Arabischer Sport in Israel

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Die wenigen arabischen Tennisspieler in Israel müssen aus Mangel an Geldern „jüdischen“ Tennisclubs beitreten. Eine Tennisschule im Dorf Jaljulya, die von einem Juden und einer Araberin geleitet wird, versucht dies zu ändern…

Bericht von Neta Ahituv, Ha’aretz, 01.07.2011
Übersetzung von Daniela Marcus

Das Dorf Jaljulya steht auf der sozioökonomischen Leiter Israels weit unten. Die Hälfte der Abgänger der Oberschule immatrikulieren nicht und das Durchschnittseinkommen ist halb so hoch wie der landesweite Durchschnitt.

Deshalb ist Jaljulya eigentlich kein fruchtbarer Boden für Tennis, da Tennis als ein Sport der Reichen betrachtet wird. Doch Daniel Kessel und Iman Jabber dachten anders darüber.

Vor einem Jahr gründeten zwei Tennisfans –ein Jude und eine Araberin– Jaljulyas erste Tennisschule. In Jaljulya, das in der Nähe von Kfar Sava liegt, leben etwa 9.000 Menschen. Jabber wurde in Jaljulya geboren und wuchs hier auf. Von Kindesbeinen an hat sie Tennis gespielt und Tennisturniere im Fernsehen angeschaut. „Für Mädchen war es nicht angemessen, ständig auszugehen, deshalb saß ich zu Hause und schaute Tennis“, sagt sie.

Nun ist sie 40 Jahre alt und Mutter zweier Söhne. Nadim ist 14 und Amir 9. Von ihrer Mutter inspiriert, sind beide begeisterte Tennisspieler. Doch weil es in arabischen Dörfern an Tennisplätzen mangelt, müssen sie auf „jüdischen“ Plätzen spielen.

„Nadim war der einzige, der kein – ich möchte nicht sagen „Jude“ war, also lassen Sie mich sagen, er war der einzige, der eine andere Sprache sprach. Deshalb hatte er zuerst ein bisschen Angst“, sagt seine Mutter in Erinnerung an die Anfänge auf dem Tennisplatz. „Doch dann schloss sich ihm sein Bruder an, der nicht weiß, was Schüchternheit ist. Dies ließ Nadims Selbstbewusstsein wachsen. In jedem Tenniszentrum, auch in Ra’anana, fühlen wir uns willkommen und die Jungs sind voll akzeptiert.“

Trotz allem fühlte sich Familie Jabber immer noch als Moslems unter Juden. Vor zwei Jahren erhielt der Tennisclub in Ra’anana die Möglichkeit, ein Kind zum Training ins Ausland zu schicken und die Kinder sollten eine Stellungnahme auf Englisch vorbereiten. Der Leiter des Clubs forderte Nadim auf, darüber zu schreiben, dass er der einzige Moslem in einem Club von Juden sei. Nadims Englischlehrer weigerte sich, ihm zu helfen und erklärte, Nadim sei genau wie alle anderen Jungs und solle deshalb schreiben, was er wolle – über seine Hobbies und seinen Zeitvertreib und warum es für ihn wichtig sei, ins Ausland zu gehen. Nadim nahm diesen Rat an, beschrieb sich selbst als normales Kind und erwähnte nur knapp, dass er „anders“ sei. Er erhielt die Zusage nicht.

Nadim, der in seiner Altersklasse an 46. Stelle auf Israels Tennisrangliste steht, und Amir, der an 16. Stelle steht, sind Stammspieler des Tenniszentrums in Ra’anana. „Für ihr Alter sind beide sehr gut“, sagt Daniel Kessel, ein Neffe von Jerold Kessel, dem früheren Sportkolumnisten bei Ha’aretz.

