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Immer wiederkehrender Realitätsverlust

Das Berliner nationalbolschewistische Zentralorgan "Junge Welt" lässt John Pilger eine Jeremiade über die schrecklichen Lebensbedingungen im Gazastreifen vorbringen. [1] Über die Ursachen dieses Zustandes verlautbart dieser "preisgekrönte australische Journalist, Buchautor und Dokumentarfilmer": "Der Vorwand für die anhaltenden israelischen Terrorangriffe ist die Gefangennahme eines israelischen Soldaten, eines Mitgliedes einer illegalen Besatzung, durch den palästinensischen Widerstand"...

Von Karl Pfeifer

Also die Kassamraketen, die auf israelisches Gebiet fallen, sind nach seiner Logik Teil des Widerstands und wenn ein israelischer Soldat von israelischem Gebiet (also von innerhalb der Grünen Linie, die bei den Waffenstillstandsvereinbarungen 1949 gezogen wurde) entführt wird, dann kann daraus gefolgert werden, dass dies laut Pilger auch legitim sei, denn – so seine Logik – ganz Israel ist illegitim und gehört liquidiert, wie das die Hamas fordert.

Anstatt die Ursachen des Zustands zu beseitigen, also anstatt aufzuhören Kassamraketen abzuschießen, machen sie weiter damit, anstatt Israels Existenz anzuerkennen, erklären sie weiterhin, das niemals tun zu wollen. Um dann gleichzeitig über die Reaktion der von ihnen angegriffenen Nachbarn Krokodilstränen zu vergießen.

Wer das Verhalten Israels gerecht beurteilen will – Pilger und die Nationalbolschewisten wollen das natürlich nicht – der muss dieses mit dem Verhalten anderer Staaten in ähnlicher Lage vergleichen. Zum Beispiel mit dem Verhalten Russlands in Tschetschenien. Und da fällt auf, dass alle arabischen und muslimischen Länder eng befreundet sind, mit einem Land, das ganz anders gegen ihre muslimischen Brüder und Schwestern vorgeht wie Israel.

Pilger macht für die Tatsache, dass im Gazastreifen 1,4 Millionen Menschen leben Israel verantwortlich. Laut Meyers Universallexikon (Leipzig, 1979, Band 2, Seite 95) lebten zum damaligen Zeitpunkt im Gazastreifen 500.000 Einwohner. Für ein derartigen Bevölkerungszuwachs trägt Israel insofern eine Verantwortung, weil es die Gesundheitsfürsorge und die hygienischen Verhältnisse während der Besatzung bis Sommer 2005 wesentlich verbessert hatte.

Doch schauen wir die Ziffern der UNO an (Bericht über die menschliche Entwicklung 2005, UNDP, der sich noch auf alle besetzten Gebiete bezieht, Seite 207) und in der Zeit von 2000 bis 2003 „Gewaltige Rückschritte bei der menschlichen Entwicklung“ feststellt. Die Armutsrate vor September 2000 war 20,1% und stieg bis 2003 auf 55.1% während die Arbeitslosenrate im gleichen Zeitraum von10.0% auf 30.5% stieg. D.h. dafür sind diejenigen verantwortlich, die 2000 eine Terrorwelle (Intifada) gegen Israel ausgelöst haben.

Pilger beklagt sich, dass die Menschen, die die Verhältnisse beobachten, „sich in Schweigen hüllen“, um dann „ranghohe UN-Hilfsvertreter“ zu zitieren, die „im Herbst 2006 in Le Figaro“ über den Gazastreifen berichteten und dementiert damit seine eigene Aussage. Er erklärt das so: „Es war ein Versuch, das Schweigen in Europa zu brechen, dessen gehorsame Allianz mit den USA und Israel sich darum bemüht, die demokratischen Ergebnisse, mit denen Hamas bei den palästinensischen Wahlen vor einem Jahr an die Macht kam, rückgängig zu machen.“

Dann kommen die jüdisch-israelischen Kronzeugen an die Reihe „Der Historiker Ilan Pappe [2] dokumentierte, daß die genozidale Politik nicht aus einem Vakuum käme, sondern ein Teil der von Zionisten beabsichtigten historischen ethnischen Säuberung ist.“

Pilger behauptet: „Ein Genozid schwappt gerade über die Menschen im Gaza­streifen“. Genozid heißt Völkermord und bedeutet die Vernichtung nationaler, rassischer oder religiösen Gruppen“ und das steht im vollkommenen Gegensatz zu dem außerordentlichen Bevölkerungswachstum im Gazastreifen.

Weiter Pilger: „Amira Hass, die in Gaza gelebt hat, beschreibt dieses als Gefängnis, das zur Schande ihres eigenen Volkes gereicht. Sie erinnert sich, wie ihre Mutter Hannah im Sommer 1944 von einem Viehtransportzug zum Nazi-KZ in Bergen-Belsen laufen mußte. Diese sah, wie deutsche Frauen sich den Zug der Gefangenen anschauten, also, nur zuschauten«, schrieb sie. Dieses Bild hat sich mir sehr eingeprägt, dieses verächtliche »Danebenstehen« und »nur Zusehen«.“

Haben die Juden aus Bergen Belsen die Deutschen mit Raketen beschossen? Was sollen solche perversen Vergleiche? Sie tragen natürlich bei, zum Erfolg der Bücher und man wird gerne eingeladen, um zu bestätigen, was man in unseren Breitengraden so gerne hört, „die Juden sind nicht besser als unsere Ahnen, die schauen ja auch bloß zu“.

