Aus Hosnis Gesten die Zukunft lesen

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In Israel werden die Umwälzungen in Ägypten mit großer Sorge beobachtet. Immerhin gehörte Ägypten unter Mubaraks Herrschaft zu den wenigen Ländern in der Region, die Israel nicht feindlich gegenüberstanden…

Von Andrea Livnat
Jungle World v. 3. Februar 2011

Seit Beginn der Revolte bringen israelische Fernsehkanäle Sondersendungen zur Lage in Ägypten. Am Anfang suchte man sich noch zu beruhigen. So sagte etwa Ehud Ja’ari, Kommentator von Channel 2, am ersten Abend des Aufstandes, dass eine Revolution nicht zu erwarten sei. Noch am Samstag versuchte sich das Webportal des Fernsehsenders in prophetischen Übungen und ließ einen Experten für Körpersprache zu Wort kommen, der die Rede Hosni Mubaraks analysierte. Er kam zur Einsicht, dass sich der Präsident zwar in einer »tiefen Depression« befinde und »von seinem Volk abgeschnitten«, jedoch stark und von den Demonstrationen ungebrochen sei – als versprächen Mubaraks Gesten die Hoffnung, dass sich das Regime halten kann.

Die Furcht, dass nach einem Sturz Mubaraks in Ägypten Extremisten an die Macht kommen, ist groß. Immerhin ist die Hamas, die Israel von Gaza aus bekämpft, aus der ägyptischen Muslimbruderschaft hervorgegangen. Auch wenn nicht unbedingt zu befürchten ist, dass Ägypten über Nacht zu einem feindlich gesinnten Staat wird, geht es doch um die langfristigen Beziehungen der beiden Nachbarstaaten, die seit über 30 Jahren durch einen Friedensvertrag verbunden sind.

Nachdem die einst freundschaftlichen Beziehungen mit der Türkei seit längerem beschädigt sind, stände Israel ohne Mubarak fast ganz ohne Verbündete in der Region da. Zwar war der Frieden mit Ägypten ein »kalter«: Mubarak besuchte Israel nur zur Beerdigung des ermordeten Ministerpräsidenten Jitzhak Rabin, die wirtschaftlichen, zivilen und militärischen Beziehungen zwischen den beiden Ländern wurden stets auf niedrigem Niveau gehalten. Dennoch war Ägypten der wichtigste strategische Partner Israels im Nahen Osten, wie Aluf Benn in der Haaretz betonte.

Ägypten kontrolliert etwa die Grenze zum Gazastreifen. Am Wochenende sollen bereits einige palästinensische Häftlinge während der Unruhen aus ägyptischen Gefängnissen ausgebrochen und durch die Schmuggeltunnel nach Gaza gelangt sein. Eine gänzlich offene Grenze zwischen Gaza und Ägypten wäre für Israel eine große Bedrohung.

Die israelische Regierung gab sich offiziell zunächst zurückhaltend. Das Büro von Ministerpräsident Benjamin Netanyahu gab Anweisung an alle Minister, die aktuelle Lage in Ägypten nicht zu kommentieren. Am Sonntag sagte Netanyahu lediglich, dass der Frieden zwischen Israel und Ägypten mehr als drei Jahrzehnte gehalten habe und es nun das Ziel sei, sicherzustellen, dass diese Beziehungen andauern. Nach einem Bericht der Haaretz hat die israelische Regierung die USA, China, Russland und einige europäische Regierungen in einer diplomatischen Depesche gebeten, ihre Kritik an Mubarak zu dämpfen und Interesse an der Stabilität Ägyptens zu äußern. Unter den ägyptischen Demonstranten und anderen, die in den arabischen Staaten derzeit gegen ihre Despoten aufbegehren, dürfte das Israel nicht eben Sympathie einbringen.

In Nazareth und in Haifa gab es dagegen kleinere Solidaritätskundgebungen für die ägyptischen Demonstranten. Neben ägyptischen, palästinensischen und tunesischen Flaggen waren dabei auch Schilder mit eindeutigen Parolen zu sehen: »Freiheit für Ägypten, Freiheit für Palästina«.

Die Frage, ob die Unruhen auch auf das Westjordanland überspringen könnten, beantworten Kommentatoren sehr unterschiedlich. Während Amira Hass in der Haaretz nicht davon ausgeht, dass auch ein palästinenischer Aufstand bevorsteht, da die Palästinenser nach zwei erfolglosen Intifadas ernüchtert seien, schreibt Itamar Eichner auf Ynet, der Chef der Palästinensischen Autonomiebehörde, Mahmud Abbas, müsse durchaus fürchten, dass auch die Palästinenser seine korrupte Regierung zu Fall bringen. Immerhin ist Abbas stark unter Druck geraten, nachdem Al-Jazeera geheime Dokumente veröffentlichte, die zeigen, dass er in den Verhandlungen zwischen Israel und den Palästinensern weitreichende Zugeständnisse machte. Seither wird er vierlerorts als »Verräter seines Volkes« dargestellt.

Drastisch kommentiert der umstrittene linke Haaretz-Journalist Gideon Levy die Lage Israels: Alle Fraktionen der ägyptischen Opposition teilten eines, nämlich ihren Hass auf Israel. Kämen deren Vertreter an die Macht, würde sich Israel in einer schwierigen Lage wiederfinden. Auch die von Netanyahu angepriesene Allianz moderater arabischer Staaten gegen den Iran bliebe dann nicht bestehen. Kein gemeinsamer Feind werde Ägypten weiterhin zum Verbündeten Israels machen, sondern nur das Ende der Besatzung.

Ron Leshem prophezeit in derselben Zeitung, dass die kommenden Jahrzehnte im Nahen Ostens von religösen Fanatikern bestimmt werden dürften. »Wenn es in Ägypten zu echten Wahlen kommt, wird die Zukunft des Landes nicht von den Universitätsabsolventen in Kairo, sondern von den 70 Millionen Dorfbewohnern entschieden werden«, schreibt er. Auch weniger radikale Kommentatoren wie etwa Itamar Eichner kommen zum Schluss, dass Netanyahu angesichts der zunehmenden Isolation Israels in der Region nur zwei Optionen habe: Entweder sofort mit Abbas auf ein tragfähiges Abkommen mit den Palästinensern hinzuarbeiten oder aber der syrischen Regierung ein Friedensangebot zu machen, das den israelischen Rückzug vom Golan beinhalte.

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