Atombombe hin oder her: Deutschland ist größter Handelspartner Irans

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Auch wenn Bundeskanzlerin Merkel vor der iranischen Atombombe warnt, gibt es zahlreiche Beispiele für deutsche Großkonzerne, die im Iran investieren…

Maschinenbau

Das größte Handelsvolumen mit Iran erwirtschaften die deutschen Maschinenbauer. Jede dritte Maschine, die das Land importiert, kommt aus Deutschland. 2006 verkauften Mittelständler Maschinen im Wert von rund 1,6 Mrd. Euro nach Iran. Im ersten Halbjahr 2007 erreichte die Maschinenausfuhr nur noch einen Wert von rund 500 Mio. Euro. „Grund dafür sind einerseits die strengen Exportkontrollen und andererseits die restriktive Bürgschaftspolitik der Banken“, sagt Hannes Hesse, Hauptgeschäftsführer des VDMA (Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau). Geht man von einem weiteren Rückgang bis Jahresende aus, hätte sich das Volumen binnen eines Jahres halbiert. [27]

Der Rückzug von Banken aus Iran hat große Anlagenbauer wie MAN Ferrostaal besonders getroffen. MAN Ferrostaal in Essen arbeitet an drei Großprojekten in Iran: einem Kraftwerk und zwei Anlagen für die Erdölindustrie. Die erschwerte Lage zeige sich nicht nur bei Neugeschäften, sondern auch bei der Abwicklung laufender Aufträge, sagte ein Sprecher. MAN greife inzwischen auf die Dienste der Europäisch-Iranischen Handelsbank zurück. [28]

Stahl

Der größte deutsche Stahlhersteller ThyssenKrupp ist mit weniger als 100 Mio. Euro Umsatz in Iran beteiligt, teilte ein Sprecher des Branchenprimus mit.
Der iranische Staat hält nach Informationen des Nachrichtenmagazins Spiegel noch immer ein großes Aktienpaket an ThyssenKrupp. Die Papiere lagern in den Depots der Beteiligungsgesellschaft Iran Foreign Investment Company IFIC. Mit dieser Holding investieren die Mullahs rund um die Welt ihre Petrodollar. Teheran musste vor vier Jahren seinen Sitz im Aufsichtsrat von ThyssenKrupp abgeben und die Beteiligung abbauen. Iran war damals mit 7,8 Prozent an ThyssenKrupp beteiligt und verringerte seinen Anteil in den Folgejahren. Ausgestiegen sind die Iraner aber bis heute nicht, stellt der Spiegel mit Verweis auf den Geschäftsbericht der IFIC in Düsseldorf für das Jahr 2006 fest.
Für den Anteil von 4,5 Prozent kassierte der iranische Staat 2007 Dividenden in Höhe von 18,5 Mio. Euro. Das Geld fließt unter anderem in Kreditgeschäfte mit Firmen, die mit Iran zu tun haben. So erhielt eine deutsche Charterfluggesellschaft im Jahr 2005 ein Darlehen über 55 Mio. Dollar. Der britische Finanzkonzern HSBC ließ sich über seine deutsche Tochter Trinkaus&Burkhardt einen Teil der ThyssenKrupp-Aktien als Sicherheiten verpfänden. Dafür dürfen die Iraner mit Termingeschäften spekulieren. „Kein Kommentar“, heißt es dazu bei HSBC. [29]

Autos

Iran hat in den vergangenen Jahren seine Beteiligungen an deutschen Autokonzernen verkauft oder reduziert, so etwa am Daimler- oder am VW-Konzern. Nach wie vor verkauft Daimler pro Jahr knapp 100 Mercedes-Benz-Fahrzeuge nach Iran. Außerdem werden noch Lkw produziert.

MAN in München liefert nach eigenen Angaben derzeit keine Lkw oder Anlagen mehr in die Region. MAN ist jedoch noch im Servicegeschäft in Iran tätig und wartet zum Beispiel Gasturbinen. Handelsbeschränkungen würden den Konzern kaum treffen, so ein Sprecher. [30]

Energie

Am 5.02.08 beteiligte sich der zweitgrößte deutsche Energiekonzern RWE als sechster Partner am internationalen Nabucco-Projekt. Die Pipeline soll die Importabhängigkeit von Russland reduzieren. Die Nabucco-Pipeline soll ab 2009 gebaut werden und ab 2013 Gas vom Kaspischen Meer, dem Nahen und Mittleren Osten nach Europa bringen. Unklar ist bislang, ob auch Iran als Gas-Lieferant beteiligt werden soll. [31]

Der Münchener Mischkonzern Siemens erzielt nach eigenen Angaben weniger als ein Prozent seines Gesamtumsatzes mit Iran. 2006 waren es 700.000 Euro, vor allem in den Bereichen Energie und Infrastruktur. Siemens lieferte Gaskraftwerke in die Islamische Republik. Man halte sich strikt an alle nationalen und internationalen Vorgaben, sagte ein Konzern-Sprecher. [32] Nach Informationen des Spiegel spielt Siemens die Bedeutung des Iran-Geschäfts jedoch demonstrativ herunter. [33] Nach Angaben der iranischen Nachrichtenagentur IRNA unterzeichneten Siemens und die iranische Power Plant Projects Management Company (Mapna) am 14.11.06 ein Geschäft im Wert von 450 Mio. Euro für den Bau von 150 Lokomotiven für das iranische Eisenbahnnetzwerk. Das Geschäft sieht den Import von 30 komplett fertig gestellten Lokomotiven nach Iran in der ersten Phase und den Bau von 120 weiteren Lokomotiven in Iran im Laufe von sechs Jahren vor. Im Rahmen des Vertrags muss Siemens außerdem in zehn Jahren technisches Know-how nach Iran transferieren. Im August 2003 hatte Siemens, ein Unternehmen mit Expertenwissen im Bau von Atomanlagen, einen Vertrag über die Lieferung von 24 Kraftwerken unterzeichnet. Um das Geschäft perfekt zu machen, musste sich Siemens zu einem „Technologietransfer bei kleinen und mittleren Kraftwerken” verpflichten. [34]

Pharma/Chemie

In Iran aktiv sind noch die deutschen Pharma- und Chemiegiganten BASF und Bayer. Der Leverkusener Konzern Bayer ist mit einem zweistelligen Millionen-Betrag in Iran beteiligt, der vor allem mit Agrochemikalien und Pharmaprodukten erzielt wird. [35] BASF Iran ist seit 1959 aktiv und repräsentiert das gesamte BASF-Portfolio, mit besonderem Schwerpunkt auf stark wachsenden Branchen wie Autos, Petrochemikalien (Katalysatoren) und Fasern. BASF Iran erzielte 2005 Umsätze in Höhe von etwa 70 Mio. Euro. 2006 waren es 42 Mio. Euro. [36]

Banken

2007 stellten drei große deutsche Banken ihre Iran-Geschäfte ein und wickeln nur noch alte Aufträge ab: Die Dresdner Bank begründete ihren Rückzug im August mit dem erhöhten „bürokratischen Aufwand“. Financial Times Deutschland berichtete, die Kreditlinie für Iran-Geschäfte umfasste bei der Dresdner in 2006 einen dreistelligen und 2007 einen zweistelligen Millionen-Betrag. [37] Im Juli stellte die Deutsche Bank ihre Aktivitäten ein und folgte damit dem Beispiel der Commerzbank. [38]

Auch die staatliche Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) hat das Geschäft massiv zurückgefahren. „In den Jahren 2006 und 2007 hat die KfW in Iran kein Neugeschäft abgeschlossen“, sagte ein Sprecher. Man halte lediglich alte Exportfinanzierungen von rund 350 Mio. Euro. [39]

