Voigt bleibt Chef bei Krawall-Parteitag

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Mit ihrem außerordentlichen Parteitag hat die NPD sich weiter in radikale und neonazistische Positionen eingebunkert. Der bürgerlich auftretende Parteiflügel spielt in den Parteigremien keine Rolle mehr. Der alte Parteichef Udo Voigt konnte sich gegen den Herausforderer Udo Pastörs überraschend deutlich behaupten. In seinem Schlusswort setzte der im Amt bestätigte Voigt auf Neonazi-Parolen…

redok v. 05.04.2009

Erst am Freitag hatte die NPD sich gerichtlich den Tagungssaal im Berliner Bezirks-Rathaus Reinickendorf erstritten. Ebenfalls am Freitag hatte das Verwaltungsgericht Berlin der NPD grundsätzlich einen Anspruch auf die Auszahlung eines Abschlagsbetrages von 300.000 Euro aus der staatlichen Parteienfinanzierung zuerkannt. Doch um das dringend benötigte Geld auch wirklich zu bekommen, hätte die NPD eine Sicherheitsleistung stellen müssen, die sie jedoch nicht erbringen kann.

Damit musste Udo Voigt den Parteitags-Delegierten gestehen: „Die jüngste Krise trifft uns sehr hart. Gerade im Superwahlkampfjahr hätten wir das Geld bitter nötig gehabt.“ Von der leidigen Finanzlage kam Voigt jedoch schnell zum wichtigsten Thema des Parteitages: Durch die Wahl seines Konkurrenten Udo Pastörs zum neuen Parteichef wäre er entmachtet und diejenigen Funktionäre gestärkt worden, die statt radikaler und neonazistischer Parolen lieber auf bürgerliche Erscheinung setzen.

Die Parteitags-Tagesordnung sah die Wahl zum Parteichef erst gegen Ende des Kongresses vor, nachdem eine Reihe verschiedener Funktionäre wie auch der Vorsitzende ihre Rechenschaftsberichte vorgetragen hätten. Parteichef Udo Voigt hätte zur Eröffnung des Parteitags eigentlich nur ein Grußwort vortragen sollen, doch er verlor keine Zeit und agitierte schon in seiner Eröffnungsansprache massiv gegen die innerparteilichen Gegner.

Die konkurrierende Kandidatur sei Ergebnis einer „Intrige“, für die vor allem Generalsekretär Peter Marx verantwortlich sei. Damit brachte Voigt den Saal zum Kochen: heftige „Pfui“-Rufe der Delegierten straften den offenbar als Sündenbock auserkorenen Marx ab und ließen für einigermaßen zivile Umgangsformen keinen Raum mehr. Selbst nach Einschätzung von Insidern wurde die Debatte auf „unterstem Niveau“ geführt, berichteten Beobachter. Einer der prominenten Unterstützer des Voigt-Konkurrenten, der sächsische Fraktionsvorsitzende Holger Apfel, verbat sich brüllend die „Unverschämtheiten“ des Parteichefs.

Bei den Beratungen wurden die Öffentlichkeit und insbesondere die Presse ausgeschlossen. Der NPD-Funktionär David Petereit aus Mecklenburg-Vorpommern begründete den Rauswurf der Medienvertreter: „Es befindet sich hier ein Haufen Geschmeiß im Raum“. Offenbar wollte die NPD unter sich bleiben, denn nun wurde jede Menge schmutziger Wäsche gewaschen und Zerstörung der innerparteilichen Gegner durch Diffamierungen praktiziert.

Bloß keinen Blick zum Konkurrenten riskieren: Udo Voigt und Udo Pastörs beim NPD-Bundesparteitag in Berlin. Foto: © Marek Peters (lizenziert für redok)

Voigt wurde vorgeworfen, sich selbst aus der Parteikasse ohne entsprechenden Vorstandsbeschluss ein privates Darlehen genehmigt zu haben. Einer Sekretärin habe er mit unlauteren Methoden zu Geld aus der Parteikasse verholfen. Der Konkurrent Pastörs musste sich Vorwürfe über „Tätigkeiten“ anhören, die er nicht „substantiell entkräftete“, so ein Parteitags-Teilnehmer.

