Am Sonntag will Ministerpräsident Benjamin Netanjahu in der fromm-zionistischen Bar Ilan Universität bei Tel Aviv seine angekündigte Grundsatzrede halten. Dabei will er seine Vorstellungen einer Friedenslösung mit den Palästinensern darstellen, oder wenigstens die ersten Schritte in diese Richtung…
Von Ulrich W. Sahm, Jerusalem, 11. Juni 2009
Ein ganzes Heer von Redenschreibern bemüht sich schon, ihm die richtigen Worte in die Feder zu diktieren. Barack Obama hat in Kairo seine Vorstellungen kund getan. Hillary Clinton hatte schon erklärt, dass es keine schriftlichen Abmachungen mit den Amerikanern gebe, den Siedlungsbau doch fortsetzen zu dürfen. Siedleraktivisten drohen schon, falls Netanjahu es wagen sollte, von einem palästinensischen Staat zu reden, weil das „Verrat am verheißenen Land“ sei. Oppositionschefin Zipi Livni leistete ihrem Regierungschef Schützenhilfe, indem sie forderte, dass auch Israels Standpunkte gewahrt und diskutiert werden müssten, nicht nur die palästinensischen. Ohne Beachtung der Sicherheitsbedürfnisse Israels und der Heiligen Stätten, womit sie den Tempelberg in Jerusalem meinte, könne es keine Abmachung über „zwei Staaten für zwei Völker“ geben.
Um Druck auf Netanjahu auszuüben und dessen Rede in die „richtige“ Richtung zu lenken, hält sich der europäische Chefdiplomat Javier Solana in Israel auf. Ihm geht es vor allem darum, den Siedlungsbau zu stoppen, in dem die Europäer wohl das größte Hindernis auf dem Weg zu einem Frieden sehen. In Damaskus meldete sich der ehemalige amerikanische Präsident Jimmy Carter zu Wort. Ohne Einbeziehung der Hamas-Organisation sei an Frieden nicht zu denken. Khaled Maschal, Hamas-Chef im Exil, äußerte sich vor einem weiteren Treffen mit Carter in Damaskus zufrieden über Barack Obama, der in seiner Kairoer Rede von palästinensischem „Widerstand“ geredet und das Wort „Terror“ vermieden habe. Allerdings beklagte er, dass Obama die Lage der Palästinenser mit den Schwarz-Amerikanern verglichen habe.
Offiziell gilt bei den USA und bei der EU die Hamas immer noch als Terrororganisation, solange sie der Gewalt keine Absage erteilt, Israel nicht anerkennt und die bestehenden Verträge nicht akzeptiert.
Während sich der Ministerpräsident bedeckt hält, die amerikanische Regierung vorsorglich Zweifel hegt, dass Netanjahus Rede den amerikanischen Präsidenten zufrieden stellen werde, äußerten europäische Diplomaten offenen Unmut über den noch nicht veröffentlichten Inhalt der Rede. Ausgerechnet Staatspräsident Schimon Peres scheint geheime Einzelheiten aus den internen Beratungen über Netanjahus Rede ausgeplaudert zu haben. So solle umgehend ein palästinensischer Staat mit „provisorischen Grenzen“ errichtet werden. Das hätte den Vorteil, dass die Palästinenser dann schon als „Staat“ auf Augenhöhe mit Israel verhandeln könnten, während Israel freilich die Lufthoheit und die Kontrolle der Außengrenzen behalten müsse.
Der Staatspräsident wurde wegen diesem gegenüber dem EU-Sondergesandten Solana geäußerten Vorschlag heftig kritisiert. Mehrere rechtsgerichtete Abgeordnete beklagten sich mit Beschwerdebriefen über die „Einmischung des Präsidenten in die Politik“. Das Staatsoberhaupt müsse über den Dingen stehen und keine eigene Politik treiben. Peres solle künftig keine „politischen Gespräche“ mehr zu führen.
Aus Ramallah kam postwendend eine ablehnende Antwort auf den Vorschlag von Peres. Sowie der palästinensische Staat in „provisorischen Grenzen“ errichtet sei, könnte sich Israel weiteren Verhandlungen verweigern, hieß es im Büro von Präsident Mahmoud Abbas. Einspruch erhoben auch israelische Militärs. Die Errichtung eines palästinensischen Staates würde deren „Handlungsfreiheit“ einschränken, womit wohl gemeint ist, dass sie dann keine nächtlichen Patrouillen in Nablus oder Hebron fahren könnten und keine „Verdächtige“ mehr in Bethlehem oder Ramallah verhaften könnten. Ein eigenständiger palästinensischer Staat müsse am Ende der Verhandlungen stehen, nicht aber ohne
Noch ist die Idee von Peres nicht offizielle Politik und von Netanjahu nicht ausgesprochen worden, doch dürfte das nicht der amerikanischen wie europäischen Vorstellung eines selbstständigen, lebensfähigen und souveränen palästinensischen Staates neben Israel entsprechen und deshalb auf Widerstand stoßen.
Gleichwohl ist die Idee nicht neu. Sie entspricht der zweiten Stufe der so genannten „Roadmap“, jener von den USA, der UN, der EU und den Russen im Jahr 2003 ausformulierten „Straßenkarte zu einer Zwei-Staatenlösung in Nahost“. Dort ist nicht die Rede von einem palästinensischen Staat mit „provisorischen Grenzen“, sondern von der Errichtung eines „provisorischen“ Staates. Die Roadmap wurde von Israel wie von den Palästinensern akzeptiert und gilt als Ausgangspunkt für die Erneuerung des Friedensprozesses, sowie die Palästinenser den Terror gestoppt und Israel die seit 2001 errichteten Siedlungs-Außenposten geräumt haben. Bisher haben freilich beide Seiten nicht einmal die Konditionen der Präambel der Roadmap erfüllt.
© Ulrich W. Sahm / haGalil.com
„kann er sich auch sparen.“
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Und Sie Ihre überflüssigen Kommentare.
Bingo.
Wenn die vorab zu vernehmenden Gerüchte stimmen, sollte sich Netanyahu lieber einen schönen Sonntag im Grünen machen. Ein nebulöses Bekenntnis zur Selbstverwaltung mit altbekannten Bedingungen kann er sich auch sparen.
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