Erinnerung an Lova: Auch ich sagte nichts

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Anfangs war er wie eine Gazelle, deren Hals die Jäger suchten. Er versuchte, eine Möwe zu werden, in der Hoffnung, dass wenn er gen Himmel fliegt, dann könnten sie ihn nicht herunterbringen. Er ging in jede Landesecke, um sich ein Refugium, ein Nest für seine enttäuschte Hoffnung, zu bauen, bis er endlich einen Ort fand, wo seine Beine zur Ruhe kamen und er seine Seele baumeln lassen konnte – Nizana. Der vor Kurzem verstorbene Arie „Lova“ Eliav war der erste, den sie als Verräter beschimpften, als Anti-Israeli. Aber ich sagte nichts, weil ich nicht Lova war…

von Yossi Sarid

Ich sagte nichts, aber trotzdem ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis die rechte Diffamierung auch mich und dich erreicht. Deshalb erinnere ich mich an den deutschen Pastor Martin Niemöller in der Nazizeit.

Nachdem „Lova“ erledigt war, griffen sie die Leute in den Kibbuzim an: sie seien Hedonisten und der Kibbuz sei ein Ort, wo man sich in Liegestühlen räkelt und ab und an ein Bad im Swimmingpool nimmt, dort wo das Gras grüner ist und das Wasser strahlend blau. Also haben sie sie mit Sicherheitszäunen umgeben und ihren Geist gebrochen. Der kostbare Schatz der Zionisten und ihr Stolz wurde in ein Wrack verwandelt, das nicht sein Gewicht wert war …
Aber ich sagte nichts, wer will schon als Verräter, als Nestbeschmutzer, als Schmarotzer dastehen. Schließlich war ich kein Kibbuznik.

Danach handelten sie Berichte mit den Medien aus, bändigten sie, kastrierten sie, und statt ein Wachhund zu sein, wurden sie ein Schoßhund. Sie deckten die Mafia des linken Flügels auf und schalteten die Maulwürfe (Spione) aus. Seit damals meiden die Medien die Realität des Alltags und zeigen lieber „Reality“-TV-Shows. Was in der Wirklichkeit geschieht, wird nicht von der Kamera aufgenommen – und nur das, was aufgenommen wird, geschieht tatsächlich.
Aber ich sagte nichts, schließlich war ich nicht beim Fernsehen.

Dann begannen sie die Richter zu lynchen. Sie sitzen nicht unter ihren Leuten, sagten sie, und wer sind sie eigentlich – und was verstehen sie? Es ist besser von Heiden verurteilt zu werden als von Abtrünnigen, die geheime Spione der Linken, von Meretz seien. Selbst die Regierung hält ihre feindseligen Entscheidungen nicht mehr aus.
Aber ich sagte nichts, weil ich kein Richter bin.

Danach begannen sie, gegen die Araber des Landes und andere Minderheiten auszuschlagen und sagten, sie wären Trojanische Pferde; dass Böses aus ihrem Bauch käme. Es sei ein Akt von Freundlichkeit, sie und ihre Kinder noch generationenlang zu diskriminieren, und es sei obligatorisch, ihre Gleichheit von einem Treueid abhängig zu machen. Bis sie Treue schwören und inständig darum bitten, werden sie vorbehaltlich Bürger sein und wann immer es passt, müssen sie sich bewähren.
Doch selbst die Treuesten der Treuen werden nicht in ihre Häuser in Biram und Ikrit zurückkehren, obwohl es ihnen versprochen worden war.
Ich sagte nichts. Bin ich ein Araber oder ein Flüchtling?

Und dann befassten sie sich mit den NGOs und mit jedem, der nicht bereit war, als verlängerter Arm der Regierung zu dienen. Wenn du nicht im Chor mitsingst, wirst du zum Schweigen gebracht und verdächtigt, fremdes Geld zu haben, ein Günstling des Feinds, einer mit geheimen Motiven.
Ich schwieg. Ich habe weder zum Neuen Israel Fond, noch zu Adallah oder B’tselem Verbindungen.

Danach griffen sie wie Raubtiere das Bildungssystem an. Der Schuldirektor, der die IDF nicht als das Vorbild für Generationen hinstellt, muss nun besonders aufpassen. Er wird Probleme bekommen, wenn er die Besatzung beim Namen nennt. Aber ich redete nicht, weil ich kein Pädagoge bin.
Ich bin auch kein Gastarbeiter, der Krankheiten mit sich bringt – also bin ich still.

Jetzt wird die akademische Welt angegriffen. Angeblich sitzen dort Leute mit „anti-zionistischen“ oder gar „post-zionistischen“ Ideen, die die Seelen unserer Jugend zerstören können. Eine neue Studie beweist dies.
Natürlich habe ich nicht die Absicht auch nur ein Sterbenswörtchen zu sagen. Ich bin still, weil ich kein Professor bin.

Es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis es auch mich – und dich erreicht. Aber dann wird keiner mehr da sein, der sich für mich oder dich einsetzt, für mich oder dich redet.

Yossi Sarid ist politischer Kommentator und ehemaliger Politiker. Er war Mitglied der Knesset von 1974 bis 2006 und Bildungs- und Umweltminister zwischen 1996 und 2003.
Übersetzt von: Ellen Rohlfs, aus haArez 04.06.2010

Über Luba / Lova Eliav