Neue Hinweise über Nähe zur Neonazi-Szene

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Die rechtspopulistische Bewegung „Pro Deutschland“ gibt den Einzug ins Rathaus der thüringischen Kreisstadt Arnstadt bekannt. Heute berät der Stadtrat in Arnstadt über einen Antrag zur Abwahl des Bürgermeisters Hans-Christian Köllmer…

Von Jochen Baier

Beim „Thüringentag der nationalen Jugend“ feiern seit acht Jahren rechtsradikale und neonazistische Aktivisten aus ganz Deutschland gemeinsam mit ihrem Nachwuchs. Im vergangenen Jahr 2009 fand das Neonazi-Festival in der nahe Erfurt gelegenen Kreisstadt Arnstadt statt. Der Bürgermeister Hans Christian Köllmer von der Wählervereinigung „Pro Arnstadt“ hatte daran nichts auszusetzen. Oder hat er es insgeheim vielleicht begrüßt, dass sich die „nationale Jugend“ in seiner Heimatstadt heimisch fühlt? Äußerungen des Bürgermeisters aus den vergangenen Wochen nähren diesen Verdacht. Nachdem Köllmers Beziehungen zur rechtspopulistischen Freiheitlichen Partei Österreich (FPÖ) schon seit längerer Zeit wiederholt kritisiert wurden, geraten nun auch seine Kontakte zur Bewegung „Pro Deutschland“ ins Blickfeld – ein Sammelbecken von Ex-Aktivisten rechtsextremer Parteien wie NDP und „Die Republikaner“.

Der Arnstädter Bürgermeister Hans-Christian Köllmer war im Dezember 2009 Gast bei der Bundeshauptversammlung der am rechten Rand agierenden Bewegung „Pro Deutschland“ gewesen. Seinen neuen Aktionsradius schöpfte er prompt Anfang des Jahres 2010 aus. Er unterschrieb einen von „Pro Deutschland“ lancierten offenen Brief an den Bundesbank-Vorstand Thilo Sarrazin, der mit seiner Rede von „Kopftuchmädchen produzierenden“, integrationsunwilligen Migranten (( In einem Interview mit der Zeitschrift Lettre International kritisierte Thilo Sarrazin arabische und türkische Einwanderer als weder integrationswillig noch integrationsfähig. Er sagte unter anderem: „Integration ist eine Leistung dessen, der sich integriert. Jemanden, der nichts tut, muss ich auch nicht anerkennen. Ich muss niemanden anerkennen, der vom Staat lebt, diesen Staat ablehnt, für die Ausbildung seiner Kinder nicht vernünftig sorgt und ständig neue kleine Kopftuchmädchen produziert.“ Quellen: „Integration. Sarrazin muss sich entschuldigen“,-Zeit Online, 01.10.2009, http://www.zeit.de/politik/deutschland/2009-10/sarrazin-aeusserung-integration?page=all (Zugriff 09.04.2010), „Umstrittenes Interview. Bundesbank-Präsident legt Sarrazin Rücktriit nahe“, Zeit Online, 03.10.2009, http://www.zeit.de/politik/deutschland/2009-10/sarrazin-forderung-ruecktritt-bundesbank (Zugriff 09.04.2010))) nicht nur Empörung, sondern auch Beifall geerntet hatte. In dem Brief danken die Unterzeichner Thilo Sarrazin für sein „Rückgrat“ und bedauern eine angebliche „Gleichschaltung“ der Parteien in Deutschland. ((Brief von „Pro Deutschland“ v. 30.01.2010, http://www.pro-deutschland.net/images/stories/brief-sarrazin.pdf  (Zugriff 05.04.2010))) Bis in den öffentlich-rechtlichen Rundfunk Thüringens schaffte es Köllmer, als er, von der Tageszeitung „Thüringer Allgemeine“ nach eben jenen Kontakten zum rechtspopulistischen Bündnis „Pro Deutschland“ befragt, im Verlauf des Interviews zur Gegenfrage ausholte: „Wird heute wieder ausgegrenzt, wie im Dritten Reich die Juden?“ ((„NS-Vergleich bringt Bürgermeister in Bedrängnis“, MDR Thüringen, Region Mitte-/West-Thüringen v. 08.03.2010, http://www2.mdr.de/thueringen/mitte-west-thueringen/7147546.html (Zugriff 03.04.2010))).

Die Arnstädter SPD bezichtigte den Bürgermeister aufgrund dieses Vergleichs der Volksverhetzung. In einem Interview mit dem MDR sagte Köllmer daraufhin, er sähe sich als „Opfer eines politischen Spiels der SPD“ ((„Bürgermeister weist Volksverhetzungs-Vorwürfe zurück“, MDR Thüringen, Region Mitte-/West-Thüringen v. 16.03.2010, http://www.mdr.de/thueringen/mitte-west-thueringen/7170212.html (Zugriff 03.04.2010))). Sein Vergleich der Ausgrenzung der Rechten heute mit der Judenverfolgung durch die Nationalsozialisten habe nichts mit Volksverhetzung zu tun ((„Bürgermeister weist Volksverhetzungs-Vorwürfe zurück“, MDR Thüringen, Region Mitte-/West-Thüringen v. 16.03.2010, http://www.mdr.de/thueringen/mitte-west-thueringen/7170212.html (Zugriff 03.04.2010))). Mit der in einem weiteren Interview nachgeschobenen Erklärung, er habe ja nur die Ausgrenzung zu Beginn des Hitler-Regimes gemeint und nicht den Massenmord an den Juden ((„Arnstädter SPD fordert Rücktritt des Bürgermeisters“, Thüringer Allgemeine v. 10.03.2010, http://www.thueringer-allgemeine.de/startseite/detail/-/specific/Arnstaedter-SPD-fordert-Ruecktritt-des-Buergermeisters-1256080942 (Zugriff 03.04.2010))), beweist Köllmer, dass er vom Wesen und Wirken des Nationalsozialismus nicht viel verstanden hat. Dass er mit dieser Erklärung seinen Vergleich indirekt wiederholte und bestätigte, würden Köllmers Anhänger vermutlich als „aufrechten Gang“ oder „couragiertes Auftreten“ interpretieren – Slogans, mit denen Rechtspopulisten europaweit ihre Äußerungen etikettieren, egal ob sie pauschal gegen Ausländer, Muslime, Juden, die etablierten Parteien, Arbeitslose oder multinationale Konzerne gerichtet sind. Ob Köllmer selbst sein Vergleich also wirklich „leid tut“ und er ihn als „komplett falsch“ erkannt hat, wie er dies in demselben Interview behauptet? ((„Arnstädter SPD fordert Rücktritt des Bürgermeisters“, Thüringer Allgemeine v. 10.03.2010, http://www.thueringer-allgemeine.de/startseite/detail/-/specific/Arnstaedter-SPD-fordert-Ruecktritt-des-Buergermeisters-1256080942 (Zugriff 03.04.2010))) Oder hat Köllmer mit seinem Nazi-Vergleich vielleicht einfach mal das Medienecho getestet? Denn mit einer weiteren Skandalisierung seines Vergleichs hätte Köllmer in eine Reihe mit Martin Homann, Eva Hermann, Jürgen Möllemann und anderen gestanden, die in diversen Veröffentlichungen von Pro Deutschland als Opfer von „Möchtegern-Politikern“ und „der linken Presse“ ((Brief von „Pro Deutschland“ v. 30.01.2010 an Thilo Sarrazin, http://www.pro-deutschland.net/images/stories/brief-sarrazin.pdf  (Zugriff 03.04.2010))) oder wahlweise des „Parteiapparats der CDU“ ((So in einem auf den Internetseiten von „Pro Deutschland“ zu findendem „Ausstiegs-Angebot  für CDU-Mitglieder“: „Der von der CDU auf Abweichler ausgeübte Druck ist unvorstellbar hoch und geht bis zur berechtigten Sorge der Betroffenen, ihren Arbeitplatz und ihre Existenz zu verlieren. Die Namen Hohman, Nietzsche, Möllemann und Eva Hermann sind uns allen dabei noch in unguter Erinnerung. Dies gilt allerdings nicht für jene, die sofort aus der Partei austreten, bevor der Parteiapparat der CDU in Gang gesetzt wird, um Druck auszuüben. Bitte bedenken Sie, daß die CDU für die enorme Zuwanderung verantwortlich ist. Nie sind mehr Ausländer nach Deutschland gekommen, als unter Helmut Kohl. Oder denken Sie an das Bauernsterben, die Zahlmeisterrolle Deutschlands in der EU, die Einführung des Teuro, den Verzicht auf Ostdeutschland, die Verkleinerung der Bundeswehr und die Verkürzung der Ausbildungszeit der Truppe, das anbiedern an die USA und die Entsendung deutscher Soldaten für fremde Interessen – alles ‚Verdienste’ der CDU. Was ist aus den ehrlichen und konservativen CDU-Mitgliedern geworden? Man hat sie kaltgestellt und mundtot gemacht. Welcher Patriot kann es noch mit seinem Gewissen vereinbaren, Mitglied in dieser Partei zu sein?“ Quelle: http://www.pro-deutschland.net/index.php?option=com_content&view=article&id=121:ausstiegs-angebot-fuer-cdu-mitglieder&catid=14&Itemid=2 (Zugriff 04.04.2010))) dargestellt werden.