Überraschend schnell wurde schon am Samstagabend über den Parteivorsitz abgestimmt. Überraschend klar fiel der Sieg von Udo Voigt aus: Von insgesamt 218 Delegiertenstimmen bekam er 136, für den Konkurrenten Pastörs stimmten nur 72.Vor dem Parteitag war gemunkelt worden, dass im Falle eines Voigt-Sieges der unterlegene Kandidat Pastörs mit seinen mecklenburg-vorpommerschen „Kameraden“ einen Eklat produzieren und den Parteitag verlassen wolle. Dazu kam es nicht, doch offensichtlich nahmen im weiteren Verlauf des Parteitags immer weniger Delegierte an den Abstimmungen teil.

Bei der Wahl der drei stellvertretenden Parteivorsitzenden traten jedoch keine Kandidaten mehr an, die in Opposition zu Voigt standen. So konnte der soeben im Amt bestätigte Voigt seine Kandidaten glatt durchbringen: gewählt wurden Karl Richter (166 Stimmen), Frank Schwerdt (137) und Jürgen Rieger (111).

Auch bei den weiteren Vorstands-Beisitzern tauchten keine Voigt-Opponenten mehr auf. Nicht mehr im Parteivorstand sind die beiden Fraktionsvorsitzenden Udo Pastörs (Mecklenburg-Vorpommern) und Holger Apfel (Sachsen). Ebenfalls aus dem Führungsgremium ausgeschieden sind der bisherige Generalsekretär Peter Marx und der bisherige stellvertretende Parteivorsitzende Sascha Roßmüller (Bayern). Die Beisitzer wurden im ersten Wahlgang von nur noch 162 delegierten bestimmt, im zweiten Wahlgang wurden gar nur noch 117 Stimmen abgegeben, also nur noch wenig mehr als der Hälfte der Delegierten.

Gewählt wurden somit: Jens Pühse (129), Klaus Beier (120), Jörg Hähnel (109), Ulrich Pätzold (108), Eckart Bräuniger (107), Thorsten Heise (101), Uwe Schäfer (99), Claus Cremer (92), Frank Rohleder (91), Thomas Wulff (91), Ulrich Eigenfeld (88), Wolfgang Schimmel (85), Andreas Thierry (90), Uwe Meenen (84).

Während des Parteitages präsentierte die NPD auch den gemeinsam mit der DVU aufgestellten Kandidaten für die Wahl des Bundespräsidenten. Noch vor kurzem sollte ein Mann für die Parteien antreten, der auch außerhalb der organisierten extremen Rechten eine gewisse Wirkung zeigen könnte. Doch der vorgesehene Kandidat Bernd Rabehl, in den 1960er-Jahren ein Funktionär des Sozialistischen Deutschen Studentenbundes (SDS), hatte in letzter Stunde einen Rückzieher gemacht. Offenbar blieb den beiden Rechtsparteien nun nicht mehr viel Auswahl, denn nun muss der Neonazi-Barde Frank Rennicke antreten.

In seinem Schlusswort machte Udo Voigt deutlich, wohin der weitere Weg der NPD gehen soll. Hatte der Parteitag insgesamt noch unter dem verhältnismäßig neutralen Motto gestanden „Deutschlands starke Rechte“, so griff Voigt zum Abschluss tief in die braune Kiste und gab den verbliebenen Delegierten eine eindeutig neonazistische Losung mit auf den Weg: „Nationaler Sozialismus ist machbar!“

Wie sehr allerdings die Zukunft der NPD selbst machbar ist, bleibt zunächst offen. In den Führungsgremien der Partei sind fast nur noch Vertreter radikaler Tendenzen versammelt, die Voigts Rolle nicht gefährlich werden dürften. Die Parteiführung kann so auch mit radikalen Fußtruppen kalkulieren, auf absehbare Zeit jedoch nicht mit nennenswerten Finanzen, wenn nicht wieder der als Chef-Stellvertreter bestätigte Jürgen Rieger mit sechsstelligen Krediten einspringt.

Über eigene Finanzierungen verfügen dagegen die beiden Landtagsfraktionen, die personell nicht mehr in den Spitzen-Parteigremien vertreten sind. Schon vor Wochen hatte sich der kurzzeitig als Vorsitzenden-Kandidat angetretene Andreas Molau in Richtung der DVU bewegt; im Zusammenhang damit wurde über eine neue Rechtspartei gemunkelt, zu der die DVU und die nun in der NPD weitgehend entmachteten „bürgerlichen“ Funktionäre gehören könnten. Möglicherweise steht der wieder von Udo Voigt geführten NPD in absehbarer Zeit eine Spaltung bevor.

© redok