Hintergrund: Israels Siedlungspolitik

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“The United States does not accept the legitimacy of continued Israeli settlements. This construction violates previous agreements and undermines efforts to achieve peace. It is time for these settlements to stop.“ (Die Vereinigten Staaten akzeptieren nicht die Legitimität fortgesetzter israelischer Siedlungen. Diese Konstruktion verletzt frühere Abkommen und untergräbt Friedensbemühungen. Es ist Zeit für diese Siedlungen, zu stoppen.) …

Von Ulrich W. Sahm, Jerusalem, 5. Juni 2009

Das ist der Schlüsselsatz der Rede von Präsident Barack Obama zu Israels Siedlungspolitik. Die israelische Zeitung Haaretz hat diesen Satz ins Hebräische übersetzt zu seiner Balkenüberschrift gemacht, jedoch leicht verkürzt: „Die USA akzeptieren nicht die Legitimität israelischer Siedlungen.“ Doch da fehlt noch das Wörtchen „fortgesetzter“ (israelischer Siedlungen). Was dieses zu bedeuten hat, konnte nicht einmal der Pressesprecher der amerikanischen Botschaft in Tel Aviv erklären. Auch der nachfolgende Satz ist eher kryptisch: „Diese Konstruktion verstößt gegen frühere Abkommen und untergräbt die Bemühungen, Frieden zu erlangen.“ Auch beim dritten Satz kapituliert der amerikanische Beamte: „Die Zeit ist für diese Siedlungen gekommen, zu stoppen.“ Der Referent versprach, Rückfrage bei seinen Vorgesetzten in Washington zu halten. „Doch solange alle Welt noch von der Rede überwältigt ist, dürfte das dauern.“ Der Beamte gestand, dass diese sprachlichen Verständnisfragen berechtigt seien, da auch er nicht wisse, was gemeint sei. „Vielleicht haben die Redenschreiber ganz bewusst Zweideutigkeiten eingebaut.“

Der tiefe Sinn der Worte Obamas kann angesichts der Zweideutigkeiten nur erraten werden. Die heute bestehenden Siedlungen werden üblicherweise in Kategorien mit unterschiedlicher politischer Bedeutung aufgeteilt. Die Palästinenser freilich halten jegliche israelische Bautätigkeit jenseits der „Grenze von 1967“ für völkerrechtlich illegitim, während die Israelis behaupten, dass jene Grenze „nur“ eine diplomatisch nicht-verpflichtende Waffenstillstandslinie sei, wie es in dem Abkommen von Rhodos aus dem Jahr 1949 zwischen Israel und Jordanien festgehalten ist. Diese Linie oder Grenze sei Verhandlungsmasse. Gleichwohl hat Israel das Gebiet jenseits dieser Linie nicht annektiert. Bis heute gilt im Westjordanland militärisches Besatzungsrecht. In diesem Gebiet leben etwa 300.000 israelische Siedler in 121 von der israelischen Regierung „autorisierten“ Siedlungen. Es handelt sich um kleine umzäunte Dörfer und um große Städte mit über 30.000 Einwohnern wie in Ariel, Bethar, Efrat und Maaleh Adumim. Diese Großsiedlungen werden auch „Siedlungsblöcke“ genannt. Gemäß schriftlichen Absprachen den amerikanischen Präsidenten Bill Clinton und George W. Bush könnten diese „Blöcke“ künftig bei Israel verbleiben.

Hinzu kommen noch so genannte „illegale Außenposten“. Das sind Siedlungen, die nach Ausbruch der Intifada ab dem Jahr 2001 „wild“ errichtet worden sind, ohne Regierungsbeschluss. Das „illegal“ bezieht sich auf israelisches Recht und nicht auf internationales Völkerrecht, das pauschal gemäß Paragraph 49 der Genfer Konvention einem Besatzerstaat verbietet seine Bevölkerung in besetztes Land „zu deportieren oder zu verschleppen“. Israel hat sich im Rahmen der Roadmap (Straßenkarte zur Zweistaatenlösung) verpflichtet, diese nicht-genehmigten Außenposten zu räumen, was wegen Widerstand radikaler Siedler einem Katz und Maus Spiel gleicht. Bulldozer zerstören am Morgen die Blechhütten und Container auf den Hügeln, während die Siedler bis zum nächsten Morgen dort wieder provisorische Hütten errichten. Seit den neunziger Jahren versuchen die Amerikaner, Israels Siedlungspolitik zu bremsen, einzugrenzen und zu stoppen. Israel verpflichtete sich, keine „neuen“ Siedlungen zu gründen, weigert sich aber standhaft, das „natürliche Wachstum“ zu unterbinden. In Siedlungen wie Schiloh, mit einem „historischen“ Kern aus den Siebziger Jahren, wurden auf Hügeln rund um die Siedlung einzelne Häuser gebaut, teilweise kilometerweit vom Siedlungskern entfernt. So umfasst Schiloh ein riesiges aber nur dünn besiedeltes Gebiet, zu dem Palästinenser keinen Zugang mehr haben.

Wiederholt hat Israel seit den Friedensverhandlungen mit Ägypten vor 30 Jahren einem Baustopp in den Siedlungen zugestimmt, den aber niemals durchgesetzt.

Eine weitere Kategorie stellen die Schlafstädte rund um Jerusalem dar. Fast die Hälfte der jüdischen Bewohner Jerusalems, rund 250.000 Menschen, lebt in Vierteln im ehemals jordanischen Osten der einst geteilten Stadt. Die Israelis hatten 1967 die Stadtgrenzen erheblich erweitert und ganz Jerusalem annektiert. Deshalb betrachten die Israelis diese „Siedlungen“ innerhalb Jerusalems als legitime Stadtviertel.

Doch Jerusalem ist international ein separates Kapitel. Gemäß dem UNO- Teilungsplan von 1947 sollte Jerusalem dem UNO-Sicherheitsrat unterstellt werden. Deshalb wird nicht einmal West-Jerusalem als israelisches Territorium anerkannt. Alle Botschaften, darunter auch die amerikanische, haben ihren Sitz in Tel Aviv. Überspitzt müsste die internationale Gemeinschaft von den Israelis fordern, die Knesset, die Regierungsgebäude und den Präsidentenpalais abzureißen, falls man jegliche Siedlungstätigkeit für illegal hält.

© Ulrich W. Sahm / haGalil.com

3 Kommentare

  1. @Eckart Christiansen
     
    Auf welche Artikel des „Völkerrechts“ berufen sie sich, wenn sie das Westjordanland als „jordanisch“ bezeichnen? Völkerrechtlich verbindlich trifft dies nur auf die östlich des Jordans gelegenen Gebiete zu… letztlich müßte -da die arabische Welt ja den Teilungsplan der UNO von 1848 abgelehnt hat- der Status relevant sein, den der Völkerbund als Vorläufer der UN in den 20er Jahren festgelegt hat – dort wurde eindeutig das Recht der Juden, im gesamten Mandatsgebiet zu „siedeln“ festgeschrieben. Oder haben sie Kenntnis von anderen, völkerrechtlich verbindlichen Abkommen?

     
    Israel hat Jordanien übrigens *mehrfach* den Vorschlag unterbreitet, die Kontrolle über „Westjordanien“ zu übernehmen – dies wurde jeweils abgelehnt!

  2. Sehr geehrter Sahm,
    Man kennt Sie hier als guten Kenner der Nahost-Problematik, doch ist Ihnen hier ein eklatanter Fehler unterlaufen. Israel versteift sich auf die Behauptung, das Westjordanland sei nie ein Teil Jordaniens gewesen, deswegen auch 1967 nicht als Teil Jordaniens „besetzt“ worden. Deswegen erlaubt sich Israel auch dieses Verhalten, das dem Völkerrecht widerspreche, wenn es sich sich bei der Westbank um besetztes jordanisches Territorium handelte. Israel sieht das Westjordanland eher als herrenloses Gut an, das als Strafe für den Angriff von 1967 nun unter Kontrolle Israels stehe und pflastert es Stück für Stück zu.
    Rechtsradikale Israelis sprechen ohnehin nur von jüdischem Land, das sichdie Araber im 7. Jahrhundert angeeignet hätten, deshalb hätten sie dort kein Heimatrecht.
    Die christiliche Rechte in den USA polemisiert ohnehin gegen Obama, seine Kritik am fortgesetzten Siedlungsbau ist für sie das „gefundene Fressen“, ihn zu diskreditieren.
    In einem Interview mit dem Deutschlandfunk sprach der israelische Botschafter heut emorgen sogar davon, man hoffe auf ein gutwilliges Entgegenkommen der Amerikaner in der Frage, als ob die USA hier einen Fehler begangen hätten, den es zu korrigieren gelte.
    Wo sehen Sie da eine Chance auf eine friedliche Regelung? Israel aht die Panzer.

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