Wehrmachtsoffizier aus „Der Pianist“ geehrt

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„Mutter saß beim Frühstück und weinte. Sie sagte mir, dass Vater ihr von den schrecklichen Dingen in Polen erzählt hätte.“ Das war die letzte Erinnerung von Jorinde, 76 , an ihren Vater Wilm Hosenfeld. In Roman Polanskis Film „Der Pianist“ aus dem Jahr 2002 ist das jener Wehrmachtsoffizier, der dem Juden Wladyslaw Szpilman in Warschau das Leben rettete…

Von Ulrich W. Sahm, Jerusalem, 16. Februar 2009

Der Hauptmann der Reserve der deutschen Wehrmacht, Wilhelm „Wilm“ Hosenfeld, (1895 – 1952), wurde jetzt posthum von der Jerusalemer Holocaustgedenkbehörde Jad Vaschem zum „Gerechten der Völker“ ernannt. Das ist die höchste Ehrung, die das jüdische Volk Nichtjuden erteilt, wenn sie unter Einsatz ihres Lebens Juden gerettet haben.

Helmut, der 88 Jahre Sohn Hosenfelds, hat seinen Vater das letzte Mal 1944 in Warschau gesehen. „Er erzählte mir von fürchterlichen Erlebnissen. Von da an war meine Einstellung zu den Nazis ganz anders. Das hat mich geprägt.“

Der polnische Jude Leon Wurm hatte bezeugt, dass Hosenfeld ihn in seinem Sportzentrum beschäftigt hatte, nachdem es ihm gelungen war, aus dem Zug zum Vernichtungslager Treblinka zu fliehen.  W?adys?aw Szpilman hatte in seinen Tagebüchern festgehalten, wie Hosenfeld ihm im November 1944 geholfen habe, ein Versteck zu finden. Danach habe Hosenfeld dem “Pianisten” Szpilman Decken und Nahrungsmittel gebracht und ihn moralisch gestützt. Diese Tagebücher dienten dem Regisseur Polanski als Quelle für das Drehbuch seines Films.

Der Gedenkbehörde war Hosenfeld als Lebensretter von Juden auch schon vor dem Drehen des Films bekannt. Doch Hosenfeld konnte nicht geehrt werden, solange nicht geklärt war, ob er während des Aufstandes im Warschauer Ghetto 1944 Kriegsverbrechen begangen habe.

hosenfeldFoto: Wilm Hosenfeld in Thalau, 1944

Hosenfeld, ein überzeugter Katholik und Volksschullehrer, war kurz vor dem Krieg eingezogen worden. Während des Krieges diente er in Polen, ab 1940 in Warschau als Sport- und Kulturoffizier. Während des Aufstandes verhörte er Gefangene. Nach dem Krieg verhafteten ihn die Sowjets und verurteilten ihn zu einer lebenslänglichen Strafe. Er starb 1952 im sowjetischen Gefängnis. „Erst später erfuhren wir, dass unser Vater ein im Schuh eines Mitgefangenen einen Zettel mit Namen von Juden und Polen herausschmuggeln ließ mit dem Hinweis, dass sie ihm vielleicht helfen könnten“, erzählt die in München lebende Tochter Jorinde. Die Namens Wurms und Szpilmans, die Hauptfigur in Polanskis Film standen drauf.   Aber die Sowjets konnten sich nicht vorstellen, dass ein Wehrmachtsoffizier im Rang eines Hauptmanns nicht in Kriegsverbrechen verwickelt gewesen sein könnte.

Aus neu aufgetauchten Dokumenten, darunter Briefen Hosenfelds an seine Frau und Tagebüchern ging hervor, dass er die Judenpolitik der Nazis konsequent ablehnte, obgleich er 1933 der SA beigetreten war und sich 1935 der NS-Partei anschloss. Im Frühjahr 1941 las Hosenfeld „Mein Kampf“, und verstand, dass Hitler ausführte, was er angekündigt hatte.

Hosenfeld folgerte, dass Hitler die Juden vernichten werde. „Nach Hitler wird es in Europa keine Juden mehr geben,“ schrieb Hosenfeld in sein Tagebuch. Ein prägendes Element, so „Die Welt“ in einem Artikel über ihn, „war sein tief verwurzelter katholischer Glauben, der vor allem im Gefühl begründet war… Die Fähigkeit zum Mitleid hinderte ihn, zum hundertprozentigen Nationalsozialisten zu werden.“

Sehr spät kam Hosenfeld zu der Einsicht: „Die Gräuel hier im Osten … sind nur die geradlinige Fortsetzung dessen, was anfangs mit den politischen Gegnern in Deutschland geschah.“ Den Judenmord bezeichnet er als „untilgbare Schande“ und „unauslöschlichen Fluch“. Weiter schrieb er: „Wir verdienen keine Gnade, wir sind alle mitschuldig.“ Und: „Ich kann nicht verstehen, wie wir zu derartigen Verbrechen gegen schutzlose Zivilisten, gegen Juden, begehen konnten. Ich frage mich immer wieder, wie war das möglich?“

Den Nachkommen Hosenfelds soll im Juli im Rahmen einer Feier in der israelischen Botschaft in Berlin die Urkunde für den posthum geehrten Wehrmachtsoffizier überreicht werden.

Eine Sprecherin von Jad Vaschem sagte auf Anfrage, dass vor Hosenfeld der aus Wien stammende Wehrmachtsoffizier Anton Schmid wegen dem Retten von Juden im Ghetto von Vilna geehrt worden sei. 2004 wurde Major Karl Plagge zum Gerechten der Völker erklärt, nachdem er. ähnlich wie Oskar Schindler, Juden als Arbeitskräfte einstellte und vor Razzien der SS warnte

© Ulrich W. Sahm / haGalil.com

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