Man merkt die Absicht und ist verstimmt. Wir haben es mit Ideologietätern zu tun, die agitieren und wissen was sie tun, sie bestärken den sekundären Antisemitismus in Europa, der mit Täter-Opfer-Umkehr arbeitet und implizit und manchmal auch explizit die Juden Israels als Nazi brandmarkt.

Diese „Postzionisten“ stellen als Ursache hin, was wirklich nur Wirkung ist. In Europa appellieren sie an das Analogiedenken. So wie wir hier – mit Ausnahme des Jugoslawienkriegs und der Auseinandersetzungen im Kaukasus – seit Jahrzehnten in Frieden leben, so wäre das ja auch im Nahen Osten möglich, wenn nur nicht die bösen Israelis wären. Das ist die Ratio, laut Pappe und Hass.

So wie der Hass des Antisemiten auf die Juden doch einen Grund haben muss, so müsse doch der Hass der Palästinenser gegen Israel einen vernünftigen Grund haben, den man aus der Welt schaffen könnte. Doch diese nicht nur arabische, sondern auch islamische Feindseligkeit gegen Israel ist sowohl irrational als auch wohlkalkuliert. Wer diesen Hass gegen einen nichtarabischen nichtislamischen Staat in der Region verniedlicht, macht sich seine Sache leicht. Tatsächlich ist es ja gar nicht leicht und einfach, die Wirklichkeit des Nahen Ostens so zu sehen, wie sie ist.

Die Vorschläge, wie denn der Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern zu lösen sei, erinnern allzu sehr an die auch von gutwilligen Österreichern vor 1938 (und während der Waldheimkampagne von einer führenden österreichischen Journalistin) vorgebrachten Vorschlag wie der Antisemitismus zu bekämpfen sei, die Juden müssten aufhören, mit derartiger Energie in die akademischen Berufe zu drängen. Mit ähnlicher Logik fordern die Antizionisten, Israel müsste auf den palästinensischen Terror so reagieren, die Ursachen dessen zu beseitigen, d.h. nicht mehr sich mit Gewalt verteidigen, sondern sozusagen, die zweite Gesichtshälfte hinhalten und den Nachkommen der ca. 650000 bis 750000 palästinensischen Flüchtlingen, die schon in dritter oder vierter Generation außerhalb des Landes geboren wurden, die „Rückkehr“ ermöglichen.

Wir leben in einer Zeit, in der in Darfur (Sudan) Hunderttausende ermordet bzw. dem Hungertod preisgegeben werden und die Großmächte sich mit Spitzfindigkeiten weigern vom Genozid zu sprechen, darüber berichten die Medien sehr wenig, sind doch die Arbeitsbedingungen in Israel für Journalisten geradezu ideal, während man im Sudan sein Leben bzw. seine Gesundheit riskiert.
Darüber hingegen, wie Palästinenser mit anderen Palästinensern umgehen, hört man wenig bis nichts. Wer protestiert schon hier dagegen, dass die Todesstrafe in der PA noch immer durchgeführt wird und mehrere Dutzend auf ihre Hinrichtung warten?

Hat schon jemand hier gegen die ungesetzlichen Inhaftierungen und die Gewalt gegen Frauen in der PA demonstriert ? Regt sich jemand auf, wenn immer wieder in der PA – oft genug aus dem Ausland zur Hilfe herbeigeeilte – Menschen entführt werden?

Wen kümmert es, wenn während eines Jahres politische Flügelkämpfe, Familienfehden und das Begleichen alter Rechungen das Leben von mehr als 100 Palästinenser fordern sowie mehrer andere zur Zielscheibe von Anschlägen und Tötungen durch bewaffnete Gruppen werden, weil man sie der „Kollaboration“ mit israelischen Sicherheitsdiensten verdächtigte?

Gibt es eine moralische Entrüstung darüber, wenn vor kurzer Zeit drei Schulkinder in einem Taxi in Gaza ermordet wurden, nur weil ihr Vater bei den gegnerischen Sicherheitskräften angestellt ist?
Was also auffällt ist die Heftigkeit, mit der man von Israel ein Verhalten fordert, das sonst von niemand verlangt wird.

Der gegen Israel gerichtete Hass hat nicht nur neurotische Züge, er geht auch mit Realitätsverslust einher. Die Feindschaft der meisten arabischen Palästinenser richtet sich nicht nur gegen jegliche jüdische Souveränität, sondern überhaupt gegen die Anwesenheit einer jüdisch-israelischen Nation im Heiligen Land.

Dieser Hass und diese Unversöhnlichkeit einigen die sonst gründlich zerstrittenen arabischen Staaten und Gesellschaften, sie lenken vor allem von den internen arabischen Differenzen ab.
Die schlechte Lage im Gazastreifen folgt wegen der Haltung „alles oder nichts“ der Mehrheit der Palästinenser und der wahnwitzigen Versuche Israel auszulöschen sowie der völligen Unfähigkeit der palästinensischen Elite konstruktive Lösungen anzustreben.

Es ist natürlich einfacher Israel zu kritisieren, weil es nicht kapituliert und die Konzessionen, die der jüdische Staat bereits gemacht hat bzw. bereit ist für einen dauernden Frieden zu machen, zu übersehen.

1) http://www.jungewelt.de
2) "Neue Historiker" ersetzen Tatsachen durch Narrative

Category: Querfront
Posted 01/24/07 by: admin