Bedingte Bauerlaubnis

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Die Meinungsverschiedenheit zwischen der israelischen und der amerikanischen Regierung über das Einfrieren des Siedlungsbaus verlangt nach einer Prüfung der Übereinkünfte, die zu diesem Thema erzielt worden sind, sowie des Kontextes, in dem diese verhandelt wurden…

Von Dov Weisglass, Yedioth Ahronot v. 02.06.09

Seit Mitte der 1990er Jahre willigte Israel ein, keine neuen Siedlungen in Judäa, Samaria und Gaza zu bauen; es behielt aber das Recht, bestehende Siedlungen gemäß dem Prinzip des „natürlichen Wachstums“ auszuweiten. Bis 2002 schritt Israel auf der Basis mehrerer „Übereinkünfte“ voran, die zwischen Außenminister Shimon Peres und Colin Powell erzielt wurden, obgleich die Amerikaner die Existenz derartiger Übereinkünfte leugneten.

Die amerikanische Forderung fand ihren Ausdruck in der Road Map, die Israel erstmals in der zweiten Jahreshälfte von 2002 unterbreitet wurde. In dem Abschnitt zu den Siedlungen wird Israel „in Übereinstimmung mit dem Mitchell-Report“ auferlegt, „jegliche Siedlungsaktivität einschließlich des natürlichen Wachstums von Siedlungen einzufrieren“. Israel opponierte gegen diese Klausel, und infolgedessen wurde sie im korrigierten Entwurf gestrichen, der an die Regierung zurückging.

Anfang 2003 brachte Israel seine Vorbehalte gegenüber der Road Map vor. Am Donnerstag, den 24. April 2003, leitete ich die israelische Delegation zu Außenminister Powell, der nationalen Sicherheitsberaterin Condoleeza Rice und andern hochrangigen Regierungsvertretern. Die Frage der Siedlungen, so wurde vereinbart, werde in einem „separaten Forum“ diskutiert. Dieses „separate Forum“ trat am 1. Mai 2003 in Jerusalem zusammen. Die hochrangigen Regierungsvertreter Steven Hadley und Eliott Abrams trafen sich mit Ministerpräsident Ariel Sharon und mir und gelangten über die kommenden zwei Tage zu einer exakten Definition des Ausdrucks „Einfrieren des Siedlungsbaus“ in der Road Map. Laut dieser Definition würden 1. keine neuen Siedlungen gebaut, würde 2. kein palästinensisches Land enteignet oder anderweitig zum Zwecke von Siedlungen beschlagnahmt werde, würde 3. die Bautätigkeit innerhalb von Siedlungen auf die „bestehenden Baulinien“ begrenzt sein, und würden 4. keine öffentlichen Gelder zur Ermunterung von Siedlungen bestimmt werden.

Bei einem weiteren Treffen mit Frau Rice am 14. Mai 2003 wurde die Übereinkunft über die Definition des Ausdrucks „Einfrieren“ bekräftigt, womit die Diskussionen über Israels Vorbehalte gegenüber der Road Map beendet wurden. Da das Treffen auch bestätigte, dass der Entwurf der Road Map das Abschlussdokument darstellen würde (teils um „Neueröffnungen“ durch andere Parteien zu verhindern), wurden die israelischen Vorbehalte nicht in den Textkörper aufgenommen, sondern vielmehr von der Regierung öffentlich als Vorbehalte anerkannt, die „substantieller Aufmerksamkeit“ bedürften. Die Regierung versicherte weiter, sie „teile Israels Sicht“, dass die Vorbehalte „beachtenswert“ seien, und werde sie bei der Anwendung der Road Map „voll und ernsthaft in Erwägung ziehen“ (Kommunique des Weißen Hauses, 23. Mai 2003).

Das Ergebnis als solches bestand darin, dass die israelische Verpflichtung zum Einfrieren der Siedlungen in der Road Map, die während dieser Diskussion erreicht wurde, die Bautätigkeit in und Entwicklung von Siedlungen innerhalb der „Baulinien“ ermöglichte. Dementsprechend akzeptierte die israelische Regierung zwei Tage später (25. Mai 2003) die Version der Road Map, die Israels Vorbehalte beinhaltete.

Das Ziehen der bestehenden Baulinie – das Gebiet, in dem die Bautätigkeit erlaubt ist – traf auf technische Schwierigkeiten. Es wurde daher beschlossen, ein gemeinsames amerikanisch-israelisches Team zu bilden, das die Baulinie um jede der bestehenden Siedlungen prüfen, markieren und abzeichnen würde. Das Team wurde jedoch nie gebildet, wenngleich auch nicht wegen irgendeiner fundamentalen Meinungsverschiedenheit.

Am 13. April 2004, am Tag vor Präsident Bushs Brief an Ministerpräsident Sharon, prüften Vertreter der israelischen und der amerikanischen Regierung alle israelischen „Verpflichtungen gemäß der Road Map“, die noch – teilweise oder vollständig – erfüllt werden mussten. All sie wurden in einen Brief aufgenommen, den ich in vollem Einverständnis und im Namen von Ministerpräsident Sharon schrieb und an die nationale Sicherheitsberaterin Rice schickte. Neben anderem stand in dem Brief: „Im Rahmen der vereinbarten Prinzipien zur Siedlungsaktivität werden wir in Kürze eine Anstrengung unternehmen, um die Siedlungsbaulinie in Judäa und Samaria besser zu beschreiben.“

So bestand kein Zweifel, dass die US-Regierung am 14. April 2004 – dem Tag, da Präsident Bush seinen Brief an Ministerpräsident Sharon schickte – Israels Recht gemäß der Road Map auf die Entwicklung innerhalb der bestehenden Baulinien in den israelischen Siedlungen in Judäa, Samaria und Gaza anerkannte. Dieses Recht war selbstverständlich an die Erfüllung der anderen Prinzipien gebunden, die das oben erwähnte Einfrieren leiteten.

Amerika ist der Road Map verpflichtet, und es ist schwer glauben, dass der Friedensplan der US-Regierung davon abweichen wird. Präsident Bush bekräftigte, in seinem Brief vom 14. April 2004 erneut: „Die Vereinigten Staaten bleiben meiner Vision verpflichtet und werden sie so umsetzen, wie es in der Road Map festgelegt worden ist.“ Die USA verpflichteten sich nicht nur, das Aufkommen anderer Friedenspläne zu verhindern, sondern auch dazu, „alles in ihrer Macht stehende zu tun, um jeglichen Versuch jeglicher Partei, jeglichen anderen Plan einzuführen, zu verhindern“. Dies war nicht lediglich eine persönliche Meinung; der Brief des Präsidenten wurde von überwältigenden Mehrheiten in Abgeordnetenhaus und Senat abgesegnet. Dies Road Map wurde darüber hinaus vom UN-Sicherheitsrat in seiner Resolution 1511 adaptiert.

Warum auch immer, hat die israelische Regierung Zweifel an ihrer Absicht geweckt, die Road Map umzusetzen. So kann man die amerikanische Position verstehen, dass Israel, seit es seinen Verpflichtungen gemäß der Road Map abgeschworen hat, nicht länger die „Rechte“ gemäß der Road Map einfordern kann, um innerhalb der Baulinie zu bauen. Je schneller Israel seine Verpflichtung gegenüber der Road Map erneuert, desto schneller wird seine Meinungsverschiedenheit mit der US-Regierung beigelegt sein. Israel kann damit fortfahren, die Siedlungen, wie vereinbart, abzugrenzen und legitimerweise sein Recht verwirklichen, innerhalb ihrer Grenzen zu bauen.

Die erneute Bekräftigung von Israels Verpflichtungen gegenüber der Road Map ist nicht nur für die Siedlungsfrage wichtig, sondern auch für die Verhinderung des Aufkommens anderer Friedenspläne, die die Logik der Road Map unterminieren, namentlich in dem Punkt, dass vor einem Frieden die Sicherheit gewährleistet sein muss. Wenn die neue US-Regierung, Gott behüte, einen solchen Plan hegen würde, könnte Israel den gegenwärtigen Präsidenten daran erinnern, dass sein Vorgänger sich jüngst dazu verpflichtet hat, dies zu verhindern. Präsident würde gegen Präsident stehen, und die Welt müsste entscheiden, wer die größere Glaubwürdigkeit hat.

Dov Weisglass war ehemals Stabschef von Ministerpräsident Ariel Sharon.