Seit dem Ausstieg der deutschen Großbanken aus dem Iran-Geschäft geht es der Europäisch-Iranischen Handelsbank so gut wie nie. Nach Informationen des Magazins Spiegel wechseln reihenweise Maschinenexporteure und Handelsgesellschaften von ihrer deutschen Hausbank zur Europäisch-Iranischen Handelsbank. Das Institut steht zusammen mit den Banken Melli und Saderat auf der schwarzen Liste des US-Finanzministeriums. Am 14.11.07 besuchte eine Delegation iranischer Staatsbanker die Aufsichtsratssitzung der Handelsbank in Hamburg. An dem Treffen nahm auch ein Vertreter der Bonner Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht teil. Das Management stellte die besten Geschäftszahlen der Firmengeschichte vor. Der Bestand an Handelsfinanzierungen liege mit etwa drei Mrd. Euro doppelt so hoch wie 2006. [40] Nach einem EU-Gesetz muss zuerst eine Uno-Resolution feststellen, dass iranische Banken die iranische Atomrüstung finanzieren. Nur dann darf ein Mitgliedsland gegen das entsprechende iranische Unternehmen vorgehen. [41]

Anfang März berichtete der Spiegel, dass eventuell auch die Konten der in Deutschland tätigen Bank Melli sowie die Konten weiterer Einzelpersonen und Firmen mit Verbindungen zum Atomprogramm eingefroren werden sollen. Die Banken Melli und Saderat werden in der jüngsten Uno-Resolution 1803 lediglich unter Beobachtung gestellt. Die EU will nun offenbar einen Schritt weiter gehen. [42]

Widerstand der deutschen Wirtschaft

Die deutsche Wirtschaft reagiert zurückhaltend auf mögliche Verschärfungen der Wirtschaftssanktionen gegen Iran. Teheran hätte keinen Grund mehr, seine Schulden zu begleichen, wenn die Hermes-Bürgschaften für Iran noch weiter reduziert oder ganz eingestellt würden. Dabei gehe es um Forderungen von rund 5,2 Mrd. Euro, bei deren Ausbleiben die Staatskasse einspringen müsste. [43]

Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) warnte vor „einseitigen Maßnahmen“ der EU oder der Bundesregierung. Die gesamte Staatengemeinschaft müsse sich an Sanktionen beteiligen, sonst seien sie unwirksam und verzerrten den Wettbewerb, sagte BDI-Referent Heiko Willems. [44]

„Die deutsche Wirtschaft wird sich an Sanktionen halten, wenn sie von den Vereinten Nationen beschlossen werden“, sagte der Hauptgeschäftsführer des Außenhandelsverbands BGA, Gerhard Handke. „Von deutschen Sonderopfern halten wir aber nichts.“ Das Geschäft würde auch bei völlig unbedenklichen Gütern immer stärker in die Hände asiatischer Konkurrenten fallen, bestätigte BGA-Geschäftsführer Jens Nagel dem Handelsblatt. [45]

Die FDP-Bundestagsfraktion kritisierte, dass deutsche Firmen durch “informelle Sanktionen” von legalen Geschäften abgehalten werden sollten. Für die Unternehmen müsse Rechtssicherheit geschaffen werden, forderte die Bundestagsabgeordnete der Liberalen, Elke Hoff. [46]

Der Spiegel weist darauf hin, dass deutsche Firmen, die sich zu einem ausländischen Boykott verpflichten, seit 1993 gegen das Außenwirtschaftsrecht verstoßen. Die Regel wurde eingeführt, weil mehrere arabische Staaten von ihren Handelspartnern verlangt hatten, auf alle Geschäfte mit Israel zu verzichten. Aus Angst um ihre Umsätze in arabischen Ländern gaben viele Firmen nach – und unterschrieben entsprechende Erklärungen. Um dies zu verhindern, droht die Verordnung mit Bußgeldern von bis zu 500.000 Euro. [47]

Footnotes:

[27] „Wirtschaft warnt vor deutschen Iran-Sanktionen,“ Welt, November 13, 2007,
http://www.welt.de/welt_print/article1357631/Wirtschaft_warnt_vor_deutschen_Iran-Sanktionen.html
[28] Balzli, Beat; Hammerstein, Konstantin von; Reiermann, Christian; Reuter, Wolfgang,
Der Spiegel, 47/2007 from November 19, 2007, p. 82.; English: http://www.spiegel.de/international/world/0,1518,518503,00.html
[29] Ibid.; „Wirtschaft warnt vor deutschen Iran-Sanktionen,“ Welt, November 13, 2007,
http://www.welt.de/welt_print/article1357631/Wirtschaft_warnt_vor_deutschen_Iran-Sanktionen.html
[30] Ibid.
[31] „Gaspipeline: RWE steigt bei Nabucco ein,“ Manager-Magazin.de, February 5, 2008,
http://www.manager-magazin.de/unternehmen/artikel/0,2828,533291,00.html ;
„Wirtschaft warnt vor deutschen Iran-Sanktionen,“ Welt, November 13, 2007,
http://www.welt.de/welt_print/article1357631/Wirtschaft_warnt_vor_deutschen_Iran-Sanktionen.html
[32] „Wirtschaft warnt vor deutschen Iran-Sanktionen,“ Welt, November 13, 2007,
http://www.welt.de/welt_print/article1357631/Wirtschaft_warnt_vor_deutschen_Iran-Sanktionen.html
[33] Balzli, Beat; Hammerstein, Konstantin von; Reiermann, Christian; Reuter, Wolfgang,
Der Spiegel, 47/2007 from November 19, 2007, p. 82.; English: http://www.spiegel.de/international/world/0,1518,518503,00.html
[34] „Iran, Siemens sign $570mn train deal,“ Agence France Presse/Middle East Times, November 14, 2006,
http://www.metimes.com/storyview.php?StoryID=20061114-095520-1324r
[35] „Wirtschaft warnt vor deutschen Iran-Sanktionen,“ Welt, November 13, 2007,
http://www.welt.de/welt_print/article1357631/Wirtschaft_warnt_vor_deutschen_Iran-Sanktionen.html
[36] BASF Iran, access as of September 1, 2007 and March 3, 2008, http://www.basf.co.ir/
[37] „Dresdner Bank stellt Iran-Geschäfte ein,“ Financial Times Deutschland, Angela Maier
(Frankfurt) and Mark Schieritz (Tehran), August 21, 2007,
http://www.ftd.de/unternehmen/finanzdienstleister/:Dresdner%20Bank%20Iran%20Gesch%E4fte/242188.html
[38] „Contra Iran,“ FAZ, July 30, 2007, p. 9.
[39] Balzli, Beat; Hammerstein, Konstantin von; Reiermann, Christian; Reuter, Wolfgang,
Der Spiegel, 47/2007 from November 19, 2007, p. 82.; English: http://www.spiegel.de/international/world/0,1518,518503,00.html
[40] Ibid.
[41] Ibid.
[42] „EU will iranische Bankkonten einfrieren lassen,“ Der Spiegel Online, March 8, 2008,
http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,540264,00.html
[43] Rinke, Andreas und Brüggmann, Mathias: „Regierung bremst Iran-Bürgschaften,“
Handelsblatt, February 11, 2008,
http://www.handelsblatt.com/News/Unternehmen/Aussenwirtschaft/_pv/_p/302044/_t/ft/_b/1389083/default.aspx/regierung-bremst-iran-buergschaften.html
[44] „Wirtschaft warnt vor deutschen Iran-Sanktionen,“ Welt, November 13, 2007,
http://www.welt.de/welt_print/article1357631/Wirtschaft_warnt_vor_deutschen_Iran-Sanktionen.html
[45] Ibid.
[46] „Deutschland fährt Exporte in den Iran offenbar stark zurück“, Agence France Presse, February 12, 2008,
http://de.news.yahoo.com/afp/20080212/tbs-d-iran-uno-handel-aussenhandel-atom-f41e315_1.html
[47] Balzli, Beat; Hammerstein, Konstantin von; Reiermann, Christian; Reuter, Wolfgang,
Der Spiegel, 47/2007 from November 19, 2007, p. 82.; English: http://www.spiegel.de/international/world/0,1518,518503,00.html

Kontakt: Diana Gregor +44 (0)20 3239 7342 diana.gregor@realite-eu.org

3 Kommentare

  1. na und? Die Russen bspw. sind kleinere Handelspartner, verscherbeln aber Nukleartechnik und Boden-Luft-Raketen. 
    In D will sich doch nicht gegen den Iran stellen, sondern gegen dessen nukleare Abitionen.
    Ich kenne kein Land, dass sich steif und fest weigert, mit Semidemokratien oder Diktaturen Ziviltechnik zu handeln, da hätte auch niemand was von; dass ist doch nur eine Heiliger-als-Heilig-Attitüde.

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