Sich als einzig wahre Demokraten und einzig aufrichtige Politiker darzustellen, gehört zum Wesen rechtspopulistischer Organisationen. Deshalb legen diese großen Wert darauf, nicht als „rechtsextrem“ betitelt zu werden. Wer sie dennoch, wie zum Beispiel in Publikationen des Verfassungsschutzes, dem Rechtsextremismusverdacht aussetzt, der findet sich schnell vor Gericht wieder. So brüstet sich die Vereinigung „Pro Deutschland“, sie dürfte laut eines Urteils des Verwaltungsgerichts Hamburg nicht als rechtsextrem bezeichnet werden, die entsprechenden Stellen im Hamburger Verfassungsschutzbericht des Jahres 2005 müssten geschwärzt werden. ((http://www.pro-deutschland.net/index.php?option=com_content&view=article&id=130:pro-deutschland-nicht-rechtsextrem&catid=14&Itemid=100004 (Zugriff 05.04.2010))) Weder in ihrem Programm noch in ihrer Satzung, so betonen die Pro-Deutschland-Betreiber, sei ihnen Verfassungsfeindlichkeit nachzuweisen, sie stünden fest auf dem Boden der freiheitlich-demokratischen Grundordnung, lehnten jegliche Form von Extremismus und insbesondere Gewalt strikt ab. Doch wie glaubwürdig sind solche Bekenntnisse angesichts der Zugehörigkeit von klar antidemokratisch agierenden Gruppierungen?

So ist die Vereinigung „Pro Köln“, aus der „Pro Deutschland“ hervorgegangen ist, mit einer ähnlichen Klage gescheitert und darf von den nordrhein-westfälischen Verfassungsschützern weiterhin unter dem Verdacht der rechtsextremistischen Bestrebungen beobachtet werden. Und ausgerechnet der aktuelle Bundesvorsitzende von „Pro Deutschland“; Manfred Rouhs, ist nicht nur Mitbegründer, sondern auch jetziger stellvertretender Vorsitzer und Schatzmeister von „Pro Köln“ ((http://www.pro-koeln-online.de/stamm/rouhs.htm  (Zugriff 05.04.2010))).  Die politische Karriere von Manfred Rouhs ist zudem einschlägig, ebenso wie die zahlreicher Mitstreiter: Er ist ehemaliges Mitglied der Partei „Die Republikaner“ sowie der „Deutschen Liga für Volk und Heimat.“ ((„Pro Köln“ wurde 1996 als Ableger der „Deutschen Liga von Volk und Heimat (DLVH) von ehemaligen Mitgliedern der Republikaner gegründet. Zu den Gründungsmitgliedern gehören der Verleger Manfres Rouhs und der Rechtsanwalt Markus Beisicht. Zusammen mit weiteren ehemaligen REP und NPD-Mitgliedern, darunter Harald Neubauer und Karl Richter, waren Rouhs und Beisicht bereits an der Gründung der DLVH beteiligt gewesen. Vgl. Jugendamt Essen für den AK Ruhr – Arbeitskreis gegen rechtsextreme Tendenzen bei Jugendlichen/ Landesarbeitsgemeinschaft der kommunalen Migrantenvertretungen Nordrhein-Westfalen (LAGA NRW) (Hg.) (2010): Rechtspopulismus in Gestalt einer „Bürgerbewegung“ – Struktur und politische Methodik von PRO NRW und PRO DEUTSCHLAND Expertise der Arbeitsstelle Neonazismus der Fachhochschule Düsseldorf, S. 10, S. 14, S. 19f.)) Insgesamt rekrutiert sich die Bewegung „pro Deutschland“ aus zahlreichen ehemaligen Mitgliedern des gesamten rechtsextremen Parteienspektrums. ((Jugendamt Essen für den AK Ruhr – Arbeitskreis gegen rechtsextreme Tendenzen bei Jugendlichen/ Landesarbeitsgemeinschaft der kommunalen Migrantenvertretungen Nordrhein-Westfalen (LAGA NRW) (Hg.) (2010): Rechtspopulismus in Gestalt einer „Bürgerbewegung“ – Struktur und politische Methodik von PRO NRW und PRO DEUTSCHLAND Expertise der Arbeitsstelle Neonazismus der Fachhochschule Düsseldorf, S. 10, S. 14, S. 19f., http://www.laga-nrw.de/data/expertise_rechtspopulismus_2010.pdf (Zugriff 11.04.2010)))

Gleiches gilt für die zu „Pro Deutschland“ gehörende Vereinigung, die unter dem Namen „Pro Nordrhein-Westfalen“ bei den im Mai bevorstehenden Landtagswahlen antritt. Im Bericht des Landesverfassungsschutzes ist nachzulesen, die Vereinigung „Pro Nordrhein-Westfalen“ würde ebenso wie „Pro Köln“ mit ihren Aussagen und Forderungen die im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechte, insbesondere die Menschenwürde und das Diskriminierungsverbot“ missachten sowie „latente Ängste vor Überfremdung verbreiten und fremdenfeindliche Ressentiments“ schüren. Ein Schwerpunkt der Kampagnen sei es, „Ängste vor Muslimen zu schüren“. Es bestünden „tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht verfassungsfeindlicher Bestrebungen“ durch eine Vielzahl von Äußerungen und Kontakten „zu anderen, teilweise rechtsextremistischen, zumindest aber ausländerfeindlichen Organisationen im In- und Ausland“. ((Innenministerium des Landes Nordrhein-Westfalen (Hg.) (2010): Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen über das Jahr 2009 (Pressefassung – März 2010), Düsseldorf, S.7 un S. 37f., http://www.im.nrw.de/imshop/shopdocs/Verfassungsschutzbericht_2009.pdf (Zugriff 05.04.2010))) Weiter heißt es im Verfassungsschutzbericht:

