Mohammed Sbaih aus Palästina, Sprecher der Flüchtlinge aus Katzhütte, soll am Mittwoch, dem 21.05.2008 nach Jordanien deportiert werden, wo ihm, falls er finanziell nicht in der Lage ist, sich die Papiere für Einreise in das Westjordanland zu besorgen, Verhaftung droht. Der Grund dafür ist sein Engