Die Festlegung von Palästinas Grenze

1
30

Der Forderung der Amerikaner, Binyamin Netanyahu solle die Grenzen des zukünftigen palästinensischen Staates skizzieren und klar stellen, wie viel Prozent des Westjordanlands er zu dessen Gunsten zu räumen bereit sei, ist noch nicht öffentlich entsprochen worden. Man kann annehmen, dass eine solche Entscheidung sehr schwer fallen wird, weswegen es sich empfiehlt, die Prinzipien zu bezeichnen, die bei der Grenzfrage zu berücksichtigen sind…

Von Elisha Efrat, Haaretz v. 25.11.10

Dem Beginn von Verhandlungen über die Grenzen kommt größte Bedeutung zu. Eine Grenze ist ein künstliches Produkt von Menschenhand, um Souveränität in territorialer Hinsicht und territoriale Ansprüche zum Ausdruck zu bringen. Die Existenz der Grenze an sich hat direkten Einfluss auf das Leben der Bevölkerung, die entlang ihr lebt, und sie ist oft wichtiger als deren Verlauf. Die Grenze macht Boden zu Heimat, erzeugt die gesellschaftliche Ordnung von Souveränität und stellt die Beziehung her zwischen einem Volk und seinem Territorium. Und was unseren Fall angeht: Palästina bleibt unvollständig und wird seinen Aufbauprozess nicht vollenden, solange seine Grenze nicht klar und ausbedungen ist.

Die Festlegung der zukünftigen Grenze zwischen Israel und Palästina muss auf dem Willen basieren, den Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern zu beenden. Dafür ist eine Grenze erforderlich, die im größtmöglichen Maße auf erkennbaren physischen und topographischen Merkmalen beruht, die ihre Existenz vor Ort sichtbar machen. Auf jeden Fall muss jeder zwischen beiden Seiten vereinbarte Grenzverlauf auch von der internationalen Gemeinschaft anerkannt werden.

Angesichts des oben Gesagten sind vier Möglichkeiten eines zukünftigen Grenzverlaufs hervorzuheben: 1. die bestehende Grüne Linie mit der Möglichkeit kleinerer Veränderungen; 2. der in Judäa und Samaria errichtete Sicherheitszaun; 3. große und signifikante Veränderungen an der Grünen Linie, so dass das Hoheitsgebiet des Staates Israel die großen israelischen Siedlungsblöcke in Judäa und Samaria beinhaltet; 4. eine neue Grenze auf der Grundlage eines Gebietstauschs und der neuen geographischen und demographischen Realität, die seit 1967 in der Region entstanden ist.

Es gibt allerdings noch einige weitere notwendige Kriterien für die Bestimmung der zukünftigen Grenze zwischen Israel und dem palästinensischen Staat. Sie muss vereinbarte Übergänge für Personen, Güter und landwirtschaftliche Produkte beinhalten. Sie muss die Existenz von zusammenhängendem Land auf beiden Seiten garantieren. Wo Gebietsaustausche erforderlich sind, müssen sie auf einer 1:1-Basis vonstatten gehen, es sei denn eine Seite bietet der anderen Land mit besonderem strategischem oder wirtschaftlichem Wert, das einen anderen Umgang rechtfertigt. Darüber hinaus muss die Grenze so wenig Palästinenser wie möglich auf souveränem israelischem Territorium belassen wie möglich, und umgekehrt. Was die Einbeziehung der in Israel lebenden arabischen Bevölkerung in den zukünftigen palästinensischen Staat anbelangt, so müsste diesem Vorgang eine Volksabstimmung vorangehen, die unter beiden Bevölkerungen auf beiden Seiten der grünen Linie abzuhalten wäre. Die Grenzziehung muss zudem die existierende oder geplante Infrastruktur berücksichtigen. Auch muss die Grenze den Übergang von Palästinensern aus Judäa und Samaria in den Gaza-Streifen und zurück ermöglichen, ohne dem Hoheitsgebiet des Staates Israel Schaden zuzufügen.

Insofern kann die Grenze nicht gemäß einer einzigen ausschließlichen Lösung gezogen werden; sie muss an jedem einzelnen Abschnitt die geographischen Gegebenheiten in Rechnung stellen – ob es nun um einige Meter oder um Kilometer geht – und auf beiderseitigem Einverständnis beruhen. Andernfalls würden wir abermals eine deformierte Grenze erhalten wie die Grüne Linie von 1949.

Elisha Efrat ist Professor für Geographie an der Universität Tel Aviv.

1 Kommentar

  1. Gut gemeinte Gedanken. Leider kommt im Artikel wieder das allgemeine gegenseitige Misstrauen zum Vorschein. Eine Grenzziehung derart zu optimieren, dass „so wenig Palästinenser wie möglich auf souveränem israelischem Territorium belassen wie möglich, und umgekehrt.“ ist wohl kaum zu realisieren und der Nutzen fraglich. Auch nach einer möglichen Grenzziehung werden Palästinenser auf israelischen Staatsgebiet leben, wie auch Israelis auf palästinensischen Staatsgebiet. Wäre es nicht angebracht, zuerst über das Aufenthaltsrecht  eine Regelung zu finden? Die Transitfrage zwischen dem Westjordanland und dem Gazastreifen ist doch kein so großes Problem. Da braucht man nur das alte Transitabkommen der beiden deutschen Staat etwas umformulieren.

    Der Knackpunkt wird die Jerusalem-Frage sein. Letzte Woche stand ich in Jerusalem und habe mich gefragt, ob man so eine Stadt überhaupt teilen könne, wie manche hoffen. Eine Teilung der Stadt wäre eine Katastrophe. Keine Seite hätte einen Nutzen davon. Pragmatische Lösungen sind gefragt. Der Herr Professor möge noch ein paar Vorschläge einreichen!

Kommentarfunktion ist geschlossen.