Konzert in Fürth: „Menschen haben ein kurzes Gedächtnis“

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Sie singt Lieder gegen das Vergessen. Nizza Thobi, geboren in Jerusalem am Fuß des Ölbergs, lebt und arbeitet seit 30 Jahren in Deutschland. Die zierliche Sängerin mit der großen Stimme kommt am Freitag in den Kleinen Saal der Stadthalle und stellt ihr neues Album „Ein Koffer spricht“ vor. Den FN verriet die 62- Jährige, was sie motiviert und warum sie nicht an Zufälle glaubt…

Sabine Rempe in den Fürther Nachrichten

Die temperamentvolle Sängerin Nizza Thobi gibt den Opfern des Holocaust eine Stimme

„Ich bin mir sicher, alles hat eine Bedeutung.“ Nein, Nizza Thobi glaubt nicht an willkürliche Begegnungen. Zu oft haben sich in ihrem Leben die Ereignisse plötzlich wie Puzzlestücke aneinandergefügt.

Ein Beispiel dafür ist die Arbeit an ihrer neuen CD. Gedichte jüdischer Lyriker, die fast alle das Nazi-Regime nicht überlebten, hat sie dafür vertont. Dazu gehört das anrührende Lied, dessen Titel zum Leitmotiv für dieses Album wurde: Die Zeilen zu „Ein Koffer spricht“ schrieb die Kinderbuchautorin Ilse Weber, die 1944 mit ihrem kleinen Sohn in Auschwitz ermordet wurde.

Hinweis:
Beim Konzert in Fürth liegen 50 Freikarten für Quelle Mitarbeiter aus Fürth und Nürnberg, an der Abendkasse.

Ihrem Mann, berichtet Nizza Thobi, sei es gelungen, ihre Texte in Theresienstadt in der Erde zu vergraben. Nach der Befreiung kam er zurück und barg die Gedichte und Briefe der Toten. Ilse Webers älterer Sohn Hanuš entkam der Vernichtung. Heute lebt er in Schweden. Dank intensiver Recherchen und glücklicher Umstände kam Nizza in Kontakt mit ihm.

Ähnliches erlebte die temperamentvolle Künstlerin auf der Suche nach Nachfahren der Malerin Malva Schalek, die in herausragenden Zeichnungen das Leben im KZ Theresienstadt dokumentierte, bevor sie in Ausschwitz starb. „Ich wollte unbedingt ihre unglaublichen Bilder im Booklet zu meiner neuen CD drucken, aber dafür brauchte ich natürlich zunächst eine Genehmigung.“ Also setzte sich Thobi entschlossen an den PC und googelte, bis sie nach kurzer Zeit eine Verbindung entdeckte. Ihre Ansprechpartnerin lebte wenige Straßen von Thobis Münchner Wohnung entfernt. „Das ist doch alles kein Zufall“, bekräftigt die Frau mit den großen dunklen Augen und der charismatischen Stimme noch einmal. „Diese Begegnungen geben mir die Motivation weiterzumachen. Ich muss weitermachen.“

Die Auseinandersetzung mit dem Holocaust wurde für sie früh zum bestimmenden Thema. In den 60er Jahren studierte sie klassische Gitarre in ihrer Heimatstadt Jerusalem, anschließend tourte sie mit einer israelischen Folkgruppe um die Welt. In Frankfurt bekam sie eine Hauptrolle im Musical „Hair“, bevor sie 1972 ihre Solokarriere begann. Seither sucht, sichert und singt sie Lieder von Opfern des NS-Terrors, die in KZs und Gettos geschrieben wurden.

In den vergangenen 30 Jahren, die sie mit ihrem Mann — ein Kostümbildner, der unter anderem TV-Shows wie „Yes, we can dance“ ausstattet — in Deutschland gelebt hat, habe sich ein Wandel vollzogen. „Heute sind die Menschen anders, aufgeklärter“, versichert sie. In den 70ern seien sie verklemmt gewesen: „Ein Wort wie ,Jude‘ wurde nicht so leicht gesagt, aber jeder hat eine jüdische Oma gehabt oder während des Krieges einen Juden versteckt.“ Heute sagt sie: „Deutschland ist in Ordnung, das ist ein moderner Staat.“ Ihr Einsatz gegen Krieg und Rassismus ist auch ein Kampf gegen das Vergessen: „Menschen haben ein kurzes Gedächtnis, aber man muss aufpassen und sensibel bleiben. Nur für Lotto und Fußball interessieren, das geht nicht.“

Und so geht Nizza Thobi weiter auf die Bühnen und fesselt ihre Zuhörer mit ihren Liedern, die das Vergessen unmöglich machen.

Hinweis:
Beim Konzert in Fürth liegen 50 Freikarten für Quelle Mitarbeiter aus Fürth und Nürnberg, an der Abendkasse.

Nizza Thobi & Ensemble: Morgen, 6. November, 20 Uhr, Stadthalle (Rosenstraße 1). Tickets (25/18 Euro plus Vorverkaufsgebühren) unter Tel. 749340 und an der Abendkasse. Eine Kultursendung von und mit Nizza Thobi und prominenten Interviewpartnern gibt es an jedem vierten Freitag im Monat um 19 Uhr beim Münchner Radiosender LORA 92,4 MHz, Kabel 96,75.

Sie kommt mit ihrem Programm „Ein Koffer spricht“ morgen nach Fürth: Nizza Thobi.