Premiere in Jerusalem: Ein Film über Nazis, die Juden retteten

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„Schon wieder Holocaust?“ wurde Produzent Joachim von Mengershausen vor zehn Jahren gefragt, als er eine Finanzierung für den Film „Unter Bauern: Retter in der Nacht“ suchte. „Und jetzt willst Du auch noch die Deutschen als gute Menschen zeigen“, wurde ablehnend nachgeschoben…

von Ulrich W. Sahm, Jerusalem, 4. Oktober 2009

Der Anstoß, die Memoiren der inzwischen 97 Jahre alten Marga Siegel zu verfilmen, kam von Veronica Ferres. Die aus Hannover stammende blonde, 1,78 Meter große Schauspielerin, spielte schon in Filmen wie „Die Frau vom Checkpoint Charly“, „Annas Heimkehr“ und „Adam Resurrected“. Marga Spiegel hatte selber gefordert, die deutsche Bauersfamilie mit einem Spielfilm zu ehren, die ihr das Leben rettete.

Ferres war angetan vom Schicksal der jüdischen Marga Spiegel, die mit Mann und Tochter bei Bauern zwei Jahre lang in Ahlen (nahe Münster) mitten in der Nazizeit versteckt wurde. Ferres beschloss schließlich, zusammen mit den anderen Schauspielern des fertig gestellten 90 Minuten langen Films auf eine ordentliche Gage zu verzichten und den Film unter der Regie des holländischen Regisseurs Ludi Boeken zu drehen.

Die erste Szene spielt im ersten Weltkrieg. Deutsche Soldaten schleppen sich durch Schlamm, darunter der jüdische Pferdehändler Siegmund „Menne“ Spiegel und der katholische Bauer Heinrich Aschoff. Spiegel erhält ein „Eisernes Kreuz“. 1943 sieht er, wie Juden aus Münster nach Osten in ihren Tod deportiert werden. Mit seiner Frau Marga und Tochter Karin lebt er in einem Versteck. Er sucht seinen alten Kriegskameraden Aschof, der 1930 ein stolzer Nazi geworden war. Ihre Blicke treffen sich. Der Bauer sagt seinem jüdischen Freund, dass er dessen Frau und Tochter heimlich aufnehmen könne. Doch Menne müsse „verschwinden“.

Eindringlicher und einfühlsamer als in vielen anderen Filmen über die Nazizeit wird nun der Konflikt einer einfachen deutschen Bauersfamilie zwischen purer Menschlichkeit und Linientreue zu der von Judenhass, Hitlerliebe und Nazitum verleiteten Umgebung dargestellt. Menne, den jeder noch als Pferdehändler kannte, kommt auf dem Dachboden eines Nachbarbauern unter. Marga und Tochter nehmen einen falschen Namen an, werden kontrollierenden Behördennazis als „Ausgebombte“ vorgestellt und schließlich von der Dorfwirtin wiedererkannt. Anni, die Tochter des Bauern Aschoff, dargestellt von Lia Hoensbroech, ist ein strammes BDM-Mädchen und redet offen von ihrem Hass auf Juden. Sowie Verrat droht, durch die Wirtin, muss Bauer Aschoff seiner Tochter erklären, dass sie alle in Todesgefahr schweben, weil sie Juden verstecken. In der letzten Szene kommen die amerikanischen „Befreier“. Ein Kaugummi kauender GI zerrt Menne Spiegel hervor, ist überzeugt , dass er ein SS-Offizier gewesen sei. „Juden haben hier nicht überlebt“, erklärt der GI den verschreckt dreischauenden Bauern. Menne zieht die Hose herunter. Der GI lässt ihn laufen…

Der Film schließt mit einer Schrifttafel: In der Jerusalemer Holocaust-Gedenkbehörde Jad Vaschem seien nur 455 Deutsche für die Zivilcourage geehrt worden, in der Nazizeit unter der Gefährdung ihres eigenen Lebens Juden gerettet zu haben.

In der Jerusalemer Cinemathek im Hinom-Tal (Höllental) gab es großen Applaus für den Film, ehe die Schauspieler, der Regisseur und der Produzent auf die Bühne stiegen. Auch Marga Spiegel und Anni Aschoff, die Bauerstochter, waren zur Uraufführung des Films gekommen, der am 8. Oktober in den deutschen Kinos anlaufen soll. Die deutsche Uraufführung wird einen Tag zuvor in Münster stattfinden, wo Marga Spiegel, eine Verwandte ehemaligen Vorsitzenden des Zentralrats der Juden, Paul Spiegel, bis heute lebt. Marga Spiegel hat 37 nächste Verwandte in Auschwitz verloren.

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Nach der Uraufführung ergriff Veronica Ferres das Mikrofon und erzählte mit Tränen erstickter Stimme, wie die von ihr im Film dargestellte Marga, während der Uraufführung die Hand gehalten habe. Der holländische Regisseur Ludi Boeken hielt es als Jude und Holocaustüberlebender für eine „Pflicht“, diesen Film zu machen. Auf Hebräisch sagte er: „Das waren normale Leute, keine Widerstandskämpfer, keine anti-nationalsozialistische Polit-Aktivisten, sondern einfache Bauern, einfach Menschen. Diese Ausnahme beweist, dass so ein Widerstand im Kleinen möglich war.“

Die Uraufführung in der Jerusalemer Cinematheque veranstalteten gemeinsam das deutsche Goethe-Institut und die Holocaust-Gedenkstätte Jad Vaschem.

© Ulrich W. Sahm, haGalil.communication

http://www.unterbauern-derfilm.de

3 Kommentare

  1. sehr gut das es auch ein film über die „normale“Bevölkerung gibt die in der nazizeit juden und andere verfolgte rettete.es waren nicht viele bzw nicht viele die bekannt waren und die man auch vergessen hat.dieser film erinnert mich an meine grossmutter und grosstante die ebenfalls es als ihre pflicht sahen zu helfen was für sie das normalste war und sie keine angst hatten obwohl sie sich und ihre familien in gefahr begaben.sie sahen ihre jüdischen freunde auch in der nazizeit als freunde an und machten sich nichts aus dem gerede dieser verbrecher.in der zeit von 33-39 haben meine verwandten schon ihren an down syndrom erkrankten jungen verstecken müssen und man wusste schon wo hin man behinderte menschen brachte,so war ihnen auch klar das man dieses mit juden auch machte da man wusste das diese verbrecher skrupelos waren.sie brachten sie erst in der scheune unter und dann ins kloster wo eine cousine meiner oma und grosstante oberschwester war,in ein kloster in dem unter keinen umständen männer durften,ausgenommen war dieser fall der jüdischen familie die sie in eine klosterzelle unterbrachten das sahen die schwestern als gefahr an und brachen damit ihr gelübde und sahen es vor gott als gerecht an zu helfen.
    nach dem krieg wollte man meine oma und grosstante sowie die schwestern nach yad vashem einschreiben lassen das wollte die jüdische familie die es veranlassen wollte das dort ihre namen stehen.meine oma,grosstante und die schwestern verneinten da sie es als heldenhaft ansahen das man half sondern das es einfach nur ihre christliche pflicht und naechstenliebe ist zu helfen.
    so ist mit diesem film all denjenigen die nicht in yad vashem auf der helferliste stehen doch noch ein denkmal gesetzt.es ist für unsere generation schade das es nicht mehr soviele gibt die es erzaehlen koennen bzw es gab auch viele die es nicht erzaehlen wollten.

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