„Wenn sich ‚pro Köln‘ und ‚pro NRW‘ immer wieder geradezu demonstrativ zum Grundgesetz bekennen und sich gegen jede Form von Extremismus verwahren, wirkt dies taktisch motiviert. Zumindest ist das Grundrechtsverständnis von ‚pro Köln‘ und ‚pro NRW‘ nicht mit den Zielen, Werten und Inhalten des Grundgesetzes vereinbar.“ ((Innenministerium des Landes Nordrhein-Westfalen (Hg.) (2010): Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen über das Jahr 2009 (Pressefassung – März 2010), Düsseldorf, S.7 un S. 37f., http://www.im.nrw.de/imshop/shopdocs/Verfassungsschutzbericht_2009.pdf (Zugriff 05.04.2010)))

Wenn aber die beiden Vereinigungen, deren Grundrechtsverständnis nicht mit den Zielen, Werten und Inhalten des Grundgesetzes vereinbar ist, Teil von „Pro Deutschland“ sind, mutet es merkwürdig an, dass „Pro Deutschland“ von solchem Verdacht freigesprochen wurde. Auch wenn „Pro Arnstadt“ im Jahr 1994 unabhängig von der Bewegung „Pro Köln“ und zwei Jahre früher als diese gegründet wurde: Verfolgt man die jüngsten Äußerungen von Hans-Christian Köllmer, dann passt es inzwischen gut, dass die „Freie Wählergemeinschaft“, dem der Bürgermeister angehört, „Pro Arnstadt“ heißt.

Applaus aus der rechten Ecke für das „Arnstädter Stadtecho“

Während sich die äußerst rechtslastigen Verbindungen von „Pro Deutschland“ schnell und leicht im Internet recherchieren lassen, sind Sympathien des Bürgermeisters Hans-Christian Köllmer gegenüber neonazistischen Gruppierungen, die in seiner Stadt und und dem zugehörigen Ilm-Kreis agieren, nicht so offensichtlich. Wie weit solche Sympathien im Arnstädter Umfeld des Bürgermeisters reichen, können mit etwas Mühe indes auch Außenstehende in frei zugänglichen Publikationen nachlesen. Dennoch hält sich die lokale Presse mit Berichten darüber zurück.

Dank der Politik der Transparenz von „Pro Deutschland“ ist es nun auch für Nicht-Arnstädter möglich, sich von der Nähe zu neonazistischem Gedankengut eines umtriebigen Arnstädters, der sich als Freund des Bürgermeisters Hans-Christian Köllmer bezeichnet, ein Bild zu machen: Der langjährige Herausgeber des Anzeigenblatts „Arnstädter Stadtecho“, Hans-Joachim König, berichtete auf einem Stammtisch von „Pro Deutschland“ am 25. Februar 2010 in Berlin über seine politischen Ambitionen und Erfolge in seiner Heimatstadt. Die Veranstaltung ist einschließlich des Vortrags von Hans-Joachim König in sechs Videoclips festgehalten, die auf der Internet-Film-Plattform „Youtube“ eingestellt wurden. ((Die Videoclips sind jeweils mit einem Intro versehen und mit dem Text „www.pro-deutschland.net“ unterlegt, sodass auf eine Urheberschaft durch „Pro Deutschland“ geschlossen werden kann. Auf eine Urheberschaft von „Pro Deutschland“ deutet des weiteren, dass zunächst alle sechs Videoclips vom selben Youtube-Nutzer auf Youtube eingestellt wurden, dann jedoch die Teile 3-5, die den Vortrags Königs enthalten, entfernt wurden. Die Teile 1 und 6 wurden dann auf den Internet-Seiten des Berliner „Pro Deutschland“-Ableger verlinkt (http://www.pro-berlin.net/?section=news&cmd=details&newsid=113, Zugriff 05.04.2010). Unter einem anderen Youtube-Nutzer namens „thereisnoplacetohide“ sind seit 16.03.2010 wieder alle Teile des Videos auf Youtube eingestellt unter dem Titel: „Hans-Joachim König beim Stammtisch von ‚Pro Deutschland‘ Teil 1-6“,   http://www.youtube.com/watch?v=J9_8Bxsjhhs (mit dieser URL gelangt man zu Teil 1, von dort aus sind die folgenden Teile verlinkt) (Zugriff 05.04.2010)))

In dem ersten Videoclip ist dokumentiert, wie der Leiter des Berliner Stammtisches, Bundesvorsitzeder von „Pro Deutschland“ und zugleich stellvertretender Vorsitzender von „Pro Köln“, Manfred Rouhs, das Arnstädter Stadtecho, das einmal im Monat an alle Haushalte in Arnstadt verteilt wird, als eine Zeitung würdigt, die „sicherlich zur politischen Bewusstseinsbildung in Arnstadt wesentlich beigetragen“ habe. ((Hans-Joachim König beim Stammtisch von ‚Pro Deutschland‘ Teil 1, http://www.youtube.com/watch?v=J9_8Bxsjhhs (Zugriff 05.04.2010), „Stammtisch mit Hindernissen“, http://www.pro-berlin.net/?section=news&cmd=details&newsid=113 (Zugriff 05.04.2010))) Er verweist auf den Wahlerfolg der Partei des Bürgermeisters bei der Kommunalwahl im Juni 2009, als „Pro Arnstadt“ mit über 30% die meisten Wählerstimmen auf sich vereinigt habe. Köllmer selbst ist inzwischen in der dritten Legislaturperiode Bürgermeister und wurde zuletzt im Jahr 2006 mit 50,8% der Stimmen wiedergewählt. „Ich glaube“, sagt der Versammlungsleiter, „dass der Herr König einen nicht unwesentlichen Anteil an diesem Erfolg hat mit seiner publizistischen Arbeit.“ ((Hans-Joachim König beim Stammtisch von ‚Pro Deutschland‘ Teil 1, http://www.youtube.com/watch?v=J9_8Bxsjhhs (Zugriff 05.04.2010), „Stammtisch mit Hindernissen“, http://www.pro-berlin.net/?section=news&cmd=details&newsid=113  (Zugriff 05.04.2010))) Ein Erfolg, mit dem Hans-Joachim König es offenbar verdient hat, den Hauptredner des Abends zu stellen.

Während seines Vortrags, der in weiteren drei Videoclips festgehalten ist, beschränkt sich Hans-Joachim König zunächst auf revisionistische Anspielungen. Gleich zu Anfang berichtet er von seiner Liebe zu seiner Heimatstadt, welche er mit allen Bürgermeistern in der Geschichte Arnstadts teile und welche er unter anderem im Verfassen eines Stadtführers für Arnstadt unter Beweis gestellt habe:

„Ich habe mal einen Stadtführer geschrieben, und da habe ich mal ‚nen Satz ‚reingeschrieben, dass alle Bürgermeister sich immer ihrer Heimatstadt verbunden gefühlt haben, also auch der Bürgermeister, der von 1933 bis 1945 Bürgermeister war. Da ist auch vieles bewegt worden.“ ((Hans-Joachim König beim Stammtisch von ‚Pro Deutschland‘ Teil 2, http://www.youtube.com/watch?v=yEEBPKhN3QM&feature=related (1:17f) (Zugriff 05.04.2010)))

Wenige Sätze später bestellt er Grüße von „seinem“ Bürgermeister Hans-Christian Köllmer: „Herr Rouhs hatte mich schon eingeladen zur Bundesversammlung nach Berlin, da hatte mich mein Bürgermeister begleitet, und von dem soll ich auch grüßen, für alle die ihn persönlich schon kennen gelernt haben.“ ((Hans-Joachim König beim Stammtisch von ‚Pro Deutschland‘ Teil 2, http://www.youtube.com/watch?v=yEEBPKhN3QM&feature=related (Zugriff 05.04.2010))) Im weiteren Vortrag lässt König die Zuhörer wissen, er sei der Auffassung, man müsse die „Heimat achten“ und „das Heimatbewusstsein festigen, ganz entschieden.“ ((Hans-Joachim König beim Stammtisch von ‚Pro Deutschland‘ Teil 2, http://www.youtube.com/watch?v=yEEBPKhN3QM&feature=related (Zugriff 05.04.2010))) Er beschäftige sich schon lange mit Heimatgeschichte. Besonders interessiere ihn das in der Nähe seiner Heimatstadt gelegene Führerhauptquartier, wie überhaupt die Geheimnis umwitterte Geschichte des Jonastals, wo sich dieses lange Zeit unentdeckte Quartier befinde. ((Hans-Joachim König beim Stammtisch von ‚Pro Deutschland‘ Teil 2, http://www.youtube.com/watch?v=yEEBPKhN3QM&feature=related (Zugriff 05.04.2010)))

Kontakte zu Arnstädter Neonazi und zur „Neuen Rechten“

Nach einer detailreichen Betrachtung seiner Biografie kommt Hans-Joachim König zurück auf das gemeinsame politische Ziel, ein „gerechteres Deutschland schaffen“ zu wollen und resümiert seine Überlegungen und eigenen Bemühungen, die „Bewegung“ zu unterstützen. ((Hans-Joachim König beim Stammtisch von ‚Pro Deutschland‘ Teil 4, http://www.youtube.com/watch?v=Gfe-mfyc12E&feature=related (0:29f) (Zugriff 05.04.2010))) Es gebe möglicherweise „Finanziers“. Er habe bereits „ganz gute Kontakte“ zu Joachim Siegerist. Dass Siegerist ein Publizist und Aktivist der so genannten „Neuen Rechten“ ist, der im Jahr 1997 in Hamburg wegen Volksverhetzung und Aufstachelung zum Rassenhass rechtskräftig verurteilt worden war, muss König dem Publikum nicht erläutern. Außerdem möchte er den Chefredakteur der Wochenzeitung „Junge Freiheit“, ein Sprachrohr der „Neuen Rechten“ ((Die „Junge Freiheit“ darf nach einem vom Landgericht Düsseldorf am 23.06.2006 beschlossenen Vergleich vom Verfassungsschutz des Landes Nordrhein-Westfalen nicht mehr „rechtsextrem“ genannt werden.)) nach Arnstadt einladen. Getroffen hätten sie einander schon. ((Die Zitate im Zusammenhang: „Ich weiß auch, dass es möglicherweise Finanziers gibt und versuche jetzt so ein paar  Kontakte zu schließen. Was sie bringen, weiß ich nicht… Ich hab jetzt mit Joachim Siegerist ganz gute Kontakte, mit Herrn (unverständlich) und so weiter…, Junge Freiheit, (bei) Dieter Stein bin ich auch schon persönlich gewesen in Berlin, und der wird auch mal nach Arnstadt kommen, und versuche noch ein paar…denn ich sag mal, es gibt… – ich habe ein Stammtisch ….ganze liebe Jungs, alle ganz normale Leute, aber dann rennen die alle auseinander, Effekt null, aber man hat sich eben mal informiert. (unverständlich)… nur vom Labern und vom Biertrinken hat sich noch nie die Gesellschaft geändert. …Dazu muss es eben eine Bewegung geben, die auf einer breiten Plattform ist.“ Quelle: Hans-Joachim König beim Stammtisch von ‚Pro Deutschland‘ Teil 4, http://www.youtube.com/watch?v=Gfe-mfyc12E&feature=related (0:29f) (Zugriff 05.04.2010)))

In der anschließenden Fragerunde wird König gefragt, wie er zu Patrick Wiedorn stehe. Patrick Wiedorn ist in der Thüringer rechtsextremen Szene aktiv und ein in Arnstadt bekannter Neonazi. Das wird jedoch in der Fragerunde nicht ausgesprochen. König antwortet, Patrick Wiedorn kenne er, er sei aber kein persönlicher Freund. ((Hans-Joachim König beim Stammtisch von ‚Pro Deutschland‘ Teil 4, http://www.youtube.com/watch?v=Gfe-mfyc12E&feature=related (6:32 f ) (Zugriff 05.04.2010): „Patrick Wiedorn kenne ich. Aber was Sie im Internet lesen, stimmt nicht. Also wir sind weder befreundet noch irgendwie –, ja, sondern ich behandle den wie ich genau gesagt habe, ich kenne auch andere –  äh, ich kenne auch Stadträte von den Linken (lacht), aber die Linken haben – aber das war genau das Ding, das ich erzählt habe, dass also Patrick Wiedorn damals für diese Veranstaltung mitverantwortlich war und ich bin also hingegangen  und hab gesagt, was machst Du hier und wer bist Du überhaupt, und prompt haben sie reingeschrieben „Der persönliche Freund.  Da kann ich doch nur lachen darüber. Und seitdem… Wenn ich ihn in der Stadt sehe, habe ich keinen Grund, auf die andere Straßenseite zu gehen. Das mach ich nicht, Da würde ich mir selber untreu werden. Der ist tüchtig, der ist Maler von Beruf, er macht seinen Job gut, in seiner Firma wird er geschätzt, und dass er manchmal mit seinen 27 Jahren übers Ziel hinausschießt, und ich ihn auch manchmal dämpfe — ich dämpfe ihn manchmal –, ja, das ist dem jugendlichen Ungestüm vielleicht zu vedanken, und dass bei den  Kerlen natürlich auch viele Spinner sind — ich weiß es ja, aber… (zuckt mit den Schultern)“.)) Näher erläutert König seine Beziehung zu Patrick Wiedorn so:

„Wenn ich ihn in der Stadt sehe, habe ich keinen Grund, auf die andere Straßenseite zu gehen. Das mach ich nicht, Da würde ich mir selber untreu werden. Der ist tüchtig, der ist Maler von Beruf, er macht seinen Job gut, in seiner Firma wird er geschätzt, und dass er manchmal mit seinen 27 Jahren übers Ziel hinausschießt, und ich ihn auch manchmal dämpfe – ich dämpfe ihn manchmal –, ja, das ist dem jugendlichen Ungestüm vielleicht zu verdanken…“ ((Hans-Joachim König beim Stammtisch von ‚Pro Deutschland‘ Teil 4, http://www.youtube.com/watch?v=Gfe-mfyc12E&feature=related (7:20f) (Zugriff am 05.04.2010)))

Der Frager konkretisiert, seine Frage habe sich auf die politische Haltung von Patrick Wiedorn bezogen. „Da würde ich mich ein klein wenig distanzieren davon“, antwortet König. Welche Gelegenheiten sich König jedoch bieten, Patrick Wiedorn „manchmal zu dämpfen, wird nicht gefragt, und so bleibt es dem Zuhörer überlassen, sich an die von König kurz zuvor erwähnten „Stammtische“ mit den „lieben Jungs“ zu erinnern, die er in den Jena und Arnstadt veranstalte:

„(…) Ich hab ein Stammtisch, ja. Ähnlich wie hier euren, aber alles ganze liebe Jungs, Ihr natürlich auch. So. Und die treffen sich in Jena. Die haben wir auch schon in Arnstadt gehabt. Alle ganz normale Leute! So. Und da wird diskutiert, gelabert, da trinken wir unser Bier, das macht ja alles Spaß. Aber dann rennen die alle auseinander. Effekt null, aber man hat sich mal informiert eben (…).  (Aber) nur vom Labern und vom Biertrinken und alles hat sich noch nie die Gesellschaft geändert. Das ist ein Punkt, ja. Dazu muss es eben eine Bewegung geben, die auf einer breiten Plattform ist (…)“. ((Die Zitate im Zusammenhang: „Ich weiß auch, dass es möglicherweise Finanziers gibt und versuche jetzt so ein paar  Kontakte zu schließen. Was sie bringen, weiß ich nicht… Ich hab jetzt mit Joachim Siegerist ganz gute Kontakte, mit Herrn (unverständlich) und so weiter…, Junge Freiheit, (bei) Dieter Stein bin ich auch schon persönlich gewesen in Berlin, und der wird auch mal nach Arnstadt kommen, und versuche noch ein paar…denn ich sag mal, es gibt… – ich habe ein Stammtisch ….ganze liebe Jungs, alle ganz normale Leute, aber dann rennen die alle auseinander, Effekt null, aber man hat sich eben mal informiert. (…) Aber nur vom Labern und vom Biertrinken hat sich noch nie die Gesellschaft geändert. …Dazu muss es eben eine Bewegung geben, die auf einer breiten Plattform ist.“ Quelle:  Hans-Joachim König beim Stammtisch von ‚Pro Deutschland‘ Teil 4, http://www.youtube.com/watch?v=Gfe-mfyc12E&feature=related (0:29f) (Zugriff 05.04.2010)))

Gänzlich ungefragt kommt König auf weitere Veranstaltungen zu sprechen, die offenbar einer solchen „Bewegung“ dienlich sein können:

„Ich habe auch schon an Veranstaltungen teilgenommen, erst vor kurzem. Da machten die so eine Art Zeitzeugen –, da hatten die einen Luftwaffenoffizier, einen Jagdflieger hatten sie eingeladen und noch einen, der in Thüringen auch so ein Heimatforscher ist, und die erzählten dann über ihre Kindheitserlebnisse.“ ((Hans-Joachim König beim Stammtisch von ‚Pro Deutschland‘ Teil 4, http://www.youtube.com/watch?v=Gfe-mfyc12E&feature=related (7:58f ) (Zugriff 05.04.2010)))

Vor dem Veranstaltungsort, so König, hätten sechs Polizeiautos gestanden. Die Polizeibeamten hätten seine Personalien aufgenommen und ihm gesagt, er würde ja gar nicht so aussehen, als ob er dazugehöre. ((Hans-Joachim König beim Stammtisch von ‚Pro Deutschland‘ Teil 4, http://www.youtube.com/watch?v=Gfe-mfyc12E&feature=related (7:58f ) (Zugriff 05.04.2010))) Daraufhin habe König geantwortet:

„Na, wer sich mit Heimatgeschichte befasst und mit Zeitgeschichte, der wird sich doch mal zwei Vorträge von den Zeitzeugen mal anhören dürfen! Wo sind wir denn!?“ ((Hans-Joachim König beim Stammtisch von ‚Pro Deutschland‘ Teil 4, http://www.youtube.com/watch?v=Gfe-mfyc12E&feature=related (7:58f ) (Zugriff 05.04.2010)))

Knapp drei Wochen vor dem Berliner Stammtisch von „Pro Deutschland“ fand in Kirchheim bei Arnstadt eine Veranstaltung statt, die zu der von König beschriebenen sehr gut passt. Angekündigt waren „ein ehemaliger Jagd- und Transportflieger der deutschen Luftstreitkräfte sowie ein ehemaliger Kämpfer der Waffen SS“, die „einen Überblick über ihre militärische Ausbildung, Dienst und Ihre Einsatzgebiete geben“. Dazu lud jedenfalls die NPD Kyffhäuserkreis auf ihrer Internetpräsenz ein ((Internetseite der NPD Kyffhäuserkreis; http://www.npd-kyffhaeuserkreis.de/index.php?ID=130&anfang=0&npd=veranstaltungen (Zugriff 09.04.2010), vgl. http://www.bnr.de/content/braunes-ae-treffen-der-generationen-ae (Zugriff 09.04.2010))). Und folgt man dem dort angegebenen Link zu den Veranstaltern, so landet man auf einer Homepage mit dem Titel „Treffen der Generationen“ und erfährt auch, dass der zweite „Zeitzeuge aus seiner Kindheit und Jugend, insbesondere während seiner Zeit beim Jungvolk und der Luftangriffe alliierter Bomber auf das Deutsche Reich“ erzählte.

Auf der Homepage wird auch das Motiv für die Veranstaltung weiterer „ Treffen der Generationen“ erläutert: ((http://www.treffen-der-generationen.de (Zugriff 09.04.2010)))

„In einer Zeit, in der die Medien immer wieder über unsere Väter und Großväter falsche Tatsachen behaupten und sie als Verbrecher darstellen, erachten wir diese Veranstaltungen als zwingend notwendig um die wahren Erlebnisse von den Zeugen dieser Zeit zu hören.“ ((http://www.treffen-der-generationen.de (Zugriff 09.04.2010)))

Mit diesen Zitaten lässt sich vielleicht ausmalen, was bei den von Hans-Joachim König besuchten Stammtischen und Treffen mit „Zeitzeugen“ besprochen wird und was in diesen Kreisen unter „Vaterlandsliebe“ und „Patriotismus“ verstanden wird: Eine Verharmlosung des Nationalsozialismus und der in seinem Namen verübten Greueltaten, eine Stiliserung der Deutschen als Opfer der alliierten Streitkräfte im von Deutschland eröffneten Zweiten Weltkrieg und die Ausblendung oder Leugnung der tatsächlichen Opfer, der ermordeten Juden, Sinti und Roma, der politischen Gegner und anderen Verfolgten der Nationalsozialisten.

Hans-Joachim König hat zwar seit einigen Monaten die Verantwortung des „Arnstädter Stadtecho“ an Stefan Buchtzik übergeben. Doch König schreibt weiterhin fleißig mit. Und der jetzige Herausgeber scheint das Blatt ganz im Sinne Königs und auch „seines“ Bürgermeisters weiterzuführen. So brachte Buchtzik die letzte Ausgabe von März 2010 mit einer vierseitigen, mit „Anzeige“ überschriebenen „Sonderbeilage zu den Vorwürfen gegen Pro Arnstadt und Bürgermeister Köllmer“ heraus, in der für Köllmer ebenso wie für „Pro Deutschland“ geworben  und alle Kritik als „Unterstellung“, „Kampagne“, „Verurteilung“ und Angriff auf das Grundrecht der Meinungsfreiheit gedeutet wird. Gelegenheit zur Gegendarstellung wird anderen Parteien oder Kritikern, etwa in Form einer eigenen Beilage, eines Leserbriefs oder eines selbst verfassten Artikels, nicht gegeben. Dafür ist in der Sonderbeilage jedoch ein Schreiben von Joachim Siegerist abgedruckt, eben jenem Vorsitzenden der neurechten Organsisation „Die Konservativen e.V.“, den König auf dem Berliner Stammtisch als möglichen Finanzier der „Bewegung“ genannt hatte. Siegerist erklärt seine Sympathie für „Pro Deutschland“:

„Es wäre schön, wenn sich die ‚Pros‘ durchsetzen. Ich könnte mich schwarz ärgern über die CDU, die mit den LINKEN gemeinsame Sache macht, um Leute daran zu hindern, an die Opfer des Bombenangriffs (Gedenkveranstaltung Dresden) zu erinnern.“ ((Arnstädter Stadtecho Nr 119, 11. Jg, März 2010, S. 18  (Anzeige)))

Dass es sich bei der „Gedenkveranstaltung Dresden“ um eine von rechtsextremen Gruppierungen  geplante Instrumentalisierung des Erinnerns an den alliierten Bombenangriff auf das nationalsozialistische Dresden handelte, wird erwartungsgemäß nicht erwähnt. Im redaktionellen Teil der „freien Stadt- und Heimatzeitung“ findet sich darüber hinaus ein Kommentar zur Sonderbeilage von „Pro Arnstadt“, in dem Hans-Joachim König für Bürgermeister Köllmer und „Pro Deutschland“ Partei ergreift. ((Hans-Joachim König, „Schweigende Mehrheiten“, Arnstädter Stadtecho Nr 119, 11. Jg., März 2010, S. 24))

Da überrascht es nicht, dass Stefan Buchtzik, der neue Herausgeber des „Arnstädter Stadtecho“, für „Pro Arnstadt“ im Stadtrat sitzt. Dass er ebenso wie alle anderen Stadträte und Mitglieder der Wählergemeinschaft gegen die Kontakte Köllmers zu „Pro Deutschland“ nichts einzuwenden hat, kann man im Arnstädter Stadtecho nachlesen. ((„Wir stehen hinter Köllmer! Pro Arnstadt steht geschlossen hinter dem Gründer der Wählergemeinschaft“, Arnstädter Stadtecho Nr 119, 11. Jg., März 2010, S. 19, Sonderbeilage „Pro Arnstadt“. Die erste öffentliche Reaktion von „Pro Arnstadt“ lautete so (alle Zitate aus Thüringer Allgemeine vom 09.03.2010) : „Ich bezweifle, dass der Bürgermeister Dinge unterstützt, die einen extremistischen Hintergrund haben“ (Georg Bräutigam, Fraktionschef von Pro Arnstadt im Stadtrat) –  „Den Hinweis, dass viele Mitglieder von Pro Deutschland eine NPD oder Republikaner-Vergangenheit haben, beantwortet Bräutigam mit der Aussage, dass er das nicht bestätigen oder bewerten könne, da ihm dazu die Hintergrundinformationen fehlen.“ – „Was die Fraktion Pro Arnstadt angeht, so sind wir gegen jede Form von Extremismus. Solche Leute haben ihre Daseinsberechtigung in Deutschland verloren, zwei Diktaturen reichen. Wenn Hans-Christian Köllmer da Mitglied werden will, ist das seine Sache, dann wird er auch einschätzen können, ob es dort demokratisch zugeht.“ – „Wir sind auf unsere Stadt und die Region fixiert.“ Quelle: Thüringer Allgemeine v. 09.03.2010, http://www.thueringer-allgemeine.de/startseite/detail/-/specific/Zwischen-Braunzone-und-Demokratie-1141005773 (Zugriff 09.04.2010))) Und so darf „Pro Deutschland“  vermutlich auch weiterhin Bürgermeister Köllmer als ersten Bürgermeister der „Bewegung“ feiern. ((http://www.pro-deutschland.net  (Zugriff 09.04.2010)))

Arnstadt bald ganz in rechtspopulistischer Hand?

Beobachter von der Ferne werden vielleicht auf die zivilgesellschaftlichen Kräfte in Arnstadt vertrauen. Schließlich hat der Stadtrat im Jahr 2001 die „AG Demokratie braucht Zivilcourage“ gegründet, die immer wieder sowohl das Treiben des Bürgermeisters kritisiert als auch Gegenveranstaltungen zu rechtsextremen Kundgebungen organisiert. Doch kann die „AG Demokratie braucht Zivilcourage“ wirklich etwas gegen Köllmer, König & Co. ausrichten? Ein Blick in die Geschichte der Arbeitsgruppe lässt daran zweifeln.

Nachdem anlässlich des Amoklaufs an einer Erfurter Schule mit 17 Toten im Jahr 2002 eine Diskussion über eine strengere Kontrolle von privatem Waffenbesitz aufkam, befestigte Arnstadts Bürgermeister – auch damals schon Hans Christian Köllmer – einen Aufkleber auf seinem Dienstwagen mit dem Inhalt: „Ich bin die Waffenlobby! Wir sind viele – wir gehen wählen – und das ist gut so.“

Die AG „Demokratie braucht Zivilcourage“ brachte daraufhin einen Beschluss im Stadtrat ein, der den Bürgermeister aufforderte, den Aufkleber von seinem Dienstwagen zu entfernen. Der Bürgermeister reagierte mit Hausverbot für die AG im Rathaus. Dem Aufruf, sich der Diskussion mit der AG zu stellen, kam der Bürgermeister nicht nach. Er besuchte zwar tatsächlich die nächste Sitzung der AG, brachte aber als Unterstützer zahlreiche Sportschützen und Jäger mit. Die Satzung der AG sieht keine feste Mitgliedschaft vor, sondern Beschlüsse der AG werden jeweils durch die Anwesenden mit einfacher Mehrheit entschieden. Da die Lobby des Bürgermeisters nun die Mehrheit bildete, konnte sie, ohne eine Diskussion zuzulassen, den Beschluss fassen, einen neuen Vorsitzenden zu wählen – und wählten ihren Bürgermeister. ((Schroeder, Klaus (2004), Rechtsextremismus und Jugendgewalt in Deutschland. Ein Ost-West-Vergleich. Paderborn: Ferdinand Schöningh, S. 432-433.)) Nach dieser Aktion fand ein halbes Jahr lang keine AG-Sitzung mehr statt. Damit hat der Bürgermeister bewiesen, dass er es beherrscht, private Interessen durchzusetzen, indem er die Spielregeln der Demokratie zwar formal einhält, zugleich aber mit diesem Vorgehen sowohl den demokratischen Strukturen in seiner Stadt schadet als auch Grundsätze missachtet, die ein Demokrat eigentlich verinnerlicht haben sollte: Eine Konsensfindung, die auf eine offene und ehrliche Auseinandersetzung folgt. Und angesichts der beim Erfurter Amoklauf getöteten Schüler und Lehrer: Respekt gegenüber Opfern von Gewalt und deren Angehörigen.

Die AG „Demokratie braucht Zivilcourage“ wurde schließlich – ohne den Bürgermeister – wiederbelebt, jedoch blieb sowohl die Beteiligung an den Sitzungen als auch die Unterstützung durch den Stadtrat lau, bisweilen bläst ihr auch heftiger Gegenwind entgegen. ((Dass sie sich im Notfall nicht auf die Polizei verlassen können, erlebten die Mitglieder der „AG braucht Zivicourage“ auf einer Infoveranstaltung zum Verbot der rechtsextremen Organisation „Heimattreue Deutsche Jugend“ (HDJ) am 3. April 2009. Etwa 40 Neonazis kamen zu der von der AG organisierten Veranstaltung, die Organisatoren fühlten sich bedroht. Es dauerte über zwei Stunden, bis es den Einsatzkräften gelang, Hausrecht durchzusetzen.Quelle: „Rechte stören Veranstaltung über verbotene HDJ“, Mut gegen rechte Gewalt, http://www.mut-gegen-rechte-gewalt.de/news/meldungen/rechte-stoeren-vortragsabend-ueber-verbotene-hdj/ (Zugriff 10.04.2010))) Bürgermeister Hans-Christian Köllmer wäre das demokratische Anhängsel des Stadtrats am liebsten ganz los: Zusammen mit zwei weiteren Mitgliedern von „Pro Arnstadt“ stimmte er in einer Stadtratsitzung im vergangen Herbst für eine Auflösung der „AG Demokratie braucht Zivilcourage“. Die zweite Stimme kam von Stefan Buchtzik, der gerade die Herausgabe des „Stadt-Echo“ von Hans-Joachim König übernommen hatte. Und als Dritte stimmte Annette Garcia, ebenfalls „Pro Arnsadt“, für ein Ende der AG. Das reichte in diesem Fall aber nicht für die Mehrheit. Die AG existiert weiter. Was sie ausrichten kann, bleibt fraglich. Die Frage ist, ob sie überhaupt (noch) etwas ausrichten will. Findet sich doch seit dem misslungenen Auflösungsversuch unter den auf der Internetpräsenz der AG aufgelisteten Mitarbeitern auch der Name „Annette Garcia“, also jener Stadträtin, die für die Auflösung gestimmt hatte. Auf ihrer Homepage wiederum empört sich Annette Garcia nicht nur über die „Hetzkampagne“ gegen den Bürgermeister ((Aus der Presse kann man in den letzten Tagen den Beginn einer neuen Hetzkampagne gegen unsere Bürgermeister entnehmen.“ Unter dieser Überschrift entwirft Annette Garcia auf ihrer Homepage ein Szenario der Ausgrenzung gegen Andersdenkende:
So langsam kommt man sich wieder vor wie im Mittelalter oder zu DDR-Zeiten. Alle Abweichler werden sofort an den Pranger gestellt um sie Mundtod zu machen.
Wollen wir uns das wirklich gefallen lassen????
Wollen wir wirklich wieder ein Klima wie vor 1989???
Soll die friedliche Revolution umsonst gewesen sein???
Kann Meinungsfreiheit so schnell wieder eingeschränkt werden???
Jeder Einzelne steht wieder vor der Entscheidung – lasse ich mir den Mund verbieten oder stehe ich zu dem was ich sage. Lasse ich mich einschüchtern oder nicht. Ich jedenfalls werde mir nicht den Mund verbieten lassen!!!“
Quelle: http://www.annette-garcia.de/ (Zugriff 09.04.2010) (Rechtschreibfehler wurden übernommen.))), sondern präsentiert dort auch gleich das Programm von „Pro Deutschland“.

Vorausgegangen war dem Auflösungsversuch der AG die Kritik des evangelischen Pfarrers  Michael Damm, der bis zum Sommer 2009 Leiter der AG war und zurücktrat, nachdem der Bürgermeister den „Thüringentag der nationalen Jugend“ in seiner Stadt weder verhindern noch die Gegenkundgebung der AG unterstützen wollte. ((„Kein zahnloses Vorzeigestück. Bündnis gegen Rechts ist fraglich, weil sich nur Linke engagieren“, Freies Wort, Ressort Ilmenau Lokal v. 22.08.2009, http://www.freies-wort.de/_/tools/pdfpage.html?arid=1020504 (Zugriff 09.04.2010))) Michael Damm gründete daraufhin das vom Stadtrat unabhängige „Bündnis gegen rechts“. Unterstützung von Seiten der Kirchen, ob evangelisch oder katholisch, gab es bislang jedoch nicht. Würde sich die evangelische Kirche in Arnstadt am demokratischen Engagement gegen Rechtsextremismus beteiligen, dann wäre dieses Engagement ohnehin nicht sehr glaubwürdig. Pflegt doch das Marienstift, eine renommierte Arnstädter Institution der Diakonie, die eine Klinik, eine Schule und mehrere Einrichtungen der Jugendhilfe betreibt, eine besondere Beziehung zu Hans-Joachim König, dem ehemaligen Herausgeber des „Arnstädter Stadtecho“. Der weit rechts agierende Netzwerker, der „seinen Bürgermeister“ zur Bundesversammlung von „Pro Deutschland“ begleitet, Stammtische mit „lieben Jungs“ besucht und gelegentlich den Neonazi Patrick Wiedorn „dämpft“, ist Redakteur der Publikation „Der Stift“, der Zeitschrift des Marienstifts Arnstadt. ((Im Imressum der Zeitschrift ist für Redaktion, Layout und Satz die Arnstädter Werbeagentur König angegeben, die von Hans-Joachim König betrieben wird. vgl. Der Stift. Zeitschrift des Marienstifts Arnstadt.  Ausgabe 01/März 2010, S. 2))

Immerhin, ganz ohne politisches Kontra in der thüringischen Kleinstadt blieb die Ankündigung des Bürgermeisters Köllmer, Mitglied bei „Pro Deutschland“ zu werden ((Thüringer Allgemeine v. 10.03.2010, http://www.thueringer-allgemeine.de/web/lokal/detail/-/specific/Arnstaedter-SPD-fordert-Ruecktritt-des-Buergermeisters-1256080942 (Zugriff 09.04.2010))), nicht. Einen von SPD und „Die Linke“ gestellten Antrag zur Abwahl des Bürgermeisters, über den in der heutigen Stadtratsitzung beraten werden soll, will jedoch die Arnstädter CDU nicht mittragen. ((„Die CDU-Stadtratsfraktion sieht nach heutigem Kenntnisstand dennoch davon ab, ein Abwahlverfahren gegen Bürgermeister Hans-Christian Köllmer zu unterstützen. Es wäre unverhältnismäßig, denn der Arnstädter Bürgermeister ist bisher nicht durch rechtsextreme oder auf andere Weise verfassungsfeindliche Positionen hervorgetreten und kann bei Abwägung der vorliegenden Fakten auch nicht selbst dem rechtsextremen Spektrum zugeordnet werden.
Gerade die LINKE hat wenig Veranlassung, Bürgermeister Köllmer unter Verweis auf personale Verbindungen die Amtstauglichkeit abzusprechen. Denn sie sieht ihrerseits keinen Grund, Verbindungen mit Linksextremisten innerhalb und außerhalb der eigenen Partei, wie etwa zu Mitgliedern der Kommunistischen Plattform oder zu Teilen der Antifa, konsequent zu meiden.
Die Fraktion wird die hier skizzierte Position überprüfen, wenn die Antwort der Landesregierung auf die Anfrage der SPD-Landtagsfraktion zum streitigen Sachverhalt vorliegt oder falls sich der Kenntnisstand durch etwaige weitere Fakten verändert.“ Quelle: Erklärung der Arnstädter CDU-Stadtratsfraktion10.03.2010, http://www.cdu-arnstadt.de/read/190  (Zugriff 10.04.2010))) Dann wird es knapp. Ohne die Stimmen aller weiteren im Stadtrat vertretenen Parteien außer „Pro Arnstadt“ reicht es nicht für die erforderliche Zweidrittelmehrheit. Neben SPD und „Die Linke“ müssten demnach auch CDU, FDP und BfA („Bürgerforum Arnstadt“) geschlossen für einen Antrag stimmen. Etwas Zeit, sich näher über das politische Umfeld des Bürgermeisters zu informieren, bleibt aber noch. Über den Abwahlantrag abgestimmt wird erst in der übernächsten Stadtratssitzung, die regulär am 20. Mai 2010 stattfinden soll.

Wie diejenigen Arnstädter Bürgerinnen und Bürger, die „Pro Arnstadt“ und den Bürgermeister gewählt haben, zu der „Bewegung“ stehen, die nur in Teilen rechtsextrem genannt werden darf, darüber kann im Moment nur spekuliert werden. Ob „Pro Deutschland“ mit Hans-Christian Köllmer weiterhin den ersten Bürgermeister der „Bewegung“ feiern kann, können die Arnstädter Wählerinnen und Wähler aber nur dann entscheiden, wenn im Stadtrat eine Mehrheit für den Abwahlantrag zustande kommt. Wenn nicht, dann bleibt Köllmer bis zum Ende seiner dritten Legislaturperiode im Jahr 2012 im Amt. Das wäre ein strategisch bislang beispielloser Sieg für „Pro Deutschland“. Dass dieser Sieg eine Schwächung der Demokratie bedeuten würde, davon ist auszugehen. Vor allem, wenn man bedenkt, dass hier nur einzelne Schlaglichter auf einige Informationen aus öffentlich zugänglichen Quellen geworfen werden konnten. Was sich noch alles in Arnstadt abspielt, wenn man hinter die Kulissen blickt, das bleibt dem Autor verborgen. Und die Frage, ob die zahlreichen Inserenten des „Arnstädter Stadtecho“, darunter auch überregionale Einrichtungen wie die „Arbeiterwohlfahrt“ (AWO) und der „Arbeiter-Samariter-Bund“ (ASB) ((Arnstädter Stadtecho Nr 119, 11. Jg, März 2010)), möglicherweise sehr genau wissen, dass sie mit ihren Anzeigen eine revisionistische, den Nationalsozialismus beschönigende und den aktuellen Rechtsextremismus verharmlosende „Bewegung“ unterstützen, wagt er kaum zu stellen.

7 Kommentare

  1. […] Am Donnerstag beriet der Stadtrat der thüringischen Kreisstadt Arnstadt über einen Antrag von SPD und DIE LINKE zur Abwahl des Bürgermeisters Hans-Christian Köllmer. Der Debatte um den Abwahlantrag vorausgegangen waren Berichte über Kontakte des Arnstädter Bürgermeisters zur rechtspopulistischen Vereinigung „Pro Deutschland“ und über seine tolerante Haltung gegenüber Rechtsextremisten (haGalil berichtete). […]

  2. Nachtrag:

    Die judenfeindliche Vergangenheit Arnstadts ist erfreulich gut dokumentiert. Man findet eigene Beiträge jeweils in der 1971er Encyclopaedia Judaica und in der Eschkol-Ausgabe der EJ (Berlin 1929) sowie Erwähnungen in einer Reihe moderner Geschichtswerke.
    Die deutschen christlichen Enzyklopädien von Meyer und Brockhaus, die zwischen 1904 und 2006 erschienen, hingegen, verschweigen, wie üblich, die judenfeindliche Geschichte der Stadt.

  3. Vielen Dank für den sehr guten Artikel.

    Gerade in der (ost-) deutschen Provinz gibt es vielfältige Verquickungen zwischen dem rechten Rand und der bürgerlichen Mitte. Verständlicherweise sind die Protagonisten dieser Art von Kontaktpflege daran interessiert, dass sie damit nicht die Aufmerksamkeit der (kritischen) Öffentlichkeit auf sich ziehen. Vieles von diesem kleinen Grenzverkehr bleibt deshalb leider allzuoft im Dunkeln.

    Für Arnstadt schafft dieser hervorragende Artikel diesbezüglich Abhilfe. Er bringt Licht dahin, wo man lieber im Halbdunkeln agiert. Damit ist er Aufklärung im besten Sinne. Und damit hilft er auch denjenigen in Arnstadt, die sich gegen das ungeheuerliche Treiben ihres Bürgermeisters wehren.

  4. Von jüdischem Leben und Leiden im Thüringischen Arnstadt und von den intoleranten Traditionen seiner christlichen Bevölkerung

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    Bereits 1264 wurden im Verlauf eines Pogroms fünf Juden der Stadt brutal ermordet.

    Im Pestjahr 1349 erschlugen die Christen fast alle Juden der inzwischen ansehnlichen jüdischen Gemeinde Arnstadts, die eine eigene Synagoge unterhalten hatte.

    Um 1430 lebten wieder etwa 50 Juden in der Stadt.

    1441 wurden die Arnstädter Juden, die sich ein neues Gemeindeleben geschaffen hatten, auf „hochgräflichen Befehl“ diesmal ’nur‘ vertrieben (und enteignet).

    1451 hasspredigte der Barfüßermönch Johannes von Capistrano in Arnstadt gegen Juden.

    Bis 1800 duldete die Stadt insgesamt nur sehr wenige Juden in ihren Mauern, die vorübergehend bleiben durften und dann wieder ausgewiesen wurden. Je nach christlichem Gutdünken.

    Letztes Viertel des 19. Jh.: Obwohl loyale deutsche Bürger, müssen sich die Juden Arnstadts auch in der Publizistik immer wieder gegen Judenhass und Intoleranz zur Wehr setzen, ihr Dasein begründen, Rechenschaft ablegen.

    1888 erfolgte dann die Gründung einer jüdischen Kultusgemeinde, nachdem die etwa 15 jüdischen Familien Arnstadts dies ordnungsgemäß beantragt hatten.

    Anfang des 20. Jh.: Alle Juden der Stadt leben vom Handel mit Vieh und Textilien.

    1910 erreicht die Anzahl der Juden Arnstadts mit 218 Personen ihren Höchststand.

    1913 erfolgte die Einweihung einer eigenen kleinen Synagoge.

    Nach dem Ersten Weltkrieg Anlage einer jüdischen Abteilung im
    kommunalen Friedhof der Stadt.

    Arnstadt ‚outet‘ sich 1932 bei der Reichstagswahl als ganz besonders braune Stadt: 50% wählen NSDAP.

    Nach der Machtübernahme, 1933: NSDAP-Kreisleiter Wilhelm Mütze erweist sich als überzeugter Nazi, vor allem gegenüber den Arnstädter Juden.

    1933 (März, April): Boykotte gegen Juden, antijüdische Aktionen, später polizeiliche Schließung eines jüdischen Kaufhauses.

    1933-1939: Die Anzahl der Juden der Stadt sinkt von 121 auf 56.

    1938 (10.11.): Örtliche Regierungstreue (SA) brennen die Synagoge nieder und plündern und demolieren die Wohnungen und Häuser von Juden. Etwa dreißig Juden werden unter dem Vorwand, sie vor der Wut der Öffentlichkeit schützen zu wollen, verhaftet und im Keller des Rathauses (!) eingesperrt, wo sie von ihren christlichen Mitbürgern brutal gefoltert werden. Einige der Juden werden anschließend in das KZ Buchenwald deportiert. Die Kosten für die Beseitigung der
    Verwüstungen an ihren Gebäuden werden den Juden aufgetragen.

    1938/1939: Die letzten jüdischen Geschäfte in Arnstadt werden enteignet, ihre Besitzer vertrieben, wenn sie nicht schon im KZ inhaftiert sind.

    Bis 1940 können etwa 60 Arnstädter Juden emigrieren. Verbliebene Angehörige der Minderheit werden in sog. „Judenhäuser“ gesperrt, wo sie die Deportation in KZ’s abwarten müssen.

    Nur 12 Arnstädter Juden überleben die deutschen Konzentrationslager.

    Erst 1988 wird eine Gedenktafel zur Erinnerung an die Arnstädter Synagoge angebracht.

    Na, liebe Arnstädter, genügt Euch Eure intolerante Vergangenheit noch nicht? Wollt Ihr Euch auch noch zusätzlich mit einer Neonazi-Gegenwart zum Gespött Deutschlands, Europas oder der Welt machen?
    Ãœberlegt es Euch gut!

    Jeder von Euch kann etwas gegen den neuen, braunen, menschenfeindlichen Geist unternehmen. Filmt, fotografiert, dokumentiert die Täter von Rechts, ihre strafbaren Hasstiraden, ihre verfassungsfeindlichen Symbole, ihr schändliches Treiben und setzt Euch mit den Behörden in Verbindung!

    Zeigt, dass Ihr aus der Geschichte gelernt habt, dass Ihr Schluss machen wollt mit den unseligen Traditionen Eurer Väter und Vorväter!

    Werdet zu anständigen Deutschen mit Gewissen und Verantwortungsgefühl!

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