Die britische Linke ist israelfeindlicher denn je. Die wichtigsten Gruppierungen verbünden sich mit den Islamisten…
Von Eric Lee
Jungle World 3 vom 15. Januar 2009
Wenn die jüngsten Kämpfe in Gaza ein Test für die britische Linke waren, hat sie ihn nicht bestanden. Es kann kein Zweifel mehr daran bestehen, dass sie ihre moralische Orientierung verloren hat.
Mit den Palästinensern sympathisieren in Großbritannien, das historisch enge Beziehungen zur arabischen Welt hat, nicht nur Linke. Doch die Linke hat ihre eigenen besonderen Beziehungen zum Kampf der Palästinenser. Das mag in früheren Zeiten verständlich gewesen sein, als palästinensische terroristische Gruppen sich ihrer »marxistisch-leninistischen« Ideologie rühmten und Kämpferinnen wie die fotogene Leila Khaled ins Rampenlicht stellten.
Doch das ist lange her, und der palästinensische »Widerstand« in Gaza besteht aus Männern wie dem Hamas-Führer Nizar Rayan, der mit zwei seiner Frauen bei einem israelischen Luftangriff getötet wurde. Für Rayan und andere Islamisten sind linke Ideen jüdisches Teufelswerk, es ist schwer zu verstehen, was sozialistische und feministische Linke glauben, mit den religiösen Faschisten der Hamas gemeinsam zu haben. Doch die britische Linke solidarisiert sich unkritischer denn je mit den Palästinensern.
Die wichtigste Gruppierung der radikalen Linken, die Socialist Workers Party, spielt eine führende Rolle bei der Organisation antiisraelischer Demonstrationen im ganzen Land. Über die Stop the War Coalition ist sie mit den Islamisten verbündet. Die bislang größte Demonstration fand am 3. Januar auf dem Trafalgar Square statt, Zehntausende nahmen daran teil. Transparente mit der Aufschrift »Wir sind alle Hamas« fassen ihre Politik in einem Satz zusammen, deutlich wird die Sympathie auch, wenn Demonstran ten sich in einer Weise kleiden, die nur als Hamas-Chic bezeichnet werden kann.
Die gesamte britische Linke, vom Guardian bis zu den verrückten Extremisten, benutzt Metaphern aus dem Zweiten Weltkrieg, um das israelische Vorgehen in Gaza zu beschreiben. Der Begriff »Holocaust« wird regelmäßig gebraucht, wenn es um die Tötung von Zivilisten wie Kämpfern der Hamas geht. Es überrascht nicht, dass niemand in der radikalen Linken auf eine weit naheliegendere Analogie kam und den Qassam-Beschuss mit den Raketenangriffen der Nazis und der britischen Antwort verglich, was die israelische Reaktion recht harmlos erscheinen ließe.
Die Alliance for Workers Liberty (AWL), eine sehr kleine Gruppe, setzt sich seit langem für eine Zweistaatenlösung ein und erkennt das Existenzrecht Israels an. Doch sie hat noch immer mit der Empörung über den vor einigen Monaten erschienenen Artikel ihres Anführers zu kämpfen, der einen israelischen Militärschlag gegen den Iran zu befürworten schien, und hält sich zurück. Ihre Mitglieder beteiligen sich an den antiisraelischen Protesten, schüchtern verteilen sie Flugblätter, die einräumen, dass es weiterhin eine Zweistaatenlösung geben sollte. Doch über eine Beendigung der Raketenangriffe auf israelische Zivilisten sagen sie nichts. Ein Ende des Raketenbeschusses fordert offen die Socialist Party. Wie die AWL befürwortet sie eine Zweistaatenlösung und steht der Hamas relativ feindselig gegenüber. Doch auch sie beteiligt sich an Demonstrationen, auf denen die Hamas gefeiert wird.
Den größten Einfluss auf die linke Meinungsbildung hat die Tageszeitung Guardian, die jeder liest, Radikale wie Liberale. Sie veröffentlicht Farbfotos der Schlächterei in Gaza, begleitet von Editorials, Kommentaren und Briefen mit antiisraelischer Tendenz. Es gibt kaum Bemühungen um Ausgewogenheit. Der Hamas-Führer Khaled Meshal durfte gar einen Gastbeitrag verfassen. Der Guardian und andere britische Zeitungen sind besonders begeistert von jüdischen Autoren, die der Hamas freundlich gesonnen sind. So veröffentlichte die Times einen besonders schlechten Artikel des amerikanischen »Rabbis« und ehemaligen SDS-Mitglieds Michael Lerner, der meint, der Versuch Israels, sich zu verteidigen, »pervertiert die Botschaft der Liebe des Judentums zu einer Botschaft des Hasses und der Dominanz«.
Nach der Weihnachtspause schlossen sich auch die Gewerkschaften langsam der antiisraelischen Bewegung an, obwohl der Dachverband Trade Union Congress sich um Ausgewogenheit bemüht. Die Forderung, Israel zu boykottieren, wird immer häufiger erhoben. Die Gruppe, die ihr entgegentreten sollte – Trade Union Friends of Israel –, hat ihren Einsatz verschlafen. Elf Tage nach Beginn des Konflikts verschickte sie ihre erste Stellungnahme per E-Mail.
Vor allem die radikale Linke ist antiisraelisch. Die seit 1997 regierende Labour Party verhält sich moderat. Premierminister Gordon Brown fordert einen sofortigen Waffenstillstand, steht jedoch im Kreuzfeuer der antiisraelischen Kritik, weil er das Vorgehen des jüdischen Staates nicht eindeutig verurteilt.
Die proisraelische Linke kann sich derzeit nur online äußern. Zu den wichtigsten Orten einer sachlichen linken Debatte über den Konflikt wurden das sehr populäre Blog der Gruppe Harry’s Place und »Engage«, ein Blog, das sich vor allem gegen den Antisemitismus in den Gewerkschaften der Akademiker wendet. Proisraelische Linke in Großbritannien werden isoliert und bekämpft, sie wissen, dass die öffentliche Meinung im Land und besonders in der Linken antiisraelischer ist als jemals zuvor.