Außenposten und Zentrifugen

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Wer den Iran nicht versteht, versteht den Nahen Osten nicht. Wenn der Iran zur Atommacht wird, werden auch Ägypten und Saudi-Arabien dies tun, und das nahöstliche Gefüge wird in sich ein multipolares nukleares Gefüge verwandeln. Wenn der Iran zur Atommacht wird, werden die Schiiten stärker und die Sunniten schwächer werden, und der religiöse Radikalismus wird jedes gemäßigte Regime in der Region bedrohen…

Von Ari Shavit, Haaretz v. 21.05.09

Wenn der Iran zur Atommacht wird, steht der Region die handfeste Gefahr atomaren Terrors bevor. Wenn der Iran zur Atommacht wird, wird die Hamas erstarken und die Fatah zerbrechen. Wenn der Iran zur Atommacht wird, wird dies das Ende der Zwei-Staaten-Lösung sein.

Zum Glück versteht Barack Obama den Iran in hohem Grad. Binyamin Netanyahu und Ehud Barak verstehen den Iran ganz ausgezeichnet. Angela Merkel versteht den Iran, und Nicolas Sarkozy versteht den Iran, und selbst Gordon Brown. Am besten verstehen den Iran Hosni Mubarak, König Abdallah und die gemäßigten arabischen Herrscher in Saudi Arabien und den Emiraten am Golf. Nur in Israel versteht noch nicht jeder den Iran, und Gutwillige von der Linken und der Rechten rezitieren weiter ihre veralteten Mantras.

Beginnen wir mit der Linken. Es stimmt: Nur eine Lösung von zwei Staaten für zwei Völker wird eines Tages zum israelisch-palästinensischen Frieden führen. Es stimmt: Die Räumung von Siedlungen ist eine notwendige Bedingung für den Frieden. Es stimmt: Ein Dialog mit allen arabischen Staaten würde dem Frieden einen angemessenen Rahmen geben und womöglich auch zu einem regionalen Frieden führen. Aber all diese Elemente können für sich genommen keine einzige Zentrifuge in Natanz anhalten.

Gespräche über Frieden und selbst die Schaffung von Frieden werden die Ayatollahs nicht aufhalten. Und wenn die Ayatollahs nicht im kommenden Jahr aufgehalten werden, wird der Friedensdialog seine Bedeutung verlieren, wird jegliches – zukünftige oder bestehende – Friedensabkommen inhaltsleer sein. Wer den Frieden sucht, muss eine Antwort für den Iran finden. Das Spiel ist in der neunzigsten Minute. Es ist Zeit, dass die Strauße ihre Köpfe aus dem Sand ziehen.

Wie schon in der Vergangenheit liegt die Rechte auch gegenwärtig noch falscher als die Linke. Der Siedlungsbetrieb der Rechten war von Anfang an ein törichter Betrieb. Aber im Jahr 2009 wird nur ein Blinder glauben, dass die Sicherheit Israels von irgendwelchen vereinzelten Siedlungen abhängt. Nur jemand, dem jegliches politisches Verständnis abgeht, wird glauben, dass die Zukunft Israels von illegalen Außenposten in Judäa abhängt oder vom natürlichen Wachstum der Siedler in Samaria. Die israelische Rechte rühmt sich damit, nicht nur religiös und ideologisch zu sein, sondern auch nüchtern und realistisch. Ein politisches Lager jedoch, das darauf beharrt, nichts im Westjordanland zu opfern, erhöht die strategische Bedrohung an der östlichen Front. Im Moment der Wahrheit gefährdet der Anachronismus der Rechten die Existenz Israels.

Um den Iran zu stoppen bedarf es eines dreistufigen Friedensplans. Im ersten Schritt müssen sich die gemäßigten Araber und Israelis um eine gemeinsame Vision und vertrauensbildende Maßnahmen herum vereinen. Im zweiten Schritt muss man dem Iran begegnen. Im dritten Schritt muss man versuchen, die Friedensvision durch kühne, aber realistische Taten zu verwirklichen. Und um eine solche umfassende Initiative zu fördern, muss Israel sich von den veralteten Vorstellungen von Rechts und Links freimachen.

Einerseits muss es verstehen, dass es im Schatten eines atomaren Iran keinen Frieden geben wird. Andererseits muss es verstehen, dass ohne eine Verpflichtung gegenüber dem Frieden und ohne Bewegung in Richtung des Friedens der Iran ohne Zweifel zur Atommacht werden wird.

Es ist keine Zeit zu verlieren. Die Regierung Netanyahu muss der Rede Obamas in Kairo zuvorkommen. Sie muss umgehend eine Friedensvision präsentieren, die sowohl inspirierend als auch realistisch ist. Die Räumung der Außenposten und der Stopp des Siedlungsbaus müssen Teil dieser Vision sein. Im Zentrum muss jedoch ein Vorschlag für ein israelisch-arabisches Bündnis zum Aufbau Palästinas stehen.

Die Emirate am Golf können die Entwicklung des Westjordanlands auf sich nehmen. Saudi-Arabien kann Gaza einen Horizont der Hoffnung bieten. Die Ägypter und die Jordanier können dem Prozess die erforderliche Verpackung der sicherheitspolitischen Verantwortung geben. So könnte eine Koalition der Gemäßigten gemeinsam im Nahen Osten agieren, um die Realität vor Ort zu verändern. So könnten die verantwortlichen Mächte in der internationalen Arena den notwendigen strategischen Hintergrund schaffen für ein entschiedenes Vorgehen gegen den Iran.

Nach seiner Rückkehr aus Washington muss Netanyahu verstehen, dass es entweder jetzt oder nie passiert. Die Linke nervt vielleicht, aber die Rechte fesselt. Damit Israel mit dem umgehen kann, was vor ihm steht, muss es zur Tat schreiten. Es muss eine israelische Initiative entwickeln. Und um eine israelische Initiative entwickeln zu können, muss sich Netanyahu endlich aus der mondsüchtigen Umklammerung der Rechten lösen.