dann wurden Soldaten zugelassen, um die Erdgaspipeline bei El Arisch zu schützen.

Eine Aufkündigung des Friedensvertrags könnte eine erneute militärische Präsenz im Sinai bedeuten, würde unweigerlich zu Spannungen mit Israel und fast automatisch zum Krieg führen, so israelische Befürchtungen.

Derweil bemühen sich beide Seiten, Kairo wie Jerusalem, die Kontroverse zu einem „rein kommerziellen Streit ohne jegliche politische Bedeutung“ zu reduzieren. Denn beide Seiten wissen, dass die „ägyptischen Gefahr“ eine größere Bedrohung für Israel bedeutet als die potentielle iranische Atombombe.

(C) Ulrich W. Sahm / haGalil.com

6 Kommentare

  1. a) Die MNF habe ich ausschließlich deswegen nicht erwähnt, weil sie im Kontext ägyptischer militärischer Präsenz in Zone C nicht relevant ist.
    b) Zone D is bounded by line D (blue line) on the east and the international boundary on the west, as shown on Map 1.

    Wie ersichtlich, bildet die internationale Grenze die westliche Grenze der Zone D, ergo befindet sich die Zone östlich dieser Grenze, ergo auf israelischem Staatsgebiet (bzw., um der Situation in Gaza Rechnung zu tragen, auf nicht-ägyptischen Staatsgebiet.)

  2. Noch was dazu zur Klarstellung, denn das stimmt einfach nicht:
    .
    „Es gibt des weiteren eine Zone D auf der israelischen Seite der Grenze“
    .
    Die gibt es zu ihrem größten Teil an, aber nicht auf der israelischen Seite, und im Rest an der Grenze zum Gazastrip.
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    Denn auch Zone D liegt ausschließlich auf ägyptischem Gebiet, das von Israel besetzt, aber nach dem Friedensvertrag geräumt wurde, wobei das kleine verbliebene, mehr symbolische  israelische Truppenkontingent ein Zugeständnis Sadats zur Friedenssicherung war. Andernfalls würde, wie oben behauptet, israelisches Gebiet den Gazastrip komplett umfassen, und es gäbe keine ägyptische Grenze zum Gazastrip (und Israel hätte keinen Ärger mit Schmugglertunneln etc.).   

  3. @ Koshiro
    .
    Du schreibst:
    .
    „Nur in Zone C ist ausschließlich zivile Polizei gestattet.“
    .
    Das Recherchieren von anderen kritisieren und dann selbst die Hälfte weglassen? Denn sehr wohl ist Militär genau dort stationiert, wenn auch weder ägyptisches noch israelisches, sondern insgesamt 1655 Soldaten aus 12 Nationen, die die MFO bilden,  s.
    .
    http://en.wikipedia.org/wiki/Multinational_Force_and_Observers#Organization
    .
    bzw. hier
    .
    http://en.wikipedia.org/wiki/Multinational_Force_and_Observers#Sinai_Peacekeeping_Zones (mit Schaubild der Zonen)
    .
    und
    .
    http://en.wikipedia.org/wiki/Multinational_Force_and_Observers#Zone_C 
    .
    In Zone D ist israelisches Militär da nicht erlaubt, wo diese Zone im Norden zwischen dem Gazastrip und Ägypten verläuft.  Die IDF kann deshalb nicht von dort in den Strip, und also auch nicht von dem Teil in D, in dem es stehen darf und theoretisch weiter nach Norden gehen könnte. Ägypten würde sich das aber nicht gefallen lassen, das entspräche einer Verletzung seines Hoheitsgebietes bzw. einer Kriegserklärung. Wer auch immer anderes behauptet, phantasiert. 

  4. Das Herz des Friedensvertrages zwischen Israel und Ägypten ist eine international überwachte Entmilitarisierung des Sinai. Während nur „Polizisten“ im Sinai stationiert sein durften,
    Falsch!
    Die Sinai-Halbinsel wird in dem Vertrag (von Westen nach Osten) in die Zonen A, B und C eingeteilt. In Zone A darf laut Vertrag eine reguläre Division der ägyptischen Armee mit schweren Waffen stationiert sein. In Zone B dürfen ebenfalls ägyptische Armeeeinheiten, aber in begrenzter Zahl und nur mit leichten Waffen, stationiert sein. Nur in Zone C ist ausschließlich zivile Polizei gestattet.
    Es gibt des weiteren eine Zone D auf der israelischen Seite der Grenze: Ein schmaler Streifen, in dem nur wenige israelische Bataillone, ebenfalls ohne schwere Waffen, tätig sein dürfen. Dass Israel sich daran hält, wenn es z.B. sein Militär in den Gazastreifen entsendet, darf bezweifelt werden.
    Nachzulesen ist das alles an vielen Orten. Die Website des israelischen Aussenministeriums sollte wohl auch dem eifrigsten Apologeten Israels ausreichend „neutral“ sein:
    http://www.mfa.gov.il/MFA/Peace%20Process/Guide%20to%20the%20Peace%20Process/Israel-Egypt%20Peace%20Treaty
    Aber hey, wozu Recherche? Herr Sahm hat sein Publikum, das sowieso alles glaubt, wenn es Israel gut und den bösen Araber schlecht aussehen lässt.

  5. Man könnte es auch so sehen: 2008 hat ein enger Freund von Mubarak einen sehr seltsamen Vertrag  mit sehr seltsamen Entgelten für Erdgaslieferungen beschlossen. Seit dem Ende des Mubarakregimes versucht der ägyptische Staat marktübliche Preise für das Erdgas zu erzielen.
    Die East Mediterranean Gas mit dem Kumpel als Gesellschafter versucht seit dem Machtende ihres Förderers den 15 Jahres Vertrag von 2008 durchzusetzen.
    Jordanien hat neuen Preisen wohl zugestimmt Durch dieselbe Pipeline. Übrigens bezog sich der Friedensvertrag, meines Wissens nach, auf die Möglichkeit Erdöprodukte zu marktüblichen Preisen zu beziehen. 

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