Der Antisemitismus nimmt zwar zu, gleichzeitig jedoch auch die Holocausterinnerung

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In den letzten Jahren, vor allem seitdem die UNO den 27. Januar vor fünf Jahren zum internationalen Holocausttag erklärt hat, scheint es, als sei das Interesse am Holocaust zu einer Art „Trend“ bei jungen und älteren Leuten in aller Welt geworden…

Nir Hasson stelllt in haArez fest, der Antisemitismus habe in den letzten Jaheren zawr zugenommen, ebenso aber auch die Erinnerung an de Schoah

Im Juni 2009, nach seiner Rede an die arabische Welt, besuchte US-Präsident Obama das KZ Buchenwald. Der Beschluss Obamas, das Lager zu besuchen, wurde von einigen Kommentatoren als eine Art Entschädigung Israels nach der Rede gewertet. Man kann den Besuch jedoch auch als Teil des zunehmenden „Trends“ sehen, zu dem das Interesse am Holocaust, der Holocaustforschung und der Holocausterinnerung in den letzten Jahren geworden ist.

Jeder, der sich mit dem Thema Holocaustforschung und –erinnerung befasst, bemerkt, dass sich in den letzten Jahren ein drastischer Anstieg des weltweiten Interesses am Holocaust vollzieht. Prof. Dina Porat, die Leiterin des Instituts für Antisemitismusforschung an der Tel Aviv Universität, sagt, seit den 90-er Jahren sei die Zahl der Staaten, die den Holocaust-Gedenktag begehen, von 20 auf 60 angestiegen. Dies kommt auch durch die Welle von Holocaustmuseen zum Ausdruck, die eingerichtet werden, durch den Anstieg der Zahl von Veröffentlichungen zu dem Thema, durch Holocaust-Gedenkfeiern in Ländern, die sich früher nicht mit dem Thema befassten und mehr.

„Zweifelsohne gibt es sehr viel mehr Bereitschaft, sich mit der Holocausterinnerung zu befassen“, sagt Avner Shalev, der Vorsitzende von Yad Vashem. Shalev versucht, die Erscheinung durch die tiefgehenden Prozesse zu erklären, die die Welt seit Ende der 60-er Jahre erschütterten.

„Nach dem Krieg war man schockiert und strebte einen möglichst schnellen Wiederaufbau an. Man hatte Angst, sich mit dem Thema zu befassen, und auch der Kalte Krieg trug nichts zur Holocausterinnerung bei. Anfang der 70-er Jahre, nach den Studentenunruhen in Deutschland und Frankreich, begann die junge Generation, selbst nach der Wahrheit zu suchen, und damals nahm die Holocaustforschung erheblich zu.“ Shalev fügt hinzu, die Generationen dieser Jahre führe heute die veränderte Einstellung zum Holocaust in Europa an.

Porat fügt diesem Aspekt noch den europäischen Wunsch hinzu, sich mit den sozialen und politischen Problemen auseinanderzusetzen, die die Massen von Einwanderern erzeugen. Dies führe dazu, dass sich viele Länder wieder mit ihrer Vergangenheit befassen und sich mit ihr auseinandersetzen. Weitere stärkende Faktoren dieser Tendenz sind die Prozesse, die gegen den Holocaustleugner David Irving in England und Österreich geführt wurden, wie auch die Holocaustleugnung des iranischen Präsidenten.

Shalev weist auf eine Reihe von Wendepunkten der weltweiten Einstellung zum Thema Holocaust hin. Genau vor 10 Jahren, am 27. Januar 2000, berief der schwedische MP Göran Persson die Stockholm-Konferenz ein. Persson hatte beschlossen, die Konferenz abzuhalten, nachdem eine Umfrage ergeben hatte, dass 34% der schwedischen Jugendlichen den Holocaust anzweifelten. Die Konferenz brachte die „internationale Taskforce für Holocauststudien, -erinnerung und –forschung“ hervor. Heute gehören dieser Taskforce 27 Staaten an, und sie wurde zu einer exklusiven Eintrittskarte für fortschrittliche und demokratische Staaten. Um der Taskforce beitreten zu können, muss ein Land den Holocaust in sein Lehrprogramm aufnehmen.

Im Jahr 2005 kamen 42 Staatsoberhäupter zur Eröffnungszeremonie des neuen Museums von Yad Vashem. In selben Jahre erklärte die UN den 27. Januar zum internationalen Holocaust-Gedenktag- kein einziger Staat stimmte gegen die Erklärung. Morgen begeht die Welt den fünften Gedenktag seit dieser Erklärung, und es sieht so aus, als gewinne er Jahr für Jahr an Bedeutung.

Porat und Shalev weisen jedoch auch auf eine gegensätzliche Tendenz hin. Z.B. wird der Holocaust als eine von vielen Katastrophen genannt, die das 20. Jahrhundert charakterisieren. So traf das europäische Parlament im Juli letzten Jahres einen Beschluss, der den 23. August (Unterzeichnung des Abkommens Ribbentrop-Molotow) zum Gedenktag für die Opfer aller totalitärer Regime erklärt. „Es entstand ein Wettkampf der Opfer: ‚Wir sind alle Opfer, wir haben alle gelitten, nicht nur die Juden haben Recht auf Entschädigung’,“ erklärt Porat. Noch extremere Gegenreaktionen gegen die intensive Beschäftigung mit dem Holocaust kommen durch antisemitische Erscheinungen zum Ausdruck, wie auch durch Versuche, Israel mit den Nazis zu vergleichen.

Medienspiegel Tel Aviv

2 Kommentare

  1. Stimmt genau.

    Inflationäre Verwendung der Begriffe: Holocaust, Antisemitismus … etc. sollen zwar Kritiker zum Schweigen bringen, aber sie haben diese Wirkung nicht mehr.

    Wenn zu jedem unbequemen Kommentar sogleich die Antisemitismus-Keule geschwungen wird, dann verliert eine solche Beschimpfung ( ??? ) seine Wirkung, ja, sie schlägt fast ins Gegenteil um und wird so aufgefaßt, daß vermeintliche Kritik an Politik und Kultur des Stattes und Volkes Israel „angekommen“ ist.

    Kann das gewollt sein ?

  2. Und? Hat das wachsende Holocaust-Bewusstsein seitdem auch nur einen einzigen neuen Genozid verhindert? Hat „Nie wieder Auschwitz“ den Völkermord von Ruanda verhindert? Das Massaker von Srebrenica? Haben all die Denkmäler und Mahnmale, die alljährlichen Holocaust-Gedenkrituale das Massenmorden in Darfur, im Sudan oder die Verfolgung der Baha’i im Iran verhindert?
     
    NEIN! Die Menschheit lernt nie dazu. Und im Iran bastelt man bereits heimlich an einem zweiten, diesmal nuklearen Holocaust, während der Rest der Welt wegschaut.

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