Die Geschwister Williams

Er glaubt, dass es beide Jungs als Tennisspieler weit bringen werden. „Nadim ist ein Sportler mit einer guten Arbeitsmoral und er ist besonnen. Amir ist emotionaler – er hat das innere Feuer eines wahren Sportlers und kann nicht verlieren.“

Ohne die Erwartungen hochschrauben zu wollen, könnte das Paar eines Tages ein Pendant der Geschwister Venus und Serena Williams im arabischen Sektor von Israel werden. Eine ihrer bevorzugten Übungen ist die Stärkung ihres Aufschlags indem sie einen alten Tennisschläger herumwerfen. Kessel brachte ihnen diese Übung bei, nachdem er in einem Video gesehen hatte, dass der Vater der Geschwister Williams diese Trainingsmethode benutzte.

Der 31-jährige Kessel kam mit seiner Familie nach Israel als er 12 Jahre alt war. So lange er sich erinnern kann, war er mit Sport, mit jedem Sport, verbunden. Er begann, Tennis zu unterrichten, um sein Studium zu finanzieren. „Eines Tages erschien eine Familie aus Jaljulya mit zwei kleinen Jungs. Ich begann sie zu trainieren und realisierte im Lauf der Zeit, wie sehr es im arabischen Sektor an Möglichkeiten, Tennis zu spielen, mangelt“, sagt er.

Vor drei Jahren sagte Kessel der Familie Jabber vorübergehend Lebewohl, weil er nach Großbritannien ging, um seinen Master in Sportpsychologie zu machen. Im Ausland wuchs sein Wunsch, nach Israel zurückzukehren und die Menschen durch Sport zusammenzubringen. Als Kessel zurückkehrte, rief er Iman an und die Tennisschule von Jaljulya begann Gestalt anzunehmen.

Er beendete die erste Saison auf dem Platz mit sieben Jungen und 28 Mädchen. „Wie man überall in der Welt sehen kann, ist Tennis ein Sport, den Mädchen mögen. Insbesondere hier gibt es einen Mangel an Sportarten, die für Mädchen und Frauen attraktiv sind“, sagt er.

In dieser Saison nehmen 70 Kinder Tennisunterricht – 50 Mädchen und 20 Jungen. Die Steigerung der Anmeldungen beruht hauptsächlich darauf, dass zwei weitere Tennislehrer angestellt wurden: Ibrahim Pahmawi und Hanin Nazal.

„Die Tennisschule von Jaljulya steht für harte Arbeit und ausgezeichnetes Training“, sagt die 24-jährige Nazal, die im Dorf aufwuchs und kürzlich ihren Abschluss in Sport am Wingate Institut machte.

„Es ist aufregend, so viele Kinder zu sehen, die Spaß an der Sache haben und bewegende neue Erfahrungen machen. Sie sind immer pünktlich und es gibt keine Probleme mit der Disziplin.“
Ein Kiesweg führt zum Tennisplatz. Jeder im Dorf kann zeigen, wo der Platz liegt, und tut das gerne. Der Platz wirkt baufällig und klein. Doch wenn Kessel die Türen öffnet, füllt sich der Platz mit Aktivität. Kinder kommen und gehen. Autos kommen angefahren und fahren wieder weg. Arabisch und Hebräisch wird gesprochen. Und Tennisschläger fliegen durch die Luft.

Kessel ließ die Tennisschule als gemeinnützige Organisation eintragen. Es gelang ihm, einige Spenden für notwendige Dinge zu sammeln. Hierzu gehören z. B. Kurse professioneller Trainer oder zwei (von vier) Flutlichter, die vom Freddy-Krivine-Fund gestiftet wurden.

Es finden auch Koexistenz-Wettkämpfe zwischen Jaljulya und dem benachbarten Ra’anana statt. Auf beiden Seiten genießen die Kinder das Zusammenkommen. Doch es wird noch mehr finanzielle Unterstützung benötigt, wenn diese Treffen regelmäßiger stattfinden sollen.

Ihr Erfolg hat Kessel und Jabber beflügelt, mehr Tennisschulen im arabischen Sektor zu gründen.