Wie Tel Aviv zur Technologie-Hauptstadt wurde

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Zwischen den europäischen Hauptstädten tobt der Kampf um den Titel der Hightech-Hauptstadt und London, Berlin, Paris und Dublin wollen den Thron für sich in Anspruch nehmen. Doch es gibt bereits einen König, und es ist unwahrscheinlich, dass jemand ihm den Rang ablaufen könnte. Sein Name: Tel Aviv…

Von Ben Rooney, Wall Street Journal

Israel ist die Startup-Nation, und Tel Aviv ist ihr Zentrum. Ron Huldai, seit 13 Jahren Bürgermeister, hat den Wandel der Stadt verfolgen können, die noch 1998 kurz vor dem Bankrott stand und heute ein AAA-Rating von „Standard & Poor´s“ hält.

Huldai ist ein ungewöhnlicher Mensch. Er ist pensionierter Luftwaffen-Brigadegeneral mit 26 Dienstjahren und ehemaliger Lehrer am Hebräischen Gymnasium in Herzliya – der Schule, die für die Wiedergeburt des Hebräischen steht.

Wenn man Huldai fragt, was er getan hat, um Tel Aviv zum Zentrum des Existenzgründertums zu machen, läuft man ins Leere. „Ich habe gar nichts getan“, erklärt er. Welchen Rat würde er anderen Städten wie London oder Berlin geben? „Ich kann ihnen keinen Rat geben. Ich glaube nicht, dass ich selbst etwas getan habe. Ich habe die Tel Aviver Strände schließlich nicht geschaffen.“

Bohrt man nach, dann fallen ihm gerade einmal zwei Initiativen ein: W-Lan-Zugang in den öffentlichen Räumen der Stadt und eine Bibliothek sowie ein Zentrum für Startups, wo man sich treffen und Kaffee trinken kann.

Und gerade wenn man denkt, hier verschwende man gerade seine Zeit, dann beginnt er, seine Strategie zu erklären. Sie hat nichts mit DSL, Kapital oder irgendwelchen Geschäftspraktiken zu tun. Es geht ihm um die Menschen, nicht um die Organisationen.

„Wir schaffen einen guten Ort zum Leben für Hightech-Leute – ich tue es für die Menschen, die im Hightech-Bereich arbeiten“, erklärt der Bürgermeister.

Es gibt hier eine deutliche Parallele zu den positiven Schritten, die er unternommen hat, um Tel Aviv zur „gay-friendly City“ zu machen. Nach seiner Wahl hat er sehr erfolgreich eine Politik angestoßen, um die LGBT-Community zu unterstützen. Die Stadt wurde vor kurzem zur besten Gay-Stadt der Welt ernannt. „Es geht darum, eine Umgebung zu schaffen, die unterstützend ist“, so Huldai.

Einer der ersten Schritte war die Sanierung des Rothschild Boulevards. Er war heruntergekommen und schmutzig, und die Banken drohten auszuziehen. Heute ist die Straße eine blühende Ausgehmeile, auf der sich vor allem junge Menschen gern aufhalten.

„Tel Aviv war zu einer Stadt geworden, die Menschen benutzen, nicht eine, in der sie leben“, so Huldai.

Seine Strategie – die Stadt zu einem Ort zu machen, wo die Art von Leuten, die Startups gründen, gerne leben würden. Die meisten Gründer im Bereich der digitalen Medien sind jung, gegenkulturell und fühlen sich von lebendigen, heterogenen und internationalen Städten angezogen. Ein Drittel der Bevölkerung Tel Avivs ist heute unter 35, und es gibt im Schnitt eine Bar auf 200 Einwohner.

Dass Israel ein Startup-Schwergewicht ist, steht außer Zweifel. Eine kürzlich von der Stadt in Auftrag gegebene Studie hat allein in Tel Aviv-Jaffa 600 Startups gezählt.

