Wann kriegt der Iran die Bombe?

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Das Treffen zwischen den Großmächten und Deutschland und Vertretern des Iran, das vorgestern in Genf stattfand, vermittelt das Gefühl eines Déjà-vu. Sollte irgendjemand noch Zweifel gehegt haben, wurden sie nun von diesem Treffen ausgeräumt – die Führer des Iran erzeugen wie seit Jahren den Anschein des Bestehens von Gesprächen, unter deren Schutz sie damit fortfahren, die internationale Gemeinschaft zu betrügen, um Zeit für die geheime Fortsetzung ihres Atomprogramms zu gewinnen…

Von Yossi Melman, Haaretz v. 09.12.10

Damit stellt sich die entscheidende Frage: Wann wir der Iran seine erste Atombombe produzieren?

Die israelischen Geheimdienste wissen auch heute noch nicht, wann dies geschehen wird. Die Dokumente des US-Außenministeriums, die von WikiLeaks veröffentlicht wurden, bieten einen interessanten Einblick in die Art und Weise, in der sich die Einschätzungen in der Angelegenheit alle paar Jahre verändert haben (es gibt keine wirklichen Unterschiede zwischen den Einschätzungen der Nachrichtendienstabteilung des Mossad und der Forschungsabteilung des Militärgeheimdienstes [AMAN]).

Einem der Dokumente zufolge übermittelten israelische Regierungsbeamte im März 2005 verschiedene Zeitpläne in Bezug auf das Datum, von dem sie glauben, dass der Iran die volle Fähigkeit zur Urananreicherung erlangen würde. Zu jener Zeit willigte der Iran unter der Führung von Mohamad Chatami in die Suspendierung der Urananreicherung ein. Weiter heißt es in dem Dokument, im Februar habe Ministerpräsident Ariel Sharon US-Außenministerin Condoleezza Rice gesagt, er glaube, es bleibe noch Zeit, auf den Iran Druck auszuüben, wenngleich das Zeitfenster (für diesen Druck) sich bald schließen werde. Der damalige Verteidigungsminister Shaul Mofaz hingegen warnte, der Iran werde die Fähigkeit in weniger als einem Jahr erlangen. Und der Leiter der Forschungsabteilung des AMAN, Brigadegeneral Yossi Kuperwasser, wird in dem Dokument dahingehend zitiert, dass er schätze, der Iran werde Anfang 2007 die Technologie zur Urananreicherung voll beherrschen.

Israelische Offizielle räumten allerdings bei ihren Gesprächen mit amerikanischen Kollegen offen ein, dass man ihren eigenen Einschätzungen mit Vorsicht begegnen müsse. Eine von ihnen – die Leiterin der Strategieabteilung im Außenministerin, Miriam Ziv, wird in dem Dokument (wenn auch nicht namentlich) erwähnt; sie habe in einem der Gespräche daran erinnert, dass Israel 1993 schätzte, der Iran werde spätestens 1998 eine Atombombe bekommen.

Laut einem anderen Dokument des US-Außenministeriums, das von WikiLeaks veröffentlicht wurde, fand 2009 ein Treffen zwischen dem AMAN-Forschungsabteilungsleiter, dieses Mal Brigadegeneral Yossi Beidatz, und einem Pentagon-Mitarbeiter statt. „General Beiditz behauptete“, heißt es in dem Dokument, „dass der Iran noch ein Jahr braucht, um eine Atombombe zu bauen, und noch zweieinhalb Jahre, um drei Atombomben zu bauen“. Am Rand des Dokuments erscheint eine Warnung seines Verfassers: Es sei nicht klar, ob die Israelis das wirklich glauben oder lediglich ein Gefühl der Dringlichkeit erzeugen wollten.

Es ist klar, dass Israel als derjenige Staat, der sich mehr alle anderen vom Iran bedroht fühlt, daran interessiert war und ist, im Bewusstsein der weltweiten Entscheidungsträger die Erkenntnis vom Ausmaß der enormen Gefahr zu verankern, die eine Atombombe in den Händen des Iran darstellen würde. Daher lässt sich vermuten, dass die Israelis, auch wenn sie ihre Einstellungen nicht erfunden haben, dazu neigen, die furchterregendsten Szenarien aufzuzeigen.

