Der Papst in Jad Vaschem

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Der Papst betrat mit gesenktem Haupt das Zelt der Erinnerung in der Holocaust Gedenkstätte. In den Fußboden sind die Namen der schrecklichsten Vernichtungslager eingelassen. Das Protokoll ist strikt und steif. Kranzniederlegung und Entzünden der „ewigen Flamme“. Das gesungene Totengebet auf Hebräisch und Aramäisch, der Sprache Jesu und des Talmud. Ein Chor singt Psalmen…

Von Ulrich W. Sahm, Jerusalem, 11. Mai 2009

Nur in einem Punkt weicht das Protokoll von den stehenden Regeln ab. Allein bei den Päpsten wurde bisher eine Ausnahme gemacht: sie sind aufgefordert, eine Rede zu halten. Benedikt XVI sagte, was man von ihm erwartete. Der Holocaust dürfe nicht verleugnet oder minimalisiert werden. Die Opfer hätten ihr Leben verloren, aber nicht ihre Namen, sagte der. Diese seien eingegraben in die Herzen ihrer Angehörigen, der überlebenden Leidensgenossen und all jener, die sich gegen jede Wiederholung solcher Gräueltaten einsetzten. Zugleich seien die Namen «für immer verankert im Gedächtnis des Allmächtigen Gottes», sagte der Papst.

Offenbar kam es zu einer kleinen Panne. Der Papst beschrieb die „Halle der Namen“, wo die Namen aller Opfer gesammelt werden durch Zeugenblätter ihrer Angehörigen. Über drei Millionen Namen weiß man schon, viele werden für immer ausgelöscht sein. In Jad Vaschem bemerkte man erst kurz vor der Ankunft des Papstes den Fehler, doch offenbar hat niemand es ihm gesagt und so verlas er ahnungslos Dinge, die schon in Rom vorformuliert worden sind. Nachdem der Papst einigen Überlebenden die Hand geschüttelt hat, aber weit weniger emotional als sein Vorgänger Johannes Paul II, überreichte das Vorstandsmitglied von Jad Vaschem, Rabbi Israel Meir Lau, die Kopie eines Bildes des im Holocaust ermordeten Künstlers Felix Nussbaum.

Unmittelbar nach der Zeremonie veröffentlichte das israelische Fernsehen die Reaktion der Leitung von Jad Vaschem auf die Rede des Papstes. Die sei dem Reporter Jigal Ravid schon vor der Zeremonie zugesteckt worden, sowie der Redetext des Papstes vorlag. Jad Vaschem sei „empört und enttäuscht“. Zwar habe der Papst die Holocaustleugner verurteilt, aber sonst nur „sauber gewaschene“ Zitate aus der jüdischen wie christlichen Bibel verwendet. Es habe viele „schöne Worte“ von sich gegeben, „die gelegentlich sogar erregend waren“, wie etwas später Rabbi Lau im Fernsehen sagte. Der Papst habe aber „keinerlei persönliche Worte der Betroffenheit von sich gegeben“ Seinen vielleicht vorhandenen Schmerz habe er in glatte Floskeln verpackt.

Weiter monierte die Leitung von Jad Vaschem, wobei Direktor Avner Schalev und das Vorstandsmitglied Rabbiner Israel Lau gemeint sind, dass der Papst auf Englisch davon geredet habe, dass die Juden „getötet“ (killed) worden seien. Dabei sei das einzig richtig Wort dafür „Mord“. „Denn kein Jude ist da zufällig ums Leben gekommen oder gestorben“, wie Ravid erklärte. Zudem habe der Papst mit keinem Wort erwähnt, wer eigentlich den Holocaust durchgeführt habe.

Wenig später trat Rabbi Lau im Fernsehen auf und monierte persönlich all jene Auslassungen, die zuvor der Reporter im Namen von Jad Vaschem zitiert hatte.

