Vision einer Wissenschaftsgroßmacht

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Es ist noch schwer, über Prof. Ephraim Katzir in der Vergangenheitsform zu schreiben. Es gibt wenige Menschen, die sich in so hohem Alter und in so einer schwierigen körperlichen Verfassung geistige Klarheit und starke Leidenschaft für die Wissenschaft bewahrt haben. Ich erinnere mich gut an unsere Gespräche in seinen letzten Lebensmonaten, in denen er sich als überraschend beschlagen in Fragen der neusten wissenschaftlichen Entwicklungen in Nanotechnologie und Hirnforschung erwiesen und mich mit seinen klaren und präzisen Einsichten erstaunt hat…

Von Ehud Gazit, Haaretz v. 08.06.2009

Man sagt, dass Weise je älter desto weiser werden, und Katzir war ein wahrer Weiser, der reifte. Doch ist dies nur eine Seite seiner komplexen Persönlichkeit: Ein wissenschaftliches Genie, das weit ab vom akademischen Elfenbeinturm für die Sicherheit des Staates Israel aktiv war, ein Mensch, der seinen geliebten Bruder Aharon bei einem Terroranschlag verlor, aber dennoch ein Mann des Friedens blieb, ein Mann, der der sozialistischen Jugend entwuchs und die Sicherheits- und Biotechnologie Industrie in Israel gründete; ein herausragender Forscher, der in den renommiertesten Forschungseinrichtungen der Welt zuhause war, aber auch im College für Ingenieurwesen in Karmiel, und schließlich – ein herausragender Gelehrter, der der Bitte des Ministerpräsidenten entsprach und zum Präsidenten und Staatsmann wurde.

Eines der einzigartigsten und beeindruckendsten Charakteristika Katzirs war seine Verbindung von Vision und Praxis. Er erkannte im zionistischen Projekt und in der Gründung des Staates eine zentrale Mission von Wissenschaftlern und Forschern. Wenngleich die wissenschaftliche Forschung das Zentrum seines Schaffens und seiner Identität darstellte, verstand er die Bedeutung ihrer Integration in den Staat. Als Soldat diente er als Kommandant des Wissenschaftskorps. Er erfand die Einrichtung des „ersten Wissenschaftlers“ in den Regierungsministerien, amtierte als erster Wissenschaftler im Verteidigungsministerium und war an der Gründung des Nationalen Rats für Forschung und Entwicklung beteiligt.

Ephraim und Aharon Katzir verstanden auch die Bedeutung der intimen und kontinuierlichen Beziehung nicht nur mit den staatlichen Einrichtungen und Regierungsministerien, sondern auch mit den politischen Rängen. Sie standen in direktem und engem Kontakt mit Politikern, und sie scheuten sich auch nicht vor Parteiaktivitäten. Aharon Katzir war an der Formulierung des Parteiprogramms von RAFI für die Wahlen zur siebten Knesset im Jahr 1965 beteiligt, das zur „Verwissenschaftlichung“ des an natürlichen Ressourcen armen, aber an Humankapital reichen Staates Israel aufrief. Trotz des Beitrags der Geistesgrößen gewann RAFI nur zehn Mandate und ging in die Opposition; und die Verwissenschaftlichung, ihrer Zeit voraus, blieb eine pragmatische Ideologie vor allem in den Geschichtsbüchern.

Was lässt sich heute vom Vermächtnis Katzirs umsetzen? Das wichtigste ist das Verständnis der Rolle des Wissenschaftlers als herausragender öffentlicher Sendbote. Die eigentliche wissenschaftliche Beschäftigung, so wichtig und spannend sie auch ist, ist nur ein Teil der Aufgaben des Gelehrten. Unsere Aufgabe als Wissenschaftler ist es, in allen Bereichen an der Spitze des israelischen Tuns zu stehen: in Erziehung, Forschung, Industrie, Politik und Sicherheit. Es ist an uns, die wissenschaftlichen Kenntnisse, die wir erwerben, der Gesellschaft und der Industrie zu vermitteln. Eine Gesellschaft, in der Leute von der Universität an der Lenkung der Staatsgeschäfte teilhaben, ist eine bessere Gesellschaft, die das Gedeihen des Staates Israel auf höchstem Niveau herbeiführen kann.

Ministerpräsident Binyamin Netanyahu hat oftmals an seine Vision erinnert, dass der Staat Israel eines der höchsten Pro-Kopf-Einkommen der Welt besitzen möge. Der Schlüssel zu einer solchen Zukunft ist der Aufbau einer israelischen Gesellschaft, die eines der größten Humankapitale der Welt aufweist. Wissenschaftler, die sich selbst als Sendboten der Öffentlichkeit betrachten, die sich die Vision der Gebrüder Katzir verinnerlichen, sind die besten Partner bei der Verwirklichung dieses Ziels.

Prof. Gazit ist Stellvertreter des Präsidenten für Forschung und Entwicklung an der Universität Tel Aviv und Inhaber des Lehrstuhls für Nanobiologie.