Erneut SS-Gedenken in Bad Reichenhall

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Im Bad Reichenhaller Ortsteil Karlstein fand am Sonntag, den 08. Mai 2011 erneut ein neonazistisches SS-Gedenken statt. An der geschichtsrevisionistischen Veranstaltung zur Glorifzierung der SS-Division Charlemagne nahmen nach Polizeiangaben rund 80 Alt- und Neonazis teil. Aus der Kurstadt selbst regt sich kein Widerstand, das überregionale RABATZ-Bündnis ruft aber für 21. Mai zu einer Demonstration nach Bad Reichenhall auf…

Von Johannes Müller

Seit Jahrzehnten findet rund um den 08. Mai in Bad Reichenhall die Veranstaltung zu Ehren der Waffen-SS-Einheit, die überwiegend aus kollaborierenden französischen Freiwilligen bestand, statt. Jahrelang beteiligten sich paramilitärisch auftretende, faschistische Gruppen aus dem In- und Ausland an der „Naziverehrung“. Der Einladung des NPD Kreisverband Traunstein-Berchtesgadner Land folgten auch in diesem Jahr nach Polizeiangaben ca. 80 Alt- und Neonazis. Angereist war beispielsweise auch der als Rechtsterrorist verurteilte Karl-Heinz Statzberger, der in die Anschlagspläne Münchner Neonazis auf das Jüdische Gemeindezentrum involviert war.

Ein Großaufgebot der Polizei sicherte die Nazigedenkfeier und lies keine antifaschistischen Bebobachter_innen zu. „Es ist bezeichnet für das reaktionäre Klima in und um Bad Reichenhall, dass sich gegen eine derartige Naziveranstaltung kein zivilgesellschaftlicher Protest stattfindet. Auch das Verhalten der Polizei die Dokumentation von Beobachter_innen zu unterbinden ist mehr als unangemessen“ so Anna Jade vom antifaschistischen RABATZ-Bündnis.

Im Vergangen Jahr – hagalil berichtete – lauschten rund 40 Alt- und Neonazis unter anderem Edda Schmidt aus Baden Württemberg, der Bundesvorsitzende des Rings Nationaler Frauen. Diese sprach von „Friedensverbrechen“ der westlichen Alliierten und hetzte „erst seit der Rede des Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker zum 8. Mai 1985 wird uns vorgelogen, es sei ein Tag der Befreiung“.

Welche Gefahr von diesen Neonazis ausgeht, wurde 2006 deutlich, als bei Polizeikontrollen neben Hakenkreuzfahnen auch Sprengmittel, Pistolen, Rauchbomben und andere Waffenteile bei den ca. 130 anwesenden Geschichtsrevisionisten (u.a. aus Deutschland, Frankreich, Italien und Dänemark) beschlagnahmt wurden. Anstatt das Gedenkkreuz, das sich zum faschistischen Pilgerort entwickelt hatte, zu entsorgen, versetzte die Stadt Bad Reichenhall es lediglich vom Parkplatz „Am Kugelbach“ (Ortsteil Karlstein) in den Friedhof St. Zeno. “Eine inhaltliche Auseinandersetzung mit der Problematik Neonazismus und Gesichtsrevisionismus fand jedoch nicht statt“, kritisieren die 10 antifaschistische Gruppen aus Oberbayern und Österreich in einer gemeinsamen Presseerklärung.

Die SS-Gedenkfeier dürfte sicher ein jährlicher Höhepunkt der lokalen Naziszene sein, die auch ansonsten durchaus umtriebig ist. Die neonazistischen Aktivitäten werden jedoch in Bad Reichenhall offensichtlich toleriert. Neben Kundgebungen werden Wintersonnwend- und Horst Wessel–Feiern sowie Fahrten zu überregionalen Aufmärschen und Nazikonzerten organisiert. Auf dem italienischen Rechtsrockfestival „Veneto Fronte Skinheads“ präsentierten sie sich 2010 Bad Reichenhaller Neonazis offen mit Hitlergruß, einer „Bad Reichenhall Hate Society“ Flagge und T-Shirts mit der Aufschrift „University Auschwitz – gegründet 1941 – Genetik, Ethnologie, Endlösung“. ((http://badreichenhall.org/2011/04/nazikonzert-im-berchtesgadener-land-bad-reichenhaller-neonazis-auf-rechtsrockkonzert-in-italien-ss-gedenken-in-bad-reichenhall/)) Erst vor drei Wochen fand im Berchtesgadener Land ein „nationaler Liederabend“ statt. Bei dem Neonazikonzert soll nicht nur der Münchner Neonazikader Norman Bordin gesprochen haben. Von den „versammelten Kameraden“ wurden angeblich auch 600 Euro für den „Rechtskampf“ des österreichischen Holocaustleugners Gottfried Küssel gespendet. ((http://badreichenhall.org/2011/04/nazikonzert-im-berchtesgadener-land-bad-reichenhaller-neonazis-auf-rechtsrockkonzert-in-italien-ss-gedenken-in-bad-reichenhall/)) Küssel befindet sich derzeit in Untersuchungshaft. Darüber hinaus brachten die Neonazis in der Höhe des Grenzübergangs Walserberg bei Bad Reichenhall ein 8 Metern langes Transparent an, das längere Zeit nicht entfernt wurde. ((Das Transparent wurde angeblich in der Nacht vom 15. auf 16.04.11 angebracht. Stolz wird am 18.04.11 auf einer Neonaziinternetseite berichtet:„Bis zum heutigen Tage wurde das Transparent nicht entfernt. Bei einem sehr hohen Verkehrsaufkommen von ca. 10 Autos in der Minute kann dies als eine sehr gelungene Aktion gewertet werden“.))

Gute Kontakte unterhält die Bad Reichenhaller Naziszene zum Netzwerk um den Liedermacher „Edei“ (Manfred Edelmann) aus Pieding (“Wir stellen die jüdische Drecksau, zum letzten entscheidenden Schlag. (…) Kamerad. Kamerad. Es lautet der Befehl. Ran an den Feind. Ran an den Feind. Bomben auf Israel.”) ((http://www.redok.de/content/view/604/36/)) und den Nazis aus dem Objekt 21″. Dabei handelt es sich um ein Nazi-Bauernhofprojekt in Desselbrunn/Oberösterreich; es wurde inzwischen wegen Verherrlichung der NS-Ideologie behördlich aufgelöst.

Im monatlich erscheinenden sechsseitigen NPD-Mitteilungsblatt „KV-Nachrichten“ werden unter anderem die Neuerwerbungen „aus der Bücherei des Kreisverbandes“ vorgestellt und Pressemeldungen kommentiert. Eine Meldung, wonach die Stadt Salzburg Streusalz aus Israel importiert wird dabei wie folgt kommentiert „ Wenn die deutsche ‚Ostmark‘ Salz aus Israel bekommt, sollte vielleicht die ‚deutsche‘ E.ON demnächst Gas nach Israel liefern“.

Der NPD Stammtisch findet jeden zweiten Sonntag im Monat um 15.00 Uhr im lokalen Reichenhaller Gasthaus statt. Dieser wird gelegentlich sogar von NPD Größen wie Holger Apfel (11.04.10) besucht. Das antifaschistische Rabatz-Bündnis zeigt sich verärgert wie Neonazis in der Region Bad Reichenhall agieren können ohne auf Widerstand zu stoßen. Für den 21. Mai ruft es für eine Demonstration zur „Entnazifizierung und Entmilitarisierung Bad Reichenhalls“ auf. Anlass ist eine jährliche Gedenkfeier des Kameradenkreises der Gebirgstruppe am 17.Mai just am Tag des Überfalls der Wehrmacht auf Kreta, der sich 2011 zum 70.Mal jährt. Obwohl die Soldatenvereinigung im Zusammenhang mit den Brendtenfeiern in Mittenwald als „Selbsthilfegruppe für Kriegsverbrecher“ gebrandmarkt wurde, nahmen im vergangenen Jahr auch Oberbürgermeister Lackner und Vertreter der Bundeswehr an dem Gedenken teil. Die Gebirgsjäger zeichnen auf Kreta für mehrere Massaker verantwortlich. Wehrmachtssoldaten aus Reichenhall kann die Ermordung von 148 Einwohner_innen der Ortschaft Skines und deren anschließendes Niederbrennen nachgewiesen werden. Daran erinnert in der Kurstadt, wo die Zeit dem offiziellen Tourismusmotto nach Urlaub macht, allerdings nichts.

