Keine Instrumentalisierung von Antirassismus!

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Eine Erklärung zur Durban-Nachfolgekonferenz am 20. -24. April 2009…

Uns ist der grenzüberschreitende Kampf gegen Rassismus, Antisemitismus und andere Formen der Menschenfeindlichkeit ein besonders wichtiges Anliegen. Allzu oft werden diese Ressentiments in unseren Gesellschaften ignoriert und kleingeredet. Daher halten wir es für besonders wichtig, sie immer wieder klar zu benennen und diese konsequent zu bekämpfen.

Angesichts der globalen Verbreitung rassistischer Unterdrückung und Diskriminierung sehen wir
auch internationale Organisationen in der Pflicht. Die Vereinten Nationen, als geistige Heimat der Menschenrechtserklärung und der Antirassismuskonvention, bieten dafür ein zentrales Forum. Aus diesem Grund begrüßen wir ausdrücklich die bisherigen Bemühungen des Auswärtigen Amtes und der Europäischen Union, das anvisierte Nachfolgetreffen zur UN-Antirassismuskonferenz von Durban in 2001 zu retten und wie geplant vom 20. bis zum 24. April 2008 in Genf stattfinden zu lassen. Nunmehr müssen wir feststellen, dass diese Konferenz nicht mehr zu retten ist.

Schon die Ursprungskonferenz in Durban fügte der Sache der Rassismusbekämpfung einen unermesslichen Schaden zu. Statt reale Probleme der Diskriminierung und Unterdrückung zu thematisieren, wurde das Treffen zum Tribunal gegen Israel und den Westen. Dies führte unter
anderem dazu, dass fortschrittliche Aspekte der Durban Abschlusserklärung wie die Anerkennung des Sklavenhandels als „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ oder die Bestimmung einiger wichtigen Definitionen, etwa die der „Rassismusopfer“, untergingen.

Auch im Vorfeld der kommenden Konferenz findet eine massive Instrumentalisierung des
Rassismusvorwurfs zu antiwestlichen, antidemokratischen und antisemitischen Zwecken statt.
So wird Sklavenhandel nur noch als transatlantischer Sklavenhandel verurteilt, was einer Leugnung sämtlicher anderen Formen von Sklavenhandel – insbesondere des arabischen – gleichkommt. Hier zeigt sich eine inakzeptable Geschichtsklitterung und eine einseitige Instrumentalisierung des Themas.

Besondere Sorge bereitet uns der Umstand, dass ein zentrales Anliegen des Vorbereitungskomitees scheinbar darin besteht, eine Dämonisierung des jüdischen Staates zu fördern. So wird Israel im Kontext des Nahostkonflikts als einziger Staat namentlich erwähnt und als rassistisch gebrandmarkt. Dies obwohl der Nahostkonflikt keinen rassistischen Konflikt darstellt. Mit der Erwähnung des Nahostkonflikts wird suggeriert, dass der israelische Staat rassistisch handele. Wer die Lage in Israel kennt, weiß, dass der Alltag in diesem Staat nicht frei von Diskriminierungspraxen und segregativen Tendenzen ist. Dies kann aber auch in Bezug auf die meisten Staaten der Welt festgestellt werden, dazu gehört auch Deutschland. Diese Probleme müssen im geeigneten Kontext und mit realistischer Einschätzung ihrer wahren Ausmaße thematisiert werden. Die Antirassismuserklärung auf den Nahostkonflikt zu fokussieren, diesen Konflikt als einzigen im Rahmen der Antirassismusdiskussion zu erwähnen, ist ein wiederholter Versuch, durch die Hintertür der Antirassismuskonferenz Zionismus mit Rassismus gleichzusetzen.

Ausgehend von diesen Überlegungen stellen wir fest, dass jede einzelne Erwähnung des Konflikts im Dokumentenentwurf das Ziel der Rassismusbekämpfung instrumentalisieren, pervertieren und schließlich aushöhlen würde. Eine Erklärung mit diesem Bezug zum Nahostkonflikt ist untragbar.

Eine weitere Instrumentalisierung zeigt sich auch darin, dass versucht wird, Religionskritik als
rassistisch zu brandmarken und damit zu kriminalisieren. Insbesondere soll damit eine kritische
Auseinandersetzung mit dem Islam verhindert werden. Als Anhängerinnen und Anhänger
progressiver Diskurse sind wir von der Wichtigkeit überzeugt, Religionen aufgeklärt und kritisch zu begegnen. Daher ist es für uns selbstverständlich, alle Bemühungen zurückzuweisen, die eine solche Kritik verbieten oder einschränken möchte. Wir sind uns dabei einer verbreiteten
Feindseligkeit gegen Muslime bewusst, die sich oft rassistischer Zuschreibungen bedient. Daher
kritisieren wir alle Formen der Diskriminierung, insbesondere das sogenannte „Profiling“, welches
staatliche Gefahrenabwehrmaßnahmen an bestimmte religiöse und kulturelle Zugehörigkeit von
Menschen knüpft. Eine aufgeklärte Kritik an allen Religionen muss aber weiterhin möglich sein.

Eine Antirassismuskonferenz der UNO wäre eine wichtige Chance gewesen, dem global verbreiteten Rassismus entgegen zu treten. Wir sind jedoch davon überzeugt, dass durch die
Sabotage seitens einiger antidemokratischer Regimes, die sich im Vorbereitungsgremium der
Konferenz zusammengefunden haben, diese Chance zum wiederholten Mal vertan wurde. Wir
wollen eine Erhaltung und Vertiefung des Antirassismusdiskurses. Diese kann man diesmal nur
durch einen Rückzug erreichen. Mit großem Bedauern rufen wir die Bundesregierung auf, von der geplanten Konferenz Abstand zu nehmen.

AutorInnen und UnterzeichnerInnen:

Alexander Hasgall (Historiker und Publizist)
Sergey Lagodinsky (Sprecher, AK Jüdischer Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten)
Sebastian Brux (ehem. Mitglied des Bundesvorstandes, Grüne Jugend)
Claudia Husch (Jusos Neukölln)
Yordanos Tecklemikael
Fabian Weissbarth (stv. Landesvorsitzender Jusos Berlin)
Benjamin-Christopher Krüger (Bundessprecher, BAK Shalom der linksjugend [’solid])
Reinhard Bütikofer (Spitzenkandidat für die Europawahl der Bündnis 90/DIE GRÜNEN)
Peter Feldmann (Sprecher, AK Jüdischer Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten)
Kathrin Henneberger (Sprecherin GRÜNE JUGEND Bundesverband)
Julia Löffler (Politische Geschäftsführerin GRÜNE JUGEND Bundesverband)
Max Löffler (Sprecher GRÜNE JUGEND Bundesverband)
Anne Knauf (Landesvorsitzende Jusos Berlin)
Aziz Bozkurt (stv. Landesvorsitzender Jusos Berlin)
Kevin Kühnert (stv. Landesvorsitzender Jusos Berlin)
Elisa Rabe (stv. Landesvorsitzende Jusos Berlin)
Daniela Schacht (stv. Landesvorsitzende Jusos Berlin)

Tragende Institutionen:

AK Jüdischer Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten
BAK Shalom der linksjugend [’solid]
Jusos Berlin