Ron Arad: Das Ende des Rätsels

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Unter dieser dramatischen Überschrift brachte Jedioth Achronot am 7.9.09 einen langen Bericht von Ronen Bergmann über einen Geheimdienstbericht, aus dem sich ergibt, dass Ron Arad mindestens neun Jahre nach seiner Entführung am Leben war und in libanesischer Gefangenschaft gestorben ist. In dem Artikel werden noch einmal die einzelnen Phasen der Verhandlungen über eine Freilassung Arads geschildert…

Von Ronen Bergmann

Im Jahr 1992, kurz nachdem er das Amt des Ministerpräsidenten übernommen hatte, wandte sich Itzhak Rabin an Bundeskanzler Helmut Kohl und bat ihn um die Hilfe des deutschen Geheimdiensts, des BND. Kohl war sofort dazu bereit und übertrug die Vermittlung an Bernd Schmidbauer, dem damaligen Koordinator für Geheimdienstbelange im Kanzleramt. Schmidbauer war klar, dass die Adresse der Iran ist, auch wenn sich Arad im Libanon aufhalten sollte. Er wandte sich an führende Stellen in der iranischen Regierung und im iranischen Geheimdienst, und diese bestritten nicht, dass sie etwas mit der Sache Arad zu tun haben. Sie beauftragten den iranischen Botschafter in Deutschland sogar, die Kontakte mit dem deutschen Geheimdienst zu leiten.

Ein Team des iranischen Geheimdiensts begleitete den Botschafter bei einem Besuch in einer Burg in der Nähe von Bonn, wo die Iraner mit Schmidbauer und später mit August Hanning zusammentrafen. Wer diesen Treffen beiwohnte, dem war klar, dass die Iraner die Verhandlungen über Arad als die Stelle führten, die über die Sache entscheiden kann. Schmidbauer wollte ein Geschäft abschließen und lud den iranischen Geheimdienstminister Falahian auf die Burg ein, um über den vermissten Navigator zu sprechen. Falahian sagte, man könne verhandeln, war jedoch nicht bereit, den Deal abzuschließen.

Die Deutschen wussten, dass Falahian im Jahr zuvor an der Ermordung von vier iranischen Regimegegnern im Berliner Mykonos-Restaurant beteiligt war. Der Besuch erregte starke Empörung in israelischen Geheimdienstkreisen, und hatte ein wütendes Telefonat zwischen Rabin und Kohl zur Folge, an dessen Ende Rabin sogar den Hörer aufknallte. Danach tat es ihm leid, und er gab dem damaligen Mossad-Chef Shabtai Shavit den Auftrag, sofort nach Deutschland zu fahren und sich bei den Deutschen zu entschuldigen, damit sie sich weiter um die Sache kümmern.

Die Ermordung der iranischen Exilanten in Berlin stellte sich im Nachhinein als eine der dramatischsten Entwicklungen in der Affäre heraus. Am 17. September 1992, kurz vor Mitternacht, drangen zwei bewaffnete Täter in das Restaurant ein und eröffneten das Feuer auf den Tisch, an dem vier Führer der iranischen Oppositionsgruppe KDPI saßen. Der Fahrer des Fluchtwagens war ein BND-Agent, und deshalb gelang es den deutschen Behörden, die Attentäter in kürzester Zeit zu fassen, … und sie wurden zu langen Haftstrafen verurteilt. Seit ihrer Verhaftung betrachtete Israel die Iraner als Trumpfkarte bei den Verhandlungen über die Freilassung von Ron Arad.

Das nächste Kapitel war die Aktion „Tage des Blätterfalls“ („Yamei Shalechet“). Der damalige Leiter der Abteilung für Gefangene und Vermisste im Mossad, Israel Perlov, rekrutierte einen Mann, der sagte, er habe Ron Arad zweimal lebend gesehen, einmal im Libanon und einmal im Iran. Eine Untersuchung mit dem Lügendetektor ergab, dass er die Wahrheit sagte.

Die Information galt als sicher, glaubwürdig und von Perlov bestätigt, und als solche wurde sie MP Rabin von Shavit auch präsentiert. „Blätterfall“ wurde durch andere Informationen gestärkt, die in Israel eingegangen waren, …und der israelische Geheimdienst wandte sich nun voll in die iranische Richtung. Die gesamten enormen Bemühungen um die Freilassung Arads wurden auf Teheran konzentriert. MP Rabin berief eine besondere Pressekonferenz ein, bei der er bekannt gab, Israel betrachte den Iran als für das Schicksal Arads verantwortlich.

Nach Ende seiner Amtszeit wurde Perlov von seinem Rivalen Rami Igra abgewechselt, Igra behauptete, die Ergebnisse der Lügendetektors seien unglaubwürdig und von jemanden „behandelt“ worden. Die Auffassung, Arad befände sich in iranischer Hand, wurde damit erschüttert. Der Verdacht Igras entstand, als er sich 1994 einige Tage in Frankreich und Deutschland aufhielt und es ihm dort gelang, die Behörden zu überreden, die in ihrem Staatsgebiet inhaftierten Iraner freizulassen, wenn die Iraner die Akte Arad endgültig schließen. Hanning erklärte Igra, nur ein offizielles Schreiben des israelischen Ministerpräsidenten könne die Sache regeln. Igra setzte sich mit Rabin in Verbindung, der unterschrieb das gewünschte Schreiben und übermittelte es über den Militärstab nach Berlin.

„Vier iranische Geheimdienstagenten stehen in Deutschland vor Gericht, und die iranische Regierung steht kurz davor, wegen internationalen Terrors verurteilt zu werden“, erklärte Igra später. „Plötzlich erscheint ein deutscher Beamter und bietet den Iranern auf einem Silbertablett an, die ganze Sache von der Tagesordnung zu streichen. Kann es überhaupt ein größeres Interesse geben? Dass die Iraner hier nicht mit beiden Händen zugepackt haben, konnte nur einen Grund haben: Sie hatten Arad nicht.“

Die Deutschen stellen die Geschichte etwas anders dar. Ihre politische und geheimdienstliche Führung war in jenen Tagen überzeugt, dass Arad sich im Iran oder zumindest in iranischer Hand befindet. Sie bestätigen, dass den Iranern ausdrücklich angedeutet wurde, Deutschland werde die Mykonos-Verhafteten als Gegenleistung für Ron Arad freilassen. Sie sagen, der iranische Botschafter habe sich an die Kommandantur der iranischen Revolutionsgarden gewandt und sie gefragt, was getan werden soll. Nach Beratungen in Teheran und Beirut lautete der Ratschlag der Hisbollah, in der Sache Ron Arad ein „low profile“ zu bewahren, da das Thema zu sensibel sei, die Gespräche mit den Deutschen jedoch fortzusetzen.

Hier gab es dann eine Panne. Die Deutschen sagen, der iranische Botschafter in Bonn sei der Überzeugung gewesen, es sei ihm gelungen, die Mykonos-Affäre ohne Ron Arad zu lösen, und dies meldete er seinen Chefs in Teheran. Dies, so die Deutschen, sei der Grund, warum die Iraner sich weigerten, ein Geschäft abzuschließen, das Ron Arad beinhaltet, und nicht, wie die Israelis annahmen, dass er sich nicht in ihrer Hand befand. Nach dem Urteil im Mykonos-Prozess begriffen die Iraner jedoch, dass es nun sehr schwer sein werde, ihre Leute frei zu bekommen, und sie ließen die Sache dann ganz bleiben.

Anfang 1995 ereignete sich in Deutschland eine weitere Entwicklung, deren Bedeutung seinerzeit nicht verstanden wurde. Der iranische Botschafter erschien im Büro Hannings und erklärte, es sei alles vorbei. „Wir sind nicht involviert, wie haben keine Ahnung, wer Ron Arad ist oder wo er sich befindet“, sagte der Botschafter. „Wenn ihr meint, dass er im Libanon oder in der Hand der Hisbollah ist, dann müsst ihr euch an Nasrallah wenden, vielleicht kann er helfen“. Die Deutschen waren sehr überrascht. Sie begriffen, dass sich eine dramatische Wende vollzogen hatte, verstanden jedoch nicht warum. Die Bedeutung wird sich erst nach 10 Jahren herausstellen, wenn der israelische Geheimdienst das Rätsel gelöst haben wird.

Im Folgenden wird nun die Entwicklung geschildert, die – ebenfalls unter deutscher Vermittlung- zu dem Geschäft führte, in dessen Rahmen die Leichen der drei auf dem Dov-Berg entführten Soldaten und Elchanan Tennenbaum freigelassen wurde. Bei Phase 2 dieses Geschäfts sollte als Gegenleistung für die Freilassung von Samir Kuntar neue Information über Ron Arad geliefert werden.

Bis Mitte 2005 unternahm die Hisbollah tatsächlich einige Bemühungen- die den Deutschen aufrichtig erschienen- das Rätsel Arad zu lösen. Die Hisbollah übermittelte über die Deutschen Knochen, von denen sie behauptete, sie seien Arads, was sich jedoch als falsch herausstellte. Daneben bemühte sich die Hisbollah bei den Revolutionsgarden und dem iranischen Geheimdienstbüro im Libanon um Informationen.

Es folgt nun eine Beschreibung der Erkenntnisse des Expertenkomitees unter Vorsitz des Leiters des militärischen Geheimdiensts Aharon Ze’evi Farkasch, das letzten Endes festlegt, dass Ron Arad 1995 oder 1996 in einem geheimen iranischen Gefängnis im Libanon an einer schweren Krankheit gestorben ist, genau zu der Zeit, als der iranische Botschafter dem BND mitteilte, die Iraner seien nicht länger in der Sache involviert.

Weder Israel noch Deutschland hatten seinerzeit die Zusammenhänge erkannt. Alle Mitglieder des Teams unter Vorsitz von Ze’evi-Farkasch waren sich einig: Ron Arad ist als gefallener Soldat zu erklären, dessen Grab unbekannt ist. Hierzu sei noch zu bemerken, dass die Akte Arad mehr und besseres Material enthält, als die Akte der am Dov-Berg entführten Soldaten, auf die sich der Militärrabbiner stützte, als er sie für
tot erklärte, und auch als die Akten von Goldwasser und Regev. Ze’evi-Farkasch empfahl dem damaligen Generalstabschef Dan Chalutz, Ron Arad für tot zu erklären, Chalutz übernahm die Empfehlung trotz des Widerspruchs des Kommandeurs der Luftwaffe Shkedi, des Mossad Chefs Dagan und des Shabak-Chefs Diskin, die alle der Meinung waren, ohne DNA-Test könne eine solche Erklärung nicht erfolgen. Der Bericht des Expertenkomitees wurde an das militärische Rabbinat und die Personalabteilung übergeben, um die Erklärung vorzubereiten.

Farkasch ging dann zu Ministerpräsident Sharon, und unter Anwesenheit Diskins und Dagans legte er ihm die Befunde des Komitees dar. „Sehr geehrter Herr MP, wir haben hier die Möglichkeit, die Akte endlich zu schließen. Laden wir den Militärrabbiner vor“, sagte Farkasch. Sharon, ein erfahrener Politiker, verstand, in welche Schwierigkeiten er sich bringt, wenn er der Familie keine Leiche und auch keinen DNA-Test vorlegen kann. „Aharon, lass es gut sein“, sagte Sharon.#

Medienspiegel der Deutschen Botschaft Tel Aviv