In ihrem Aufruf weisen Antifaschist_innen auch darauf hin, dass 2006 eine Informationsveranstaltung gegen Antisemitismus im örtlichen Haus der Jugend durch die Stadt untersagt wurde. Auch der Schulrektor habe sich nicht entschuldigt, nachdem es 2003 als „Panne“ bei einem Festakt zur „deutsch-französischen Freundschaft“ „Deutschland, Deutschland über alles“ aus den Lautsprechen getönt hatte. „Kein Wunder,” so Anna Jade, „dass sich in einem solchen Klima Militarist_innen, Rechtskonservative, Rechtspopulist_innen sowie Alt- und Neonazis wohl fühlen und schon fest zum Ortsbild gehören. Aber Wegschauen und Verschweigen hilft nicht weiter, Neonazis und rechtes Gedankengut müssen aktiv bekämpft werden.“ Die Auftaktkundgebung zur Demonstration am Samstag, 21.05.2011, startet um 14:00 Uhr am Bahnhof Kirchberg.

Weitere Informationen gibt es im Internet unter: www.badreichenhall.org

5 Kommentare

  1. Die 33. Waffen-Grenadier-Division der SS „Charlemagne“ (französische Nr. 1) war ein Verband der Waffen-SS im Zweiten Weltkrieg. Sie bestand überwiegend aus kollaborierenden französischen Freiwilligen… Die Division erreichte allerdings nie ihre Sollstärke von 19.000 Mann. Benannt wurde sie nach dem fränkischen Kaiser Karl dem Großen.

    …und wurde deshalb von 1942 bis zum Herbst 1943 hauptsächlich zur Bekämpfung von Partisanen verwendet.


    Ein bekanntes Mitglied war Franz Schönhuber, der in der Gruppe der europäischen Rechten im Europaparlament, deren Vizepräsident er war, mit dem Vorsitzenden Jean-Marie Le Pen zusammensaß.
    http://de.wikipedia.org/wiki/33._Waffen-Grenadier-Division_der_SS_%E2%80%9ECharlemagne%E2%80%9C_%28franz%C3%B6sische_Nr._1%29
     
    Einheiten von SS und Wehrmacht, Fronttruppen und Besatzungstruppen, verübten zahlreiche Massaker an der Zivilbevölkerung bei der Bekämpfung tatsächlicher oder vermeintlicher Partisanen (siehe: Verbrechen der Wehrmacht). Die Grundlage dafür schuf der Kriegsgerichtsbarkeitserlass Barbarossa. Am 14. Mai 1941 erließ das OKW den von Generalfeldmarschall Wilhelm Keitel unterzeichneten Erlass. Dieser sah vor, Freischärler „durch die Truppe im Kampf oder auf der Flucht schonungslos zu erledigen“, auch „alle anderen Angriffe feindlicher Zivilpersonen […] auf der Stelle mit den äußersten Mitteln bis zur Vernichtung des Angreifers niederzumachen“. Bis zum Kriegsgerichtsbarkeitserlass waren in den deutschen Vorschriften und Gesetzen gegen Freischärler kriegsgerichtliche Verfahren vorgesehen. Dieser völkerrechtswidrige Erlass ermöglichte es nun, unter dem Vorwand der Partisanenbekämpfung (damaliger Begriff Bandenkampf) einen „Vernichtungskampf“ zu führen. Er setzte an die Stelle der herkömmlichen Militärjustiz über die Zivilbevölkerung die „sofortige Selbsthilfe“ in Form der Selbstjustiz der Truppe. Zugleich wurde den deutschen Soldaten in diesem Erlass Straffreiheit für Verbrechen, die im Rahmen des Angriffs auf Russland begangen wurden, zugesagt.
    Dass die Partisanenbekämpfung schon 1941 auch als ein willkommener Vorwand für die Ausrottungspolitik gesehen wurde, belegt folgende Aussage Hitlers aus einer geheimen Besprechung mit führenden NS-Größen:

    „Die Russen haben jetzt einen Befehl zum Partisanenkrieg hinter unserer Front gegeben. Dieser Partisanenkrieg hat auch wieder seinen Vorteil: er gibt uns die Möglichkeit, auszurotten, was sich gegen uns stellt.“


