Die antisemitische „Klagemauer“ in Köln: Rassismus verjährt nicht

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Viele Kölnerinnen und Kölner kannten oder kennen die „Klagemauer“ von Walter Hermann als papiernes Mahnmal für soziale Missstände. An Kulturgeschichte Interessierte verbinden mit der „Klagemauer“ die religiöse Stätte der Juden in Jerusalem, einem früheren Tempel, erst von den Babyloniern vor über 2000 Jahren, später von den Römern erneut zerstört. Da der Betreiber der Kölner „Klagemauer“ wohl kaum eine Kopie der Kotel als jüdisches Symbol vor dem christlichen Dom in Köln installieren wollte, ging und geht es Hermann wohl um politische Absichten…

Von Hajo Leib

Anfang 2010 hängte Walter Hermann eine ‚Karikatur‘ aus, die anknüpfte an Jahrhunderte alte antisemitische Vorurteile in Deutschland und Europa, wonach Juden Ritualmorde an Nichtjuden verübten. Unter der Überschrift „Gaza 08-09“ zeigte der Betreiber einen durch den Davidsstern deutlich gekennzeichneten Juden ohne Gesicht; vor ihm auf einem Teller ein kleiner, blutender palästinensischer Junge, den der Jude mit Messer und Gabel verspeist – das Messer mit „Gaza“, die Gabel mit der US-Flagge gekennzeichnet. Daneben ein Becher mit nichtjüdischem Kinderblut. Diese widerliche antijüdische Karikatur hätte das NS-Blatt „Stürmer“ nicht schärfer illustrieren können. Dass dieses unappetitliche Machwerk keine massenhaften Proteste hervorrief, war schon merkwürdig. Dagegen war hier und da sogar von Verständnis für Hermanns Kritik an der Politik Israels zu hören und lesen. Offensichtlich hatten sie sich die „Karikatur“ gar nicht (genau) angesehen. Die Neonazi-Szene und Rechtsextremisten frohlockten.

Gleichwohl gab es empörte Kritik, z.B. von jüdischen Gemeinden oder von der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit e.V., deren Vorsitzender Dr. Jürgen Wilhelm einen Strafantrag wegen Volksverhetzung und Rassismus bei der stellte. Der Verein EL-DE-Haus e.V. *) – siehe deren Beitrag in diesem haGalil-Themenschwerpunkt – solidarisierte sich mit dem Protest und dem Strafantrag. Die Kölner Staatsanwaltschaft konnte (oder wollte) den Straftatbestand nicht gelten lassen und stellte das Verfahren am 08.04.2010 ein. In seinem Widerspruch erinnerte Jürgen Wilhelm an ein Kölner Gerichtsurteil 1929, das den damaligen Gauleiter der NSDAP, Robert Ley, der „sich in Hetzschriften traditioneller antisemitischer Stereotypen bedient, so durch die Veröffentlichung einer Karikatur, die Ritualmordlügen gegen Juden propagierte“, verurteilt hatte. Die ausführliche Beschwerde gegen die Verfügung der Kölner Staatsanwaltschaft finden Sie unter www.koelnische-gesellschaft.de. Peter Finkelgruen nimmt dazu Stellung aus persönlicher Erfahrung mit der Justiz.

Als Atheist akzeptiere und respektiere ich gläubige Christen, Juden oder Muslime und deren von der Verfassung garantierte Freiheit. Den kulturellen Wurzeln der Religionen begegne ich mit Achtung. Religiöse Fundamentalisten sind mir gleichwohl zuwider. Gegen Rassismus, Antisemitismus, nationalsozialistische Ideologien aber darf es keine Toleranz geben, weder in Politik, Justiz, Erziehung und Bildung, noch in den Medien. Und die „Karikatur“ an der „Klagemauer“ war ein solch abstoßendes Beispiel. Walter Hermann, der für sich politische Freiheit beansprucht, musste wissen, was er anrichtet und ist für diese antisemitische Hetze persönlich verantwortlich. Jede Relativierung dieses politischen und strafrechtlichen Handelns öffnet objektiv Schleusen für gefährliche Strömungen. Ein demokratischer Rechtsstaat muss diese brandgefährlichen Tore geschlossen halten, und seine Bürger sollten die wachsamen Schleusenwärter sein.

Obwohl Hermann auf öffentlichen Druck die inkriminierte Karikatur Ende Februar 2010 von seiner Klagemauer entfernte, bleibt der politische (und juristische) Skandal. Und allen, die das relativieren oder totschweigen, ins Stammbuch: NS-Verbrechen verjähren nicht. Genauso dürfen auch heute Antisemitismus und Rassismus nicht verjähren- in welchem Gewand auch immer!

Hajo Leib ist ehemaliger Verlagsleiter und Mitglied des Vorstandes des Vereins EL-DE-Haus und Herausgeber der EL-DE-Info.

*) vgl. „EL-DE-Info“, Newsletter des Vereins; Ausgaben Nr. 21 (März) und Nr. 24 (Juni) 2010. www.nsdok.de [Verein EL-DE-Haus (linke Menüspalte; dann rechts oben „Newsletterarchiv“)]

„Mossad, Mossad!!!“ – Die Akte „Kölner Klagemauer“ oder: Mossad Ermittlungen in Kölner Bürgerzentrum