Sensation oder Fälschung?

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Hassan Saida, 43, ein Beduine aus dem Norden Israels, bietet ein uraltes auf Bleiplatten geschriebenes Buch mit kabalistischen (mystischen) Symbolen und althebräischen Buchstaben zum Verkauf an. Sein 1990 im Alter von 106 Jahren verstorbener Großvater habe das „Buch“ in einer Höhle im Norden Jordaniens entdeckt, während der sich mit seiner Familie in der Höhle 1948 vor den Briten verstecken musste…

Von Ulrich W. Sahm, Jerusalem, 15. März 2010

Die Familie zog dann von Jordanien nach Israel um und lebt in einem Dorf zu Füßen des Tabor-Berges in Galiläa. Als Saida 13 Jahre alt war, habe sein Großvater ihn nach Hamat Gader nahe der Grenze zu Jordanien geführt und ihm aus der Ferne den Ort der mit großen schwarzen Steinen versperrten Höhle neben einer Quelle gezeigt. Im Jahr 2005 reiste Saida nach Jordanien, suchte die Höhle und entdeckte in ihr alte Gräber und die Bleiplatten, exakt wie es ihm sein Großvater beschrieben hatte.

Hassan Saidas könnte den Erzählungen von „Tausend und Einer Nacht“ entnommen sein und den Stoff für einen Kassenbrecher aus Hollywood liefern. Derweil will Saida seinen Schatz vergolden. Er wandte sich an den Anwalt Sasson Bar Oz aus Haifa. Gemeinsam stellten sie den Fund Wissenschaftlern aus aller Welt, Experten für alte Metalle und der israelischen Antikenbehörde vor. „Ich bin von der Echtheit der Funde fest überzeugt und verfüge über zahlreiche Gutachten aus dem Ausland, die das bestätigen“, erzählt Bar Oz am Telefon. Ein Labor in Oxford habe festgestellt, dass die Bleiplatten echt seien, aus dem ersten oder zweiten Jahrhundert nach Christi. An der Pariser Sorbonne habe ein Forscher bestimmt, dass auf den Platten ein siebenarmiger Leuchter und hebräische Buchstaben „im alten Stil“ abgebildet seien. Es könnten Amulette sein oder kabalistische Texte, entstanden in der Zeit des Rabbi Simon Bar Jochai. Der bekannte britische Forscher Robert Feder, der die „Metallrolle“ aus Qumran, wo die Tote Meer Rollen gefunden wurden, ist von der Echtheit der Dokumente fest überzeugt, gesteht aber, ein 2000 Jahre altes Buch auf Bleiplatten noch nie zuvor gesehen zu haben.

Rabbi Schimon Bar Jochai lebte und wirkte während der Bar-Kochba-Aufstände gegen die Römer Anfang des zweiten Jahrhundert. Anhänger der Kabalah, der jüdischen Mystik schreiben jenem Rabbi das Grundlegende Werk der Kabalah, „Zohar“, zu. Doch dieses Kompendium, das einst so umfangreich gewesen sein soll, dass 40 Kamele benötigt wurden, um es zu transportieren, wurde nach Ansicht von Forschern in Wirklichkeit erst im 13. Jahrhundert verfasst.

Die israelische Antikenbehörde hält die Erzählungen Saidas und das bleierne Buch für einen üblen Betrug. Saida habe seinen Fund von Jordanien nach Israel geschmuggelt und wurde dabei auch gefasst. „Die Blei-Bücher sind ein Mischmasch aus Perioden und Stilen ohne jede Verbindung und Logik. Diese Motive befinden sich auf vielen Fälschungen in Jordanien und im Nahen Osten“, heißt es in einer offiziellen Erklärung der Behörde. Ihren Experten begutachteten einige Bleiplatten und identifizierten sie „eindeutig als Fälschungen“.

Ein Informant, der namentlich nicht genannt werden wollte, erzählte, dass Saida bei der Polizei und insbesondere in Jordanien „einschlägig bekannt“ sei, wollte aber nicht verraten, wegen welcher Vergehen.

Die Antikenbehörde sagte zu den Echtheitszertifikaten von Universitäten im Ausland, dass Bleiplatten alten Sarkophagen entnommen und heute von den Fälschern nachträglich mit Symbolen und Buchstaben versehen worden sein könnten.

Auf Anfrage sagte die Sprecherin der Antikenbehörde, dass Saida dringend davor gewarnt worden sei, die alten Bleiplatten mit den mutmaßlich gefälschten Inschriften zu verkaufen, oder auch nur zum Verkauf anzubieten. Damit würde er sich strafbar machen. Sollte ein Verkauf der Platten bekannt werden, „würden wir eine kriminelle Untersuchung einleiten“, sagte die Sprecherin.

In den vergangenen Jahren wurden mehrere Antiquitäten-Fälschungen zu Weltsensationen hochgespielt, darunter ein Ossuarium (Knochenkasten) mit eingeritztem Namen des „Bruders von Jesus“, einer monumentalen Inschrift des biblischen Königs Jehoasch, und die Entdeckung eines Grabes, in dem die gesamte Familie Jesu, seine Frau und sogar sein Sohn begraben gewesen seien.

© Ulrich W. Sahm / haGalil.com