© Ulrich W. Sahm / haGalil.com

6 Kommentare

  1. Tanja,
    so wie auf ihre eher lustige Reaktion geantwortet wurde, so ergeht es mir seit über 20 Jahren. Es ist leider so, die meisten Deutschen haben nichts begriffen. Als ich noch in Essen lebte, bin ich regelmäßig mit der jüdischen Gemeinde in die Synagoge. Für mich waren diese Gottesdienste  und Feste das schönste Erleben mit Menschen.
    Als  uns eine Freundin aus Israel besuchte, hatte ich am anderen Tag eine Kündigung meines Arbeitgeber. Die dummen Beschimpfungen kann ich hier garnicht alle erwähnen.  Nun wohne ich in Hessen und der Antisemitismus ist hier noch schlimmer und noch eine Spur dümmer.
    Diesen Papst sehe ich auch als einen Deutschen in Uniform und es funktioniert noch immer: „Seht her wer und was ich bin“, selbst in roten Schuhen und Hasenhauthut.
    Es ist leider so primitiv. Siehe Hanne Arendt  “ Die Banalität des Bösen“. Ich erweitere noch: Die Kultur ist auch von den Nazis ermordet worden, oder sie ist ausgewandert.

  2. Hallo Rita.
    Der Unterschied zwischen einem Weisen und einem Narren  beträgt mehrere Minuten (jüd. Weisheit). Also: GOJ aus dem hebr. „Volk“ und/oder „Nicht Jude“ . Ob Jude oder Nicht Jude (Goj), Mann oder Frau, reich oder arm – G-TTes Nähe ist von den Taten eines Menschen abhängig.  “ A Goj bleibt a Goj“ ist keine Beleidigung, sonder heißt -„Nicht Jude, bleibt nicht Jude“ und der Papst, als Nicht Jude, kann  unser Schmerz, S`chuß, Simche nicht  nachvollziehn.

    Ihr Text zeigt Ihre intellektuele Reife.  Slecha

  3. Obs stimmt oder nicht, sei mal dahingestellt. Wer kann das schon prüfen. Aber selbst wenn, dann sagen solche Chochmes nicht viel mehr aus, als dass ihr Opa wohl ein recht einfach gestrickter Rassist war und Sie sich offensichtlich nur wenig, oder garnicht weiter entwickelt haben. Auch wenn sich die Welt doch etwas verändert hat. Ihr Opa lebte vielleicht in deutlich primitiveren Zeiten. Welche Entschuldigung haben Sie.

  4. Lehre Worte,  Gleichgültigkeit, Unwissenheit. Er hat schon wieder vergessen seine Hausaufgaben zu machen und  schon wieder herrscht die Informationlosigkeit   im Vatikan. Nämlich Gleichgültigkeit. Mein Opa hat immer auf jiddisch gesagt: „A Goj bleibt a Goj“

  5. Zudem habe der Papst mit keinem Wort erwähnt, wer eigentlich den Holocaust durchgeführt habe.
    Genau das ist es leider in Bayern und in Deutschland:
    man hat so lange und so oft in der Presse, in der Schule, im Fernsehen aber auch aus Politikermunde verkündet bekommen und selbst auf Mahnmalen lesen müssen „Die Nazis warn’s“, dass nun nicht einmal der Papst weiß, dass es die Deutschen waren und nicht irgendwelche aliens from outer space, called ’nazis‘.
    Lügen haben eben kurze Beine.

  6. Die Reaktion des Papstes  im Yad Va Shem verwundert mich nicht. Gehörte er früher unter Kardinal Ratzinger zur Oberaufsicht der Glaubenskongegration der katholischen Kirche. Nie darf man vergessen, was einst unter dem Diktat der katholischen Päpste früher den Juden angetan wurde. Hatte man je in der katholischen Kirche aufrichtig darüber Busse getan? Und wo war die katholische Kirche, die eine solche Macht besass auch während der Shoah, wo war ihre Stimme? Wer will Jerusalem für alle Religionen gleichwertig schalten? Jerusalem gehört dem jüdischen Volk, es ist immer noch und wird es bleiben, die Stadt Davids!

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