Papst fliegt mit H1 ins Minenfeld

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Am Montag wird der Papst aus Jordanien kommend auf dem Ben Gurion Flughafen landen und 119 Knessetabgeordneten sowie der kompletten diplomatischen wie kirchlichen A-Riege die Hände schütteln. Dann fliegt er mit H1 (Helikopter Nr 1) ins nahöstliche Minenfeld zwischen Juden und Palästinensern, Moslems und Israelis…

Von Ulrich W. Sahm

Der Abgeordnete Michael Ben-Ari von der Nationalen Union hat seine Teilnahme abgesagt, weil er Proteste vorbereite: „Mit dem feierlichen Staatsempfang für Papst Benedikt XVI. kehrt man Millionen von Juden den Rücken, die im Schatten des Kreuzes von der Inquisition geschlachtet wurden.“ Immerhin weiß dieser Gegner des Papstbesuchs, dass Ratzinger einst der „Inquisition“ vorsaß. Ex-General Giora Eiland und ehemaliger Vorsitzender des nationalen Sicherheitsrates, wusste in giftigen Zeitungs- und Radiokommentaren sogar mehr, als der Papst. So sei der umstrittene „Holocaust-Papst“ Pius XII im vergangen August heilig gesprochen worden und kürzlich habe Benedikt XVI den Holocaustleuger-Bischof Williamson rehabilitiert und wieder ins Amt eingeführt. Beides ist falsch.

Noch sind diese Gegenstimmen exotische Ausnahmen. Das offizielle Israel, die Medien und professionellen Betreiber eines „interreligiösen Dialogs“ überschlagen sich im Bemühen, die Papstvisite zu einem Erfolg zu machen. „Mit zitternder Stimme werden Reporter aus aller Welt über jeden Schritt und jede Geste des Papstes berichten“ heißt es in einem Reklameclip des israelischen Rundfunks, der den Papst rund um die Uhr begleiten will.

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Israelische Soldaten koordinieren im lateinischen Patriarchat den Besuch

Der langjährige Vermittler zwischen Israel/Judentum und Vatikan, Rabbi David Rosen, erzählt aus dem Nähkästchen. Eines Morgens hört er im Radio, dass eine Vatikanbehörde beschlossen habe, den Holocaustleugner und Bischof Richard Williamson zu rehabilitieren. Verstört ruft Rosen den Kardinal Walter Kasper zuhause in Rom an. So kommt über Jerusalem auch dem Papst zu Ohren, dass der exkommunizierte Williamson wieder in den Schoss der Kirche aufgenommen werde. „Aus Minus mache Plus“, sagt der Rabbi voller Bewunderung. Der Papst habe für Ordnung gesorgt und in einem „sehr mutigen Brief“ den Fehler eingestanden. „Seitdem sind die Beziehungen mit den Juden herzlicher und besser als zuvor. Wir können hoffen, dass solche Pannen nicht wieder passieren“, schwärmt Rosen.

„Wir umarmen die christliche Welt“ sagt unbeholfen der 39 Jahre alte Tourismusminister Stas Misezhnikov. Er koordiniert den Papstbesuch und will Millionen Christen zu einem Besuch an den Heiligen Stätten locken. Vor dem Grab Jesu stehend fragt er den griechischen Popen Sedros: „Ist das das Grab Jesu?“ Nach einer kurzen Visite in dem „Edikül“ gesteht der Minister: „Ich war vor vielen Jahren schon einmal in der Grabeskirche. Wenn man eine Kirche betritt, weiß man halt nicht, was das alles bedeutet.“ Anstatt sich erst einmal im Stillen zu erkundigen, hatte er zu seiner Inspektionstour zu den Besuchsstätten des Papstes einen Tross von 50 Journalisten, einem Dutzend Berater und Sicherheitsleute im Gefolge. Vor der Grabeskirche fragt ein Polizist einen Leibwächter des Ministers: „Wieso begleiten den Minister mit dem unaussprechbaren Namen so viele Sicherheitsleute? Selbst die Tourguides würden den nicht wiedererkennen.“ Die zynischen Journalisten bezeichnen Benedikt XVI abgekürzt „Paparatzi“ oder nur als „B16“.

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Kustos Pierrebattista Pizzaballa im Gespräch mit dem isr. Tourismusminister (r.)

