Israel Schochat: Einer der ersten zionistischen Pioniere

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In der sehr gemischten Gesellschaft in der Kanzlei des Polizeiministers gab es glücklicherweise während der ersten Jahre meiner Dienste (1952–1958) in der Gefängnisverwaltung einen ganz besonderen Mann, der auf den Minister (Anm. Shitrit) einen starken und guten Einfluß hatte und der mir immer zur Seite stand, wenn die Nichtsnutze in des Ministers Büro ihre Intrigen gegen mich und meine Reform-Maßnahmen sponnen. Dieser besondere Mann, Israel Schochat, befand sich auf Wunsch Ben-Gurions als Berater des Ministers in seiner Kanzlei…

Zvi Hermon berichtet in seinem Buch „Vom Seelsorger zum Kriminologen“ davon, wie er dazu kam als „letzter Göttinger Rabbiner“ das israelische Gefängniswesen zu reformieren. Während seiner Zeit als Direktor der Gefängnisverwaltung, von 1952 bis 1958, wurde die Kanzlei des zuständigen Ministriums durch Israel Schochat geleitet, an den er hier erinnert.

Israel Schochat gehörte zu der allerersten Reihe der zionistischen Pioniere. Die Tatsache, daß er eine verhältnismäßig bescheidene Stellung, die des Chefs der Kanzlei des Polizeiministers, einnahm, muß dem, der die Lebensgeschichte dieses ungewöhnlichen Mannes kennt, als verwunderlich erscheinen. Er hatte zwar zur Zeit der Staatsgründung (14.Mai 1948) schon fast das offizielle Pensionsalter erreicht, aber seine alten Wegkameraden und Altersgenossen David Ben-Gurion und Jizchak Ben-Zvi nahmen damals die höchsten Stellen im Staate ein. Neben Ben-Gurion, dem ersten Ministerpräsidenten, wurde Ben-Zvi nach dem Ableben des ersten Staatspräsidenten Chaim Weizmann der zweite Staatspräsident. Die Tatsache, daß Ben-Gurion seinen alten Mitkämpfer, der ihm gewiß im Format seiner Gesamtpersönlichkeit, der Schärfe seiner Intelligenz, seiner Hingabe an die Idee und der Verwirklichung des Zionismus in keiner Weise nachstand, in die Kanzlei des Polizeiministers „abschob“, hatte seine besonderen Gründe. Ben-Gurion wollte Israel Schochat auf keinen Fall eine zentrale Stellung und formelle Machtbefugnisse geben. Auf der anderen Seite wollte er den alten Getreuen dazu benutzen, darüber zu wachen, daß im Polizeiministerium die alten Ideale nicht vergessen würden. Ben-Gurion wußte, daß der Minister Schitrit ein integrer Mann war, der immer versuchen würde, das Richtige zu tun. Aber offenbar wußte er auch, daß er nicht genügend Kraft hatte, die ein Polizeiminister brauchte, um sich immer gegen fremde Einflüsse durchzusetzen. Ben-Gurion hatte die Situation sehr genau gesehen und Schochat hat die Funktion, die Ben-Gurion ihm auferlegt hatte, glänzend erfüllt.

Mir scheint, daß man dem Andenken an Schochat und der historischen Wahrheit Unrecht tut, wenn in der 32-bändigen Hebräischen Enzyklopädie gesagt wird, daß Schochat nach der Errichtung des Staates kein öffentliches Amt bekleidete, daß sein Amt im Polizeiministerium nur einen dekorativen Charakter gehabt habe. Diese Feststellung entspricht nicht der historischen Wahrheit, wie ich sie in jahrelanger Zusammenarbeit mit Schochat erfahren habe. In den sechs Jahren, in denen ich die Gesamtleitung des Gefängnisdienstes innehatte, nahm Schochat mit voller Energie und dem Gefühl der Verantwortung an dem Geschehen im Ministerium teil. Er, der starke, oft halsstarrige Mann war das Rückgrat des an sich schwachen, leicht beeinflußbaren Ministers. Glücklicherweise stimmten beide in ihrer Weltanschauung und in ihren praktischen Zielen überein. Schochat half Schitrit in wichtigen Dingen gegen jegliche fremde Einflüsse das zu tun, was der Minister selber tun wollte, aber nicht fähig war, mit eigener Kraft durchzuführen.