Huldais Vision ist, mehr ausländische Investitionen und mehr internationale Studierende und Arbeitnehmer anzuziehen. Dafür übt er Druck auf die Regierung aus, die Visumsanforderungen zu ändern.

Doch auch darüber hinaus gibt es bedeutende Hürden. Der Bericht, der in Auftrag gegeben worden war, um die Voraussetzungen für die Technologie-Ambitionen der Stadt näher zu untersuchen, benennt vor allem die hohen Lebenshaltungskosten, die Sprache, den wachsenden Wettbewerb, die Bürokratie und die Lage als problematisch.

Doch, so Huldai: „Die Hauptsache ist, wie die Menschen die Situation und den Staat Israel sehen.“

Wall Street Journal, 27.01.12, Newsletter der Botschaft des Staates Israel

1 Kommentar

  1. „Seine Strategie – die Stadt zu einem Ort zu machen, wo die Art von Leuten, die Startups gründen, gerne leben würden. Die meisten Gründer im Bereich der digitalen Medien sind jung, gegenkulturell und fühlen sich von lebendigen, heterogenen und internationalen Städten angezogen. Ein Drittel der Bevölkerung Tel Avivs ist heute unter 35, und es gibt im Schnitt eine Bar auf 200 Einwohner.“

    Hört sich interessant, hört sich gut an. Ganz sicher kein Klima, dass religiösen Fundamentalismus verträgt .. weder den der Hamas noch den der orthodoxen Juden. Die beschriebenen Start-up-People wollen eine adäquate Umwelt. Und dazu gehört Fun, Food und Sex .. und für keines der genannten Kriterien religiöse Beschränkungen.

    Wenn mensch diese Work-hard..and-have-Fun-Individuen fragen würde, wollt ihr ein Tel-Aviv in Großisrael, für dass ihr Kriegsteilnehmer seid, oder wollt ihr ein Tel-Aviv in Israel in den Grenzen von 1967, eventuell von der Nato garantiert, .. wie würde wohl die Antwort lauten? (ich glaube die Antwort des Bürgermeisters zu kennen.)

    Zu den Hürden..
    .. dei Lage .. oben schon behandelt,
    .. die hohen Lebenshaltungskosten .. ist nun mal so in boomenden Städten,
    ..  den wachsenden Wettbewerb, die Bürokratie .. Standradbeschwerde, orts- und religionsunabhängig, und
    .. die Sprache .. wenn ich Weltenherrscher wäre, würde ich Sprachen grundsätzlich verbieten.. eine reicht .. von mir aus auch englisch, chinesisch oder russisch .. (nein – ich kann keine der drei genannten wirklich perfekt 😛 )

    Es ist grundsätzlich gut und wichtig, Gemeinsamkeiten zwischen Menschen zu schaffen. Unabhängig von den momentanen Problemen war die Einführung des Euros eine Supersache! Urlaub im Ausland .. nix mit Umrechnungskurs, unverständliche preisvergleiche, „Restdevisen“ .. heute innerhalb der Eurozone zu reisen unterscheiden sich nicht mehr viel von Innerlandesreisen .. wenn es denn die Sprachprobleme leider nicht immer noch gäbe.

    Jaja .. Sprache ist wichtig für die eigene Identifikation .. Bullshit! .. Jede Sprachbarriere ist eine sozialkulturelle Grenze, die eine Sollbruchstelle friedensschaffender Kommunikation ist. Kein Mensch braucht friesisch, platt,“sächsisch“, „düringisch“, walisisch, baskisch, hebräisch oder sonstige ulkische Sprachen. Die „Pflege“  ausgrenzender Sprachidiome hat nichts mit Kulturpfege sondern nur mit Rassismus zu tun. Auch wenn ich seber größere Probleme mit Fremdsprachen habe, wäre ich bereit, eine Weltsprache als alleinige Amtssprache zu akzeptieren, da ich glaube, dass dies wirklich mal eine friedensschaffende Angelegenheit sei. 

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