Warum können wir mit Hamas über Shalit reden, aber nicht über Frieden?

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Warum ist es gestattet, über das Schicksal eines gefangenen Soldaten und mehrerer Hundert anderer Gefangener mit der Hamas zu reden, aber verboten, mit ihnen über das Schicksal zweier Völker zu reden? Nie war Israels Logik so verzerrt…

Wohl auch in Anbetracht der Tatsache, dass schon seit Jahren eine deutliche Mehrheit der israelischen Bevölkerung sich immer wieder für Verhandlungen mit der Hamas ausspricht, geht Gideon Levy in haArez dieser – nicht unwichtigen – Frage nach

Nachdem unsere Herzen mit Freude dem positiven Ausgang des Deals entgegenfieberten und jedes menschliche Herz sich nach Gilads Freilassung sehnt, verbunden mit der Entlassung von Hunderten von palästinensischen Gefangenen, einige von ihnen politische Gefangene, und nicht „Terroristen mit Blut an ihren Händen“ – wird es endlich Zeit, dass wir uns von einigen törichten Verboten befreien, die wir uns und der ganzen internationalen Gemeinschaft auferlegt haben.

Sollte Gilad endlich freikommen, wird klar sein, dass es da jemanden gibt, mit dem man reden kann. In Gaza und Damaskus sitzen zähe aber auch argumentativ zugängliche Politiker. Auch sie sind besorgt – auf ihre Weise – über das Schicksal ihres Volkes, dem sie Freiheit und Gerechtigkeit bringen wollen. Wenn der Deal abgeschlossen ist, werden wir entdecken, dass man sie beim Wort nehmen kann. Ginge es nicht um die Tatsache, dass Israel Zehntausende Gefangene festhält, von denen einige durchaus begründbare Mittel benützten, um gerechte Ziele zu erreichen – die aber anders verurteilt werden als jüdische Mörder und Kriminelle – dann hätte die Hamas vielleicht nicht die Waffe des Kidnapping benützt.

Wenn es nicht die israelische Belagerung des Gazastreifens und den internationalen Boykott gegen alles, was nach Hamas riecht, gegeben hätte, vielleicht hätte die Organisation gar keine Qassams zum Einsatz gebracht. Aber Israel besteht darauf, seinen eigenen Weg zu gehen: es hat mit der ‚Operation Sommerregen’ begonnen, um Shalit zu befreien, was aber misslang. Es wurde eine Belagerung über den Gazastreifen verhängt, um Druck für seine Befreiung auszuüben. Auch das misslang.

Als Israel seine Fehler erkannte, für die 1,5 Millionen Menschen mit Leib und Seele büßen, schlug Israel den einzig richtigen und effektiven Weg ein: diplomatische Verhandlungen. Ja, wir tun das, was wir uns selbst verweigerten: Verhandlungen mit der Hamas – und der Himmel stürzte nicht ein. Weder direkt noch indirekt. Es gibt Gespräche – ob wir die Hamas anerkennen oder nicht, es gibt Verhandlungen. Wie bei uns üblich, kommt die Methode, die zuerst kommen sollte, zu allerletzt. Erst wenn wir alles andere versucht haben: töten, zerstören, verhungern lassen, gehen wir den direkten Weg: Verhandlungen. So war es mit Ägypten und so war es mit der PLO.

Wenn der Deal zu ende gebracht ist, wenn Shalit und der gefangene palästinensische Führer Marwan Barghouti zurückkehren, muss Israel ein neues Kapitel mit der geächteten Organisation eröffnen. Es wird nicht einfach für uns sein. Immerhin haben wir es mit einer fundamentalistischen Organisation zu tun, die über eine Hudna, eine vorläufige, wenn auch auf dreissig Jahre angelegte Waffenpause spricht, nicht über Frieden.

Vielleicht ist dies ja der Preis für die törichte Zerstörung, die Israel gegenüber den Institutionen der Palästinensischen Behörde und der PLO verübte, die natürlich viel bessere Gesprächspartner hatte. Aber so ist es nun einmal gekommen und Hamas ist gewachsen, lebt und stößt um sich – ein Grund für Israels harte Hand.

Glaubt heute noch einer ernsthaft, dass Israel die Hamas-Herrschaft mit Gewalt besiegen wird? Wir waren doch nicht einmal in der Lage, sie zu schwächen – im Gegenteil!

Israel mit seinem hochmütigen „Ohne Bedingungen“ muss sich nun mit einem Aufruf an die Hamas wenden, mit Verhandlungen zu beginnen, am besten mit einer palästinensischen Einheitsregierung, unter dem Vorsitz eines befreiten Barghouti. Es ist möglich. Da muss man nicht nach Anerkennung des Verhandlungspartners fragen – wir haben die Hamas schon längst anerkannt, und sie hat uns anerkannt. Israel muss die kriminelle Belagerung des Gazastreifens endlich aufheben und die internationale Gemeinschaft aufrufen, den von Israels Führung auferlegten Boykott gegen die Hamas ebenfalls aufzuheben. Die Sorge und Angst der Diplomaten, mit Vertretern der Hamasorganisation zu reden, weil Israel sonst gegen sie handeln könnte, reicht auch. Wir verbieten dem französischen Außenminister und allen Staatsmännern der Welt, mit der Hamas zu reden, aber lechzen nach den Diensten des deutschen Vermittlers, der mit der Gruppe spricht. Warum wohl?

Nach der Gefangenenentlassung wird nichts die Hamas auf den konstruktiven Weg bringen als die Rehabilitierung – den Weg der Zerstörung und der Verzweiflung hat sie hinter sich. Die $ 4.4Milliarden, die die internationale Gemeinschaft vor acht Monaten bei der Geberkonferenz in Sharm al-Sheik mit Pomp und Pathos zur Rehabilitierung des Gazastreifens versprochen hat, liegen noch in den Banktresoren, als ob es kein Versprechen gegeben hätte. Nun ist es an der Zeit, dies weiterzugeben.

Ein freier Gazastreifen, der rehabilitiert wird, ist viel weniger explosiv. Eine Hamas, die eifrig damit beschäftigt ist, wieder aufzubauen, wird sich anders benehmen, besonders wenn ihr politisch eine Perspektive angeboten wird. Sie hat viel mehr zu verlieren, was man über das heutige Gaza kaum sagen kann. Nachdem wir die Daumen für Shalits Entlassung gedrückt haben, müssen wir genau diese Hände öffnen und der Hamas die Hände zum Frieden reichen.

Gideon Levy ist israelischer Journalist aus Tel Aviv und arbeitet für die Tageszeitung Ha’aretz unter anderem als Chefredakteur der Wochenendbeilage. Übersetzt wurde der Artikel von Ellen Rohlf.

Anm.: Im Kommentar weist U. Sahm auf „faktische Fehler“ hin, auf denen „Levy seine Ansichten aufbaut“…

12 Kommentare

  1. „Ihre Behauptungen zur Gründung der Hamas bestreite ich.“
    Das ist auch richtig, Herr Sahm. Keine Ahnung woher dieses Märchen kommt:
    „Anfangs wurde sie von Israel unterstützt, in der Hoffnung, man könne Arafats Position dadurch schwächen. Richtig stark wurde die Hamas aber erst viel später, nachdem die Versuche Arafats mit der Regierung Israels einen Palästinastaat in den Grenzen der 1967 besetzten Gebiete, also Westbank inkl. Ost-Jerusalem und Gazastreifen, zu gründen, an Israels Hinhaltetaktik gescheitert sind.“
    Die Hamas ging sofort auf Konfrontationskurs  mit Israel:
    Joseph Croitoru schreibt in seinem Band Hamas. Der islamische Kampf um Palästina (München 2007) über eine Erklärung der islamischen Terroristenbande:

    “Ihrer ablehnenden Haltung gegenüber der PLO-Entscheidung, Friedensverhandlungen mit Israel aufzunehmen, verliehen die Islamisten noch einmal in einem gesonderten Flugblatt Nachdruck. [..] Die Hamas sei ins Leben gerufen worden, hieß es eingangs, um den Dschihad zu führen bis zur ‘totalen Befreiung des gesamten Palästina’. Zur Verwirklichung dieses Ziels habe sie auch den Ausbruch der Intifada am 8. Dezember 1987 initiiert.” (S. 104f.)


    “Die Veröffentlichung ihrer Charta blieb für die Hamas nicht ohne Folgen. Die israelische Besatzungsbehörde hatte spätestens zu diesem Zeitpunkt erkannt, dass die Umwandlung der palästinensischen Muslimbrüder-Bewegung in eine Kampforganisation in vollem Gange war. So wurden bereits zwei Wochen später, am 1. September 1988, der Hamas-Mitbegründer Salah Schachada von den Israelis verhaftet. In den nächsten Wochen folgten weitere Festnahmen führender Organisationsmitglieder, wie die Ibrahim al-Jazuris Anfang Oktober.” (S. 103)

  2. @ Zunm
    Ihre politische Meinung sei Ihnen gegönnt.
    Gideon Levy (um dessen Artikel geht es hier) will offenbar eine Drei-Staaten-Lösung. Einen Fatah-STaat, einen Hamas-Staat und Israel. Anders ausgedrückt, wenn Levy eine Anerkennung der Hamas fordert, dann scheint es entweder zwei palästinensische Völker zu geben, oder aber er will, dass die PLO aberkannt wird und an ihrer Stelle die Hamas treten sollte.
    Vielleicht kann sich mal jemand Gedanken machen, welche rechtliche, politische, formale und andere Folgen eine Anerkennung der Hamas durch Israel haben würde.
    Ich persönlich habe keine klare Meinung dazu. Es ist ein politischer Beschluss. Nur halte ich es publizistisch für verantwortungslos von Levy, hier politische Forderungen  zu stellen, ohne wenigstens die genannten Folgen darzustellen. ir ist völlig gleichgültig, wen oder was Israel anerkennt, und ebenso gleichgültig ist mir, wer oder was die Palästinenser beherrscht. Nur wenn jemand Forderungen stellt, sollte er auch die Konsequenzen in alle Richtungen bedenken und analysieren.

  3. @ den vorletzten Mohikaner
    „Dass ihre berichte zu 90% einseitig sind und manche der Unwahrheit entsprechen ist ja nichts Neues.“
    Ich wäre dankbar für einen Beweis für diese Aussage, vor Allem, dass manche der Unwahrheit entsprachen.
    Sollten Sie mir Unwahrheiten nachweisen können, bin ich gerne bereit, die Dinge erneut zu prüfen und dazu Stellung zu nehmen.
    Zu den Behauptungen von Bar Zohar, einem „politisch engagierten Israeli“, nur eine kleine faktische Frage. Es klingt so, als habe Scharon hinter der Gründung der Hamas gestanden. Die Hamas wurde im Dezember 1987 gegründet. Welche Position hielt Scharon damals inne? Gibt es irgend einen Beweis für die Behauptung? Bar Zohar widerspricht gemäß meinem Verständnis mit keinen Fakten meinem Bericht.

  4. Herr xxx Ulrich W. Sahm
    Dass ihre berichte zu 90% einseitig sind und manche der Unwahrheit entsprechen ist ja nichts Neues.

    „Die Hamas gab es mitsamt ihren Vorläuferorganisationen (Moslembrüder etc) schon Jahrzehnte zuvor. Seit den siebziger Jahren gab es da einen Machtkampf mit der PLO. Die Hamas bestritt, was Arafat von sich forderte, nämlich im Namen “aller” palästinenser zu sprechen. Die Spaltung heute ist eigentlich nichts Neues“…..

    ach ja, was sagen sie denn dazu?

    EuroNews – Interview – Michael Bar-Zohar
    http://www.youtube.com/watch?v=q9GvM6ONFZk

  5. Tatsache ist, dass Völker/Staaten, gleichgültig ob sie Demokratien, Diktaturen oder Monarchien sind, bei ihren Außenbeziehungen einen Repräsentanten haben, der dann im Namen Aller einen Vertrag/Abkommen ausgehandelt hat und unterzeichnet, wobei die Unterschrift dann im Prinzip für Alle bindend ist (auch für die jeweilige Opposition). Das gilt meines Wissens überall in der Welt (ungeachtet der Frage, ob ein Land demokratisch ist). Alle internationalen Verträge hat im Falle der Palästinenser die PLO abgeschlossen. Genauso sind alle von Israels Regierung unterzeichneten Verträge bindend, gleichgültig wie die nächsten Wahlen ausgehen. Ich verstehe nicht recht, wo Sie hier ein Problem sehen. Tatsache ist auch, dass die mehrheitlich gewählte Hamas die bestehenden Verträge bislang nicht akzeptiert. Deshalb verweigern die EU, USA usw Kontakte mit jener Regierung, und wollen über deren Verwaltungsapparat auch nicht mehr Gelder auszahlen. Die Hamasgeführte Regierung gibt es seit dem Putsch 2007 ohnehin nicht mehr. Sollte Israel die Hamas „anerkennen“, erwarten Sie dann auch, dass Israel separate Friedensverträge mit Hamas und Fatah abschließt? Ich verstehe nicht recht Ihre Logik.
    PS Als Journalist habe ich das Privileg, mit allen reden zu können. Und falls die Herrschaften beschließen, miteinander zu reden, ist mir das völlig wurscht. Ich habe hier nur versucht zu erklären, warum es aus rein formalen Gründen nicht funktioniert. Das hat mit Ideologie  absolut nichts zu tun.

  6. Eben, Herr Sahm. Ansichten!
    Sie als Propagandist stellen es aber als faktischen Fehler dar. Und wenn sich CDU/CSU und SPD zum Dachverband zusammentun, bei demokratischen Wahlen aber die Grünen gewinnen, dann würden Sie als Atom-Lobbyist sicher auch faktische Gründe finden, mit denen nicht zu reden.
    Sehr dünn, was Sie uns da vorsetzen. Und nach ihrer mehr als üblen Hetze gegen Herrn Benz nicht weiter verwunderlich. Bin mal gespannt, ob das hier so „durchgeht“, bei Leuten, die von Demokratie offenbar nur dann was halten, wenn es ihnen passt.

  7. Sie haben Ihre Frage an mich teilweise selber beantwortet. Die PLO ist keine Partei sondern eben ein Dachverband, der alle (fast) palästinensische Parteien unter sich vereinigt. Dieser Dachverband wurde erst von den Europäern und später auch von den Israelis anerkannt. Israel verhandelt allein und nur mit der PLO. Abbas hat zwei Hüte auf dem Kopf, PLO-Chef und Präsident der Autonomiebehörde. Mit Israel redet er nur in seiner ersten Funktion. Obama redet nicht mit der CDU/CSU oder mit Kadima, sondern mit der vom Parlament gestellten Repräsentation, Regierung genannt. Merkel vertritt ganz Deutschland, Koalition und Opposition usw. Gleiches gilt für Netanjahu und Abbas.
    Die Osloer Verträge wurden allesamt zwischen Israel und der PLO und nicht zwichen einzelnen Parteien, Gruppierungen oder Organisationen ausgehandelt und unterschrieben.
    Die Hamas gab es mitsamt ihren Vorläuferorganisationen (Moslembrüder etc) schon Jahrzehnte zuvor. Seit den siebziger Jahren gab es da einen Machtkampf mit der PLO. Die Hamas bestritt, was Arafat von sich forderte, nämlich im Namen „aller“ palästinenser zu sprechen. Die Spaltung heute ist eigentlich nichts Neues.
    Ihre Behauptungen zur Gründung der Hamas bestreite ich. Siehe dazu:
    http://www.n-tv.de/politik/dossier/Das-Gegengewicht-zur-PLO-article344408.html
    Wer an was schuld ist, weshalb kein Staat zustande kam, ist eine politische Ansicht, die ich nicht weiter kommentieren will

  8. Ich möchte Herrn Sahm hier nicht mit Fakten belästigen, eine Frage sei aber erlaubt. Wenn die Hamas kein Gesprächspartner sein kann, weil sie, auch nach ihrem Sieg in demokratischen Wahlen, nur einen Teil des politischen Spektrums abdeckt, wie konnte dann Israel die PLO anerkennen?

    Auch die PLO ist nur Dachorganisation verschiedener säkularer Fraktionen der Palästinenser. Sowas wie CDU/CSU oder Marach früher, oder auch Likud.
    Die weitaus stärkste Fraktion ist die Fatah von Yassir Arafat und heute Mahmud Abbas. Weitere Mitglieder sind die Demokratische Volksfront zur Befreiung Palästinas (Democratic Front for the Liberation of Palestine – DFLP), die Palästinensische Befreiungsfront (PLF), die Arabische Befreiungsfront (ALF), die Popular Struggle Front (PSF) sowie eine Reihe kleinerer Gruppen.

    Die islamistische Hamas war nie Mitglied der PLO, sondern wurde in Opposition zu ihr gegründet. Anfangs wurde sie von Israel unterstützt, in der Hoffnung, man könne Arafats Position dadurch schwächen. Richtig stark wurde die Hamas aber erst viel später, nachdem die Versuche Arafats mit der Regierung Israels einen Palästinastaat in den Grenzen der 1967 besetzten Gebiete, also Westbank inkl. Ost-Jerusalem und Gazastreifen, zu gründen, an Israels Hinhaltetaktik gescheitert sind. Leider wurde die Umsetzung von Israel stets verhindert, obwohl die Oslo-Verträge (Rabin-Arafat 1994!) genau diesen Rahmen vorgaben, inkl. Übergangsfristen, die Israel allesamt nicht eingehalten hat.