Auf jeden Fall sollte man sich daran erinnern, dass die Einschätzungen sich auf zwei parallele Prozesse des iranischen Atomprogramms beziehen. Der eine ist der Prozess zur Beherrschung der Technologie – dies ist die Stufe, die anfangs von der Geheimdienstgemeinde als point of no return bezeichnet wurde und danach, 2005, als „technologische Schwelle“. Der zweite Prozess beinhaltet den Zeitabschnitt zwischen der Beherrschung der Technologie und der Zusammensetzung der Bombe. Diese Schwelle drückt sich in der Fähigkeit aus, Uran abzubauen, es chemisch zu bearbeiten, zu Gas zu konvertieren, in Zentrifugen zu füllen und anzureichern. Der zweite Prozess berührt das Tempo des Fortschritts eines Staates, der bereits über ausreichend angereichertes Uran verfügt, es in spaltbares Material umwandeln und eine Bombe zusammensetzen kann. Dieser Prozess wird als weaponization (Umwandlung zur Waffe) bezeichnet.

Geheimdiensteinschätzungen, die auf diese beiden Fragen antworten wollen, müssen prüfen, ob der Iran einerseits genug Experten, Material und Equipment für das Erreichen dieses Ziels hat und andererseits die entsprechende Absicht dazu. Die israelischen Geheimdienste zweifeln nicht daran, dass die Führung des Irans auf eine Atombombe zustrebt. Hinsichtlich der Fähigkeiten ist die Lage komplizierter.

Ausländische Berichte weisen auf verstärkte Bemühungen des Mossad hin, das iranische Programm mit Hilfe anderer westlicher Spionagedienste zu vereiteln. Der Verkauf defekter Ausrüstung, die Infizierung von Computern und Zentrifugen mit Viren und die Ausschaltung von wichtigen Wissenschaftlern sind Beispiele für diese Aktivitäten. Erst vor zwei Wochen wurde in Teheran Dr. Ali Shahriari liquidiert, der in der Atomgruppe arbeitete. Zuvor wurde die Tätigkeit des Physikers Dr. Mohsen Fakhrizadeh-Mahabadi im geheimen Urananreicherungsprojekt 111 offengelegt. Das Projekt wurde an zwei verschiedenen Orten in Teheran durchgeführt – in Damavand und in Lavizan.

Als die Angelegenheit 2003/2004 von der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) aufgedeckt wurde, weigerte sich der Iran, den Inspektoren vor Ort Zugang zu verschaffen und tauschte in der Folge den gesamten Boden in Levizian aus und fällte die Bäume, damit keine radioaktiven Spuren hinterlassen würden. Vor diesem Hintergrund tauchte der Name von Mahabadi auf der schwarzen Liste des UN-Sicherheitsrats auf, er war also ‚aufgeflogen‘ und hatte aller Erkenntnis nach nichts mehr mit dem Programm zu tun.

All diese Bekämpfungsmethoden, die dem Mossad zugeschrieben werden, haben tatsächlich zu einer Verzögerung des iranischen Atomprogramms geführt und von hier aus auch zu unterschiedlichen Einschätzungen. Dennoch herrscht heute Einstimmigkeit unter den meisten Experten, dass der Iran im Jahr 2009 die technologische Schwelle überwunden hat. Er beherrscht den gesamten Prozess und kann Uran bis zu den 90% anreichern, die erforderlich sind, um es in spaltbares Material umzuwandeln. Er hat noch immer Probleme mit allem, was mit der Umwandlung zur Waffe zu tun hat. Wann wird der Iran die erste Atombombe produzieren? Darauf haben die Geheimdienste keine Antwort. Vielleicht im kommenden Jahr, vielleicht in zwei Jahren. Von wem hängt das ab? Weniger von Wissenschaftlern als von Ali Khamenei, dem kranken obersten Führer – ob und wann er darüber entscheidet.

1 Kommentar

  1. Der Iran wird die Bombe nicht bekommen weil er sie nicht braucht, aber ich hoffe sehr bald das wir eine Atomfreiezone bekommen in Nahosten im moment hindert uns Israel davon ab weil nur sie die Bombe (180-200 sprengköpfe) haben mit Radikalen Regierung in Jeruselm.

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