Das Dilemma eines entmilitarisierten Sinai

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Die jüngsten Ereignisse auf dem Sinai und im Gaza-Streifen stellen uns in aller Deutlichlichkeit vor eine bekannte Frage: Wie kann die israelisch-ägyptischen Grenze vor Terroristen aus dem Gaza-Streifen geschützt werden? Es scheint, als sei die Antwort einfach: Es ist Aufgabe der ägyptischen Armee, Terrorangriffe zu vermeiden, die von ägyptischem Gebiet ausgehen…

Von Elie Podeh

Doch das Friedensabkommen zwischen Israel und Ägypten deklariert die Halbinsel Sinai zur entmilitarisierten Zone. Seit Unterzeichnung des Abkommens wurden daran allerdings zwei wichtige Änderungen vorgenommen: Zunächst hat Israel im August 2005 zugestimmt, dass 750 ägyptische Soldaten entlang der Philadelphi-Passage stationiert werden, um Schmuggel vom Sinai in den Gaza-Streifen (und umgekehrt) zu verhindern. Panzer und schwere Waffen wurden dabei ausgeschlossen. Darüber hinaus stimmte Israel im Januar 2011 der Staionierung zweier Regimenter der ägyptischen Armee in der Region Sharm el-Sheikh zu. Diese Entscheidung wurde während der Demonstrationen gefällt, die das Regime Hosni Mubaraks erschütterten und letztendlich zu seinem Fall führten.

Es gab also in den letzten fünf Jahren mindestens zwei Präzedenzfälle, von denen wir wissen (es ist möglich, dass es noch andere gab, die nicht an die Öffentlichkeit gelangten), bei denen Israel der ägyptischen Armee gestattet hat, den Suezkanal zu überqueren. Damit stellt sich die Frage, ob Israel weiterhin die „schleichende Militarisierung“ des Sinai gestatten sollte, um der ägyptischen Regierung eine bessere Kontrolle über die Vorgänge auf der Halbinsel zu ermöglichen.

Die Entmilitarisierung des Sinai ist eine Notwendigkeit, die den Ägyptern durch das Friedensabkommen auferlegt wurde. Gerne würde Ägypten die volle Hoheit über sein Gebiet ausüben. Dies würde ihm auch ermöglichen, mit den Bedrohungen der eigenen nationalen Sicherheit umzugehen. Es besteht kein Zweifel, dass die Fähigkeit der ägyptischen Armee, mit Terrorzellen von Al-Qaida, palästinensischen Terroristen aus dem Gaza-Streifen und Beduinen, die diese Kräfte unterstützen, fertig zu werden, sehr eingeschränkt ist. Über die Jahre haben sich nicht wenige Terroranschläge im Sinai ereignet. Das Mubarak-Regime alles unternommen, um dieser Bedrohung entgegenzuwirken, jedoch hat es sich mit den Beschränkungen arrangiert, die ihm das Friedensabkommen auferlegt hat. Eine Ausnahme bildeten dabei nur die zusätzlichen Truppen, die für die Philadelphi-Passage gestattet worden waren.

Der letzte Anschlag an der ägyptischen Grenze folgte einer Reihe von Anschlägen auf die Gasleitung nach Israel. Er setzt die gegenwärtige Militärregierung unter Druck, mit der neuen Bedrohung im Sinai fertigzuwerden, um nicht als schwaches Regime aufgefasst zu werden, das Probleme der nationalen Sicherheit nicht in den Griff bekommt. Daher wäre es nicht überraschend, wenn eine nachdrückliche Forderung erhoben würde – die auch einem alten Interesse Ägyptens entspricht – die Truppenstärke im Sinai zu vergrößern, mit dem Argument, dass Ägypten so die Grenze mit Israel besser schützen kann. Eine solche Forderung stellte die israelischen Entscheidungsträger vor ein schwieriges Dilemma.

Einerseits könnte eine Vergrößerung der Truppen im Sinai wirklich die bröckelige Verteidigungslinie entlang der Grenze verstärken. Andererseits könnte die Verstärkung der Truppen auch als Präzedenzfall für weitere Truppenaufstockungen in der Zukunft dienen. Darüber hinaus besteht die Gefahr, dass sich mit einer Zivilregierung, die die gegenwärtige Militärregierung nach den Wahlen ablöst, die Beziehungen zwischen den beiden Staaten verschlechtern könnten. In einer solchen Situation wäre es am besten, wenn der Sinai so entmilitarisiert wie möglich wäre.

Die Entscheidung ist nicht einfach, weil jede der Möglichkeiten Vor- und Nachteile mit sich bringt. Es scheint, als bestünde auch eine dritte Möglichkeit, nämlich die, die multinationale Truppe im Sinai zu vergrößern. Doch die Erfahrung im Libanon und an anderen Orten im Nahen Osten lehrt, dass diese Truppen, in der Regel, keine echte Antwort auf die Bedrohungen darstellen, da sie kein Interesse oder keine Motivation haben, diese wirklich einzudämmen.

Bei realistischer Betrachtung scheint es, dass Israel einige Dinge gleichzeitig tun sollte: Erstens, den Bau den Grenzzauns beschleunigen, zumindest in jenen Gebieten, die topographisch für Probleme prädestiniert sind. Zweitens den Umfang der Truppen entlang der Grenze vergrößern. Und zuletzt, Ägypten eine Truppenaufstockung von bis zu einer Brigade mit begrenzter Waffenausrüstung (d.h., ohne Panzer und schwere Waffen) ermöglichen, um den Bedrohungen des Terrors entgegenzutreten.

Es besteht vielleicht die Möglichkeit, ein solches Abkommen zeitlich zu beschränken, um zu überprüfen, wie es in der Praxis funktioniert. In jedem Fall kann man aber davon ausgehen, dass eine solche Truppenstärke für Israel keine Bedrohung darstellen würde und dazu beitragen könnte, Terrorangriffe aus dem Sinai zu verhindern.

Sogar politisch wäre ein solcher Schritt klug, da er eine Art von Geste gegenüber der Militärregierung wäre. Er könnte auch eine Antwort auf die Stimmen in der ägyptischen Zivilgesellschaft sein, die nach Annullierung des Friedensabkommens rufen.

Der Autor ist Professor an der Fakultät für Islam und Nahen Osten an der Hebräischen Universität Jerusalem.

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3 Kommentare

  1. Es gäbe noch die Möglichkeit, dass   צהל der ägyptischen Armee unter die Arme greift. Wie das aber politisch verkauft werden soll – da fehlt mir die Phantasie.

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