Weil Stas Misezhnikov erst seit drei Wochen im Amt ist, muss er bei Fragen passen, „weil ich mich noch nicht vertiefen konnte“. Das gilt auch für die Rückgabe an die Franziskaner des frisch renovierten, nach frischer Ölfarbe stinkenden Abendmahlssaals auf dem Zionsberg. Der von den Kreuzfahrern errichtete Saal mit muslimischer Gebetsnische gehörte 400 Jahre lang den Moslems und wird seit 60 Jahren vom Staat Israel als „Museum“ verwaltet. „Wir wünschen, dass der Papst Israel mit einem guten Gefühl verlässt“, sagt der Minister dem Tross.

Zwist gibt es auch auf der palästinensischen Seite. „Selbstverständlich ist das eine politische Reise und keine reine Pilgerfahrt, wie der Vatikan behauptet“, sagt unverfroren ein hoher Beamter im palästinensischen Tourismusministerium. Er meinte den Besuch im Flüchtlingslager El Aida in Bethlehem, wo es weder Christen noch Heilige Stätten gibt. Weil der enge Hof der UNO-Schule nur Raum für 300 Flüchtlinge von 5000 Lager-Bewohnern bietet, wollten die Palästinenser den Empfang auf einen freien Platz an der „Mauer“ verlegen. Ohne die Israelis zu fragen, begannen sie, dort einen „Pavillon“ zu bauen. Doch das Gelände steht unter israelischer Kontrolle, außerhalb des palästinensisch verwalteten „A-Gebiets“. Zudem ist es eine „militärische Sperrzone zum Abfangen von Terroristen“, wie ein Militärsprecher erklärte. Die Israelis drohten mit Abriss durch Bulldozer und verhängten einen richterlichen Baustopp. Darum kümmerten sich die Palästinenser nicht, „weil wir das Gebiet beanspruchen und die Israelis illegale Besatzer sind“. Der Botschafter des Vatikans, Nuntius Antonio Franco, tat bei einer Pressekonferenz so, als wüsste er von nichts und sagte: „Im Dezember haben wir abgesprochen, dass das Treffen im Schulhof stattfindet.“ Inzwischen sind die Palästinenser „eingeknickt“ und verzichten auf die Politshow an der Mauer.

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Wadie Abunassar zeigt Plakat

Bei der gleichen Gelegenheit sagte der Vatikanvertreter in einem einzigen Satz auch: „Der Papst wird das Flüchtlingslager El Baida besuchen und die Holocaustgedenkstätte Jad Vaschem, um den Opfern der Schoa Respekt zu erweisen.“ Mit nur geringem Gespür für diplomatische Feinheiten wurde klar, dass der Vatikan das Schicksal der palästinensischen Flüchtlinge mit dem Massenmord an 6 Millionen Juden gleichstellt. So setzt der deutsche Papst ein subtiles Zeichen, dass nur Palästinenser Opfer des Nahostkonflikts sind, nicht aber Israelis.

Neben politischen Fettnäpfen stehen auch theologische Fragwürdigkeiten bereit. Die Orte seiner Messen in Jerusalem und Nazareth seien aus „rein logistischen“ Gründen ausgewählt worden, behauptet Wadia Abunassar, Medienkoordinator des lateinischen Patriarchats. Doch im Neuen Testament steht, dass Jesus am „Berg des Absturzes“ bei Nazareth ermordet werden sollte, weil er an einem Sabbat seine Mitbeter in der Synagoge provoziert hatte. Selbst geübte Theologen verstehen nicht recht den Bericht bei Lukas 4. Wieso waren Jesu Worte so empörend, dass er zur Stadt hinausgetrieben wurde, um vom Berg herabgestürzt zu werden?

Um die Wucht der Glaubensgeschichte um das Jehoschafat-Tal in Jerusalem zu verstehen, muss man im Alten Testament nachschlagen. Der Papst hält seine Messe vor dem Absalom Grab. Absalom putschte gegen seinen Vater, König David, und ermordete seinen Bruder Amnon, weil der dessen Halbschwester Tamar vergewaltigte und sie dann nicht heiraten wollte. Absalom gilt bei Juden, Christen und Moslems als Erzverbrecher, weshalb sie Jahrhunderte lang sein Grab steinigten.

Laut Bibel wird Gott am Ende der Tage Jehoschafat-Tal die „Völker der Erde“ versammeln und sie „richten“, wegen dem, was sie „meinem Volk Israel und seinem Land“ angetan hätten. Ganz praktisch ist, dass das „Höllental“ (Gehenna) in der Nachbarschaft in das „Gott-wird-richten-Tal (Jeho-Schafat) mündet.

Gleichwohl will das israelische Tourismusministerium dort Reklamebanner aufhängen und allen Gläubigen weiße Basketball-Mützen verteilen mit der Aufschrift: „Israel liebt Dich“.

© Ulrich W. Sahm / haGalil.com