    Auf dem Hintergrund dieser Auffassung wurden in der Folge insbesondere Juden als „Partisanen“ ermordet. Am 8. Juli 1941 äußerte Heinrich Himmler bei einer Besprechung mit SS- und Polizeioffizieren in Białystok, dass „grundsätzlich jeder Jude als Partisan anzusehen“ sei.
    http://de.wikipedia.org/wiki/Partisan#Partisanenbek.C3.A4mpfung_im_Zweiten_Weltkrieg

  2. Womit  sie sicherlich recht haben Thomas_f , es ist dringlich erforderlich endlich mal die französischen Kollaborateure zu erwähnen, Man sollte massiv auf die Menschenrechte dieser völlig unschuldigen SS-Division achten. Immerhin wurden Ausländer da reingezogen, praktisch so, als ob die sich nie selbst gemeldet hätten…
    Unschuldige Opfer!
    Schön, daß Sie uns dies erklären! Danke!

  3. Herr Sch.,
    ich gehe davon aus, daß Sie sich mit den Geschehnissen um die französische SS-Freiwilligendivision Charlemagne und insbesondere mit den Ereignissen am 8.5.45 am Kugelbach bestens auskennen.
    Falls nicht, kann ich Ihnen gern auf die Sprünge helfen:
    1) Der Division einschließlich ihrer Vorläufer LVF usw. sind nie irgendwelche Kriegsverbrechen, insbesondere keine Beteiligung am Holocaust vorgehalten worden.
    2) Die Ermordung der 12 unbewaffneten und z.T. verwundeten Franzosen am Kugelbach durch französische Kräfte nach der Kapitulation des Reiches und seiner sämtlichen Streitkräfte stellt unzweifelhaft ein Kriegsverbrechen dar, und zwar ungeachtet der Tatsache, daß die Kriegsverbrechen der Sieger selbstverständlich grundsätzlich nicht verfolgt wurden und damit auch nicht gerichtseinschlägig sind.
    3) Es hätte daher den staatlichen Stellen und der Zivilgesellschaft von Bad Reichenhall gut angestanden, das Gedenken an die Ermordeten zu monopolisieren und es nicht dem Ortsverband der NPD u.ä. zu überlassen. Ich beispielsweise bin ab und an in der Gegend und gehe jedesmal zum Franzosengrab nach St. Zeno, ganz sicher aber nie am Tag des NPD-Auflaufes.
     

  4. Ich frage mich ernstlich, was wohl schlimmer ist, die schiere Existenz dieser rechtsextremen Banden aus alten und neuen Nazis oder die unglaubliche Gleichgültigkeit der großen bayerischen Mehrheit. Einer Mehrheit, die, wie in diesem Fall in Bad Reichenhall, zuschaut oder wegsieht, ganz nach persönlicher Einstellung.
     
    Ein echtes Engagement gegen das Treiben von Rechts, nein, das kommt nur für eine verschwindende Minderheit in Frage. Außerdem, wenn die Stadt schon nichts tut, die CSU oder die Freien Wähler keine Aufrufe zu Gegendemos ergehen lassen, was soll sich da der einfache Bürger einmischen (?).
     
    Aus der Geschichte lernen ist eben sauschwer und es verstößt gegen die Tradition. Denn traditionsbewusst war’n mia Bayan scho imma…
     
    Mensch, Leutl, Bayern, wacht’s endlich auf! Unser Ruf, unsere Ehre, unser Ansehen stehen auf dem Spiel, wenn wir weiterhin nur passiv und desinteressiert wegschauen und geschehen lassen.
     
    G’schehen loss’n – des ham grod mia Bayan stets kenna – mit fatalen Folgen (NSDAP, Dachau, Auschwitz).
    „Mia einfach’n Leit kenna ja eh nix ändan“, hot’s imma scho ghoassen, oiso lass’n ma am Schicksoi wiada sei’m Lauf.
     
    Nein, es droht diesmal tatsächlich keine neue Naziherrschaft, vielmehr geht es ’nur’  um unser Ansehen. Wollen wir weiter als das Nazibundesland Deutschlands gelten, das wir aufgrund historischer Fakten und allerneuester Umfragen sind, oder wollen wir endlich erwachsen werden, Verantwortung übernehmen und uns kümmern?
     
    Wer immer noch Zweifel daran hegt, ob und wieviel Verantwortung speziell wir Bayern tragen, der lese sich bitte ein:
    http://www.judenundbayern.de/
     

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