„Wenn wir nicht bis Mitte Mai fertig werden, trinke ich sogar das verseuchte Jordanwasser“, sagt Leutnant Ofer in grüner Militäruniform mit lässig umgehängter M-16. Hinter ihm, in etwa zehn Metern Entfernung, stehen unbewaffnete jordanische Soldaten in schwarzbrauner Tarnuniform und beobachten amüsiert die Pressekonferenz auf der israelischen Seite der Taufstätte Jesu...
Von Ulrich W. Sahm, Jerusalem, 14. Dezember 2008
Zwischen den Jordaniern und Israelis liegen ganze Welten: der berühmteste Fluß der Welt, der zu einer ungenießbaren Kloake verkommen ist und die Staatsgrenze zwischen dem Königreich Jordanien und dem von Israel besetzten Westjordanland.
Gleichwohl ist die Stimmung idyllisch. Jordanische Privatinvestoren hätten 32 Millionen Euro gespendet, um deren traditionelle Taufstätte Jesu zu einer Touristenattraktion zu gestalten. Mit bescheidenen 1,6 Millionen Euro versuchen es die Israelis jetzt auf ihrer Seite nachzumachen. Beiderseits des Flüsschens, wo einst die Israeliten unter Josua nach dem Tod des Moses in das Land Kanaan eindrangen und wo Johannes der Täufer auf Jesus wartete, wurden hölzerne Tribünen errichtet. Pilger sollen bequem zum Jordan gelangen um ins Wasser einzutauchen, „aber möglichst nichts davon zu trinken“.
Auf der jordanischen Seite wurde vor etwa 6 Jahren eine stattliche Kirche mit vergoldetem Zwiebelturm im byzantinischen Stil errichtet. Auf der israelischen Seite warnen gelbe Schilder mit roten Dreiecken vor dem Betreten der zahlreichen Klöster, Kirchen und Gebetsnischen. Die ganze mit Stacheldrahtverhauen umzäunte Gegend ist voller ungeräumter Minen. Ende der sechziger Jahre war die Gegend noch ein Schlachtfeld. Palästinensische „Terroristen“ drangen von Jordanien in das frisch besetzte Westjordanland ein, nahmen Mönche als Geiseln und benutzten Klöster als Basis für Anschläge gegen Israel. König Hussein von Jordanien setzte dem Spuk im blutigen „schwarzen September“ 1970 ein Ende, als Jassir Arafat gegen ihn putschte und die königstreuen Truppen über zehntausend Palästinenser massakrierten.
Seitdem ist zwar nicht sehr viel Wasser durch den Jordan geflossen, weil Israel wie Jordanien seine Zuflüsse für Trinkwasser abpumpen. Dennoch haben beide Länder Frieden geschlossen. Ausgerechnet bei „Qasr el Jahud“, der „Judenfestung“, wie auf arabisch die Taufstelle heißt, ist die friedliche Wirklichkeit zu einer fassbaren Idylle geworden. „Wir haben deren Baupläne und die kennen unsere“, sagt Leutnant Ofer, während ein paar Touristen auf der jordanischen Seite interessiert seinen Ausführungen für Journalisten bei einer Pressefahrt des israelischen Tourismusministeriums folgen. Seit Jahren gab keine Zwischenfälle mehr, behauptet Ofer. Er erwähnt nur zwei „besoffene Bauarbeiter“, die ins Wasser sprangen und „nach Jordanien“ schwammen. „Die Jordanier haben sie uns sofort zurückgeschickt.“
Bisher war die Taufstätte auf der israelischen Seite nur zweimal im Jahr für Pilger geöffnet, im Oktober und am 18. Januar. Dann strömten etwa 90.000 Pilger, Russen, Griechen, Äthiopier und Lateiner zur Heiligen Stätte im militärischen Sperrgebiet. Unter Lebensgefahr rutschten sie im Schlamm zum Ufer des Jordans herab, um in Cola-Flaschen echtes „Jordanwasser“ zu schöpfen. Zwischen Stacheldraht, Minen und mit Maschinengewehren sorgten israelische Militärs für „Sicherheit“.
Das soll sich jetzt ändern, verspricht der Generaldirektor des Tourismusministeriums, Rafael Ben Hur. In ein paar Monaten soll die „drittheiligste Stätte des Christentums“ einer Zivilerwaltung übergeben werden. Ohne komplizierte Genehmigungsverfahren mit den Militärbehörden soll die Stätte jederzeit frei zugänglich werden. Leutnant Ofer spekuliert auf 600.000 Besucher im Jahr. „Die Jordanier verlangen zehn Dollar Eintritt zu ihrer Taufstätte, wir hingegen dürfen laut Gesetz keinen Eintritt für Heilige Stätten nehmen“, lockt Ben Hur, nachdem Ofer die geplanten Baum-Alleen, Umkleideräume und Busparkplätze auf seinem Bauplan erklärt hatte.
Offen bleibt die entscheidende theologische Frage: Wo hat nun wirklich Johannes den Jesus getauft? In Jordanien oder in Israel? Beide Länder existierten freilich vor 2000 Jahren noch nicht, aber heute buhlen sie um die Gunst, den Glauben und die Gelder der gutgläubigen christlichen Pilger. Trotz der geringen Breite des Jordans war es nicht möglich, die jordanische Ansicht einzuholen. Für die Israelis war die Antwort völlig klar. Mit der Bibel in der Hand „bewiesen“ sie ihre Version anhand von „diesseits“ und „jenseits“ im Neuen Testament, wobei unklar blieb, wo eigentlich der urchristliche Beobachter stand ... in Jordanien oder in Israel. Ben Hur lieferte dann in offizieller Funktion den „schlagenden Beweis“: Papst Johannes Paul II war doch hier im Millenniumsjahr 2000. Und der sagte auf der israelischen Seite, dass „dies die Stelle“ sei.

Qasr el Jahud, links Israel, rechts Jordanien
© Ulrich W. Sahm / haGalil.com