Er überlebte unter dem Rock der Nonne

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Sechs Holocaustüberlebende und ein „Gerechter der Völker“, der Juden unter Einsatz seines Lebens gerettet hat, werden am Montag Nachmittag in der Jerusalemer Gedenkstätte Jad Vaschem dem Papst die Hand schütteln…

Von Ulrich W. Sahm, Jerusalem, 8. Mai 2009

Ruth Bondi ist 1923 in Prag geboren und lebt heute in Tel Aviv. Sie hatte gemäß des Titels ihres in Deutschland veröffentlichten Buches „Mehr Glück als Verstand“. Sie sagt: „Für mich war es kein einfacher Beschluss, der Einladung der Gedenkstätte Jad Vaschem zu folgen, an der Stelle von sechs Millionen Toten dem Papst die Hand zu schütteln.“ Da das Ereignis „für den Staat Israel und für die Gedenkstätte Jad Vaschem sehr wichtig“ sei, habe sie zugestimmt.

Gefragt nach dem sehr emotionalen Treffen und Gespräch des Papstes Johannes Paul II mit Überlebenden während seines Besuches in Jad Vaschem im Jahr 2000, sagte Bondi am Telefon: „Der damalige Papst war – wie soll ich das ausdrücken – den Menschen viel näher und zugewandt. Ich weiß noch nicht, ob ich dem Papst etwas sagen werde. Ich will erst einmal hören, was er während der Zeremonie sagt.“ Bondi war in Theresienstadt, Auschwitz und in Lagern bei Hamburg. Bei ihrer Befreiung in Bergen-Belsen 1945 wog sie nur noch 39 Kilo und litt an Typhus.

Dan Landsberg, 1939 in Warschau geboren, lebt heute in Haifa im Norden Israels. Er sagte: „Ich habe viele Schicksalsschläge hinter mir und so wollte es das Schicksal, dass ich ausgewählt wurde, den Papst zu treffen.“ Der Papst sei keine „normale Person, sondern steht an der Spitze einer ganzen Kirche“, meinte Landsberg. Am Donnerstag habe er die Einladung erhalten. „Ich werde mich anpassen und dann schauen, ob ich was sage.“

Jad Vaschem schreibt in einem vorbereiteten Lebenslauf über Landberg, wie der in einem polnischen Kloster versteckt wurde, während seine Mutter mit falschen Papieren den Holocaust überlebt habe. Dan war drei Jahre alt, als Nazis in das St. Elisabeth-Kloster kamen, um nach versteckten jüdischen Kindern zu suchen. Die Oberin, Mutter Getrude Marciniak, trug einen langen Rock. Den Dreijährigen zwischen ihren Beinen festhaltend, damit er nicht umstürze, ging sie in der Klosterküche auf und ab und erklärte den Soldaten „mit eisernen Nerven“, dass es keine versteckten Juden im Kloster gebe. Die Oberin wurde wegen dieser Tat posthum von Jad Vaschem als „Gerechte der Völker“ geehrt.

Am Telefon erzählte Landsberg, wie er überhaupt von dieser Geschichte erfahren habe, denn seine Mutter habe ihm von jener Zeit nichts erzählt. 1960, als er noch in Polen lebte, meldete sich eine Nonne aus dem Elisabethkloster. Sie fragte ihn, ob er die Geschichte seiner Rettung bestätigen könne. Landsberg wusste aber nichts und schickte die Nonne zu seiner Mutter. Die bestätigte die Geschichte.

Es stellte sich heraus, dass die Kommunisten in Polen das Kloster auflösen wollten. Als die Kommunisten jedoch erfuhren, wie die damals noch lebende Oberin den jüdischen Jungen gerettet hatte, ließen sie von ihrem Plan ab. Landsberg bat die Nonne, die Oberin zu treffen. Er fuhr zum Kloster und traf Oberin Gertrude, auf dem Sterbebett liegend. Sie erzählte Landsberg die Geschichte, „und ich hatte keinen Grund, ihr nicht zu glauben“.

„So wollte es das Schicksal, dass die Oberin erst mir das Leben rettete, und ich dann viele Jahre später das Kloster gerettet habe“, sagte Landberg und fügte ein polnisches Sprichwort an: „Der Soldat schießt, aber Gott trägt die Kugel ins Ziel.“ Und jetzt sei es wieder Schicksal, dass zufällig er ausgewählt worden sei, dem Papst die Hand zu schütteln.

© Ulrich W. Sahm / haGalil.com