Israel Schochat wurde 1886 in einem kleinen Städtchen im Bezirk Grodno in Bielorußland geboren. Zunächst bekam er in seinem Elternhause eine traditionelle religiöse Erziehung. Dann ging er für einige Zeit nach Deutsehland, um dort eine landwirtschaftliche Ausbildung zu bekommen. Nach Rußland zurückgekehrt war er im Jahre 1903 Mitbegründer einer jüdischen Selbstverteidigungsorganisation, die die Aufgabe hatte, sich gegen antisemitische Ausschreitungen in seiner Heimatstadt zu wehren. Im Jahre 1904 wanderte Schochat nach Palästina aus. Er fand in der landwirtschaftlichen Siedlung Sedjera Arbeit und wurde Mitglied eines lokalen Kollektivs. Hier traf er David Grün, der später David Ben-Gurion hieß. Im Jahre 1907 gründete Schochat die geheime Organisation „Bar-Giora“, deren Aufgabe es war, die jüdischen Bauernhöfe und die Felder vor den Angriffen der Araber zu schützen. Im Jahre 1909 gründete er die Organisation „haSchomer“, „Der Wächter“, die es auf sich nahm, alle jüdischen Siedlungen in Palästina zu bewachen. Einer der Mitarbeiter Schochats war Jizhak Ben-Zwi, der später Staatspräsident von Israel wurde. Vom ersten Tage an, bis zur Auflösung des Haschomer im Jahre 1920, war Schochat der oberste Kommandant dieser Organisation, aus der sich später die Haganah entwickelte.

Schochats Frau Mania, sieben Jahre älter als er, war auch 1904 aus dem Bezirk Grodno nach Palästina eingewandert. Sie nahm aktiv an all den militärischen und politischen Unternehmen ihres Mannes teil. Es war besonders ihre Initiative, die das Kollektiv in Sedjera ins Leben rief. Wegen ihrer Leistungen für die Sicherheit des Jischuv, ihrer aktiven Teilnahme an bewaffneten Unternehmungen, ihrer starken, charismatischen Persönlichkeit, blieb sie bis an ihr Lebensende eine der sehr bewunderten und geehrten Persönlichkeiten im Jischuv.

Ihr Wohnsitz in Kfar Gileadi in den Bergen von Galiläa wurde ein Walfahrtsort, den viele aufsuchten, um mit ihr über ein Israel zu sprechen, in dem Frieden und Menschlichkeit und brüderliches Zusammenleben mit der Arabern des Landes zur Wirklichkeit werden kann. Die enge Verbindung zwischen Ben-Gurion und Schochat entstand in Konstantinopel, wo die beiden zusammen mit Jizchak Ben-Zvi Jura studierten.“- Bei Ausbruch des Ersten Weltkrieges kehrte Schochat nach Palästina zurück, wurde aber gleich von den damaligen türkischen Beherrschern Palästinas zusammen mit seiner Frau nach Anatolien ins Exil geschickt, obwohl er sich öffentlich für die Türkei und den Sieg ihrer Verbündeten ausgesprochen hatte.

* In Band 14 der englisch-sprachigen Encyclopaedia Judaica (Jerusalem 1971) ist dem Artikel über Israel Schochat eine eindrucksvolle im Jahre 1913 in Konstantinopel aufgenommene Gruppenphotographie beigefügt, in der neben Schochat seine beiden Studiengenossen David Ben-Gurion und Jizchak Ben-Zvi abgebildet sind, die später Staatspräsident bzw. Ministerpräsident von Israel wurden.

Als den Engländern nach dem Ersten Weltkrieg das Mandat über Palästina zugeteilt wurde, glaubten die Schochats und ihre Mitarbeiter, daß es nun nicht mehr nötig sein würde, eine jüdische Selbstverteidigungs-Organisation zu unterhalten. Man erwartete, daß die englische Mandatsmacht ihre Pflicht erfüllen und für Ruhe und Ordnung im Lande sorgen würde.

Es ist interessant festzustellen, daß Vladimir Jabotinsky, der geistige Führer der rechtsradikalen Nationalisten, die später eine aktivistische Geheimorganisation unter Menachem Begin gründeten, zu denen gehörten, die im Jahre 1920 für die Auflösung des „Haschomer“ gewesen war. Jabotinsky hatte damals geglaubt, daß das Bestehen der jüdischen Legion, die im Ersten Weltkrieg als eine Einheit in der englischen Armee gekämpft hatte, ausreichen würde, um das jüdische Aufbauwerk in Palästina zu beschützen. Überhaupt hatte die zionistische Führung in der Welt geglaubt, daß durch die Übergabe des Palästina-Mandats an England, insbesondere nach der Balfourdeklaration, die Frage der jüdischen Sicherheit im Lande gelöst sei.

Erst als es sich herausstellte, daß die Engländer nicht bereit oder nicht in der Lage waren, die Juden und ihr Aufbauwerk zu beschützen und überhaupt den Frieden im Lande zu wahren, wurde im Jahre 1920 die Haganah, als Nachfolgeorganisation von Schochats „Haschomer“ gegründet .

Bald trennten sich jedoch die Wege von Schochat und der Haganah. Schochat wollte in der neuen Organisation eine den neuen Umständen angepaßte, wesentlich vergrößerte Wachorganisation sehen. Die zionistische Führung, insbesondere die Arbeiterbewegung mit Ben-Gurion an der Spitze, wollte die Haganah zu einer militärischen Einheit entwickeln, zum Kern eines Heeres, das die Sicherheitsaufgaben des sich entwickelnden Staatsgebildes übernehmen sollte. Diese Unterschiede waren offenbar durch die Verschiedenheit der politischen Auffassungen von Schochat und Ben-Gurion, der die zionistische Arbeiterbewegung hinter sich hatte, zu verstehen.

Israel Schochat und seine Frau Mania erstrebten eine Verbindung mit Rußland und hofften, durch Zusammenarbeit mit den Sowjets den Weg zu jüdisch-arabischer Kooperation zu finden. Das war völlig gegen die Absichten Ben-Gurions. Ben-Gurion suchte eine enge Verbindung mit dem Westen.

Schochat gründete daraufhin im Jahre 1922 unabhängig von der Haganah eine neue geheime Wachorganisation unter dem Namen „Der Kibbuz“, die links gerichtet und pro-sowjetisch war. 1925 reiste Schochat nach Rußland. Das, was er dann in Rußland sah, und die Tatsache, daß einige Mitglieder seiner neuen Organisation nach Rußland auswanderten, brachten ihn jedoch zu dem Entschluß, seine Beziehungen zu den politisch linksgerichteten Elementen abzubrechen. Er wurde Mitbegründer der Histadruth, der großen Arbeitergewerkschaft, an deren Spitze Ben-Gurion stand. Der Zionismus war Schochat dennoch wichtiger als seine sozialistischen Ideen. Ben-Gurion, der Harte, Unerbittliche, hat Schochat seinen kurzen Flirt mit Sowjetrußland nie ganz verziehen. Jedoch wollte er sich Schochats bedienen, um die Verbindungslinien zu den Arabern immer lebendig zu erhalten. Da er wußte, daß Minister Schitrit Arabisch sprach, sehr gute Beziehungen zu den obersten Schichten der arabischen Bevölkerung hatte und mit vielen Familien persönlich befreundet war, hoffte er, daß Schochat, der ebenfalls gute Beziehungen zu Arabern hatte, durch seine Zusammenarbeit mit Schitrit diese Beziehungen ausnützen könnte, um die Kooperation mit den Arabern des Landes zu fördern und zu pflegen.

Erste Commanders im Scheruth Batej haSohar
* Giri Gera (1949–1951)
* Ram Salomon (1951–1952)
* Zvi Hermon (1952–1958)
* Aryeh Nir (1958–1976)
* Haim Levi (1976–1981)

aus pp 312ff: Hermon, Zvi: Vom Seelsorger zum Kriminologen
Rabbiner in Göttingen, Reformer des Gefängniswesens und Psychotherapeut in Israel. Ein Lebensbericht
ersch. im Verlag Otto Schwartz & Co. D-3400 Göttingen, später auch bei http://www.wallstein-verlag.de

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