  9. Eine Kritik an Gideon Levy

    Von Ulrich Sahm

    „über das Schicksal eines gefangenen Soldaten und mehrerer Hundert anderer Gefangener mit der Hamas zu reden“

    Die Hamas redet nicht mit Israel und Israel nicht mit der Hamas. Natürlich weiß Israel, dass es die Hamas gibt, als Organisation, Machtgruppe, die entgegen dem Völkerrecht einen Soldaten festhält. Doch alle Verhandlungen werden, können, müssen indirekt geführt werden. Genauso hätte die Bundesrepublik nicht „mit der RAF“ verhandeln können, ohne sie erst einmal als legitime staatliche Institution anzuerkennen, was ein Unding gewesen wäre. Niemand käme auf die Idee, von Obama Verhandlungen mit der FDP oder gar mit der NPD zu erwarten, wenn es um deutsche Themen geht.

    „aber verboten, mit ihnen über das Schicksal zweier Völker zu reden?“

    Es ist nicht „verboten“, sondern ein politischer Beschluss, es nicht zu tun, aus guten Gründen. Israel hat die PLO als Vertreterin des palästinensischen Volkes anerkannt. Daraus entstand die Autonomiebehörde. Schlägt Levy etwa vor, mit der Hamas über das palästinensische Volk Nr. 2 zu verhandeln. Oder sollte Israel die Hamas als Vertreterin der Palästinenser anerkennen, was das Ende der Autonomiebehörde bedeuten würde. Dann würde die Hamas aber auch ihren Status als „demokratisch gewählte Partei“ verlieren, denn auch die Wahlen fanden auf der Grundlage der Osloer Verträge statt.
    Levy erwartet offenbar, dass Israel die Spaltung des palästinensischen Volkes in zwei Völker auch diplomatisch/staatsrechtlich sanktionieren sollte. Dann sollte er das aber auch offen aussprechen… oder aber seine Gedanken konsequent bis zuende denken.

    „wird es endlich Zeit, dass wir uns von einigen törichten Verboten befreien, die wir uns und der ganzen internationalen Gemeinschaft auferlegt haben“

    Es handelt sich nicht um Gesetze, also um Verbote, sondern um politische Grundsätze, über die durchaus diskutiert wird. Levy führt die Leser in die Irre, denn Israel hat sehr wohl zum Beispiel Samir Kuntar freigelassen, in Richtung Libanon, einen der ekelhaftesten Mörder in der Geschichte Israels und des palästinensischen „Freiheitskampfes“.

    „dann hätte die Hamas vielleicht nicht die Waffe des Kidnapping benützt“

    Auch hier begeht Levy eine Geschichtsklitterung. Die Waffe des Kidnappings wurde immer wieder angewandt, weil die Feinde Israels genau wissen, dass sie da Israel an einem extrem empfindlichen Punkt erwischen.

    „Wenn es nicht die israelische Belagerung des Gazastreifens und den internationalen Boykott gegen alles, was nach Hamas riecht, gegeben hätte, vielleicht hätte die Organisation gar keine Qassams zum Einsatz gebracht.“

    Eine nette Spekulation, nur irreführend. Die ersten Qassam-Raketen kamen 2001 zum Einsatz, lange vor der Belagerung.

    „es hat mit der ‚Operation Sommerregen’ begonnen, um Shalit zu befreien, was aber misslang“

    Levy verkündet hier etwas, von dem noch nie jemand etwas gehört hat: Es gab bisher keinen Versuch, Shalit gewaltsam zu befreien, weil das erfahrungsgemäß viel zu riskant gewesen wäre.

    „schlug Israel den einzig richtigen und effektiven Weg ein: diplomatische Verhandlungen“

    Genau das tut Israel eben nicht. Der Einsatz von Vermittlern sind keine „diplomatische Verhandlungen“.

    „Erst wenn wir alles andere versucht haben: töten, zerstören, verhungern lassen, gehen wir den direkten Weg: Verhandlungen.“

    Wieder klittert er, zumal wenn er Ägypten und PLO erwähnt. Zu Verhandlungen gehören immer zwei Parteien. Weder Ägypten noch PLO waren zunächst bereit, überhaupt die Existenz Israels anzuerkennen, geschweige denn, mit Israel zu verhandeln, weil das nämlich eine Anerkennung Israels bedeutet hätte. Diplomatie hat eben ihre eigenen Regeln, die Levy geflissentlich ignoriert.

    Ganz grundsätzlich: Die Hamas ist eine politische Partei, genauso wie die Fatah und andere Parteien im palästinensischen Parlament. Sie haben den gleichen diplomatischen Status wie in Israel zum Beispiel die Arbeitspartei, Kadima, Schass und „Israel unser Haus“ des Herrn Lieberman.
    Würde etwa ein Friede zustande kommen, wenn die PFLP oder die Fatah direkte Verhandlungen mit Schass oder Agudat Israel aufnehmen würde? Offenbar verlangt Levy genau das, wenn ich das Ganze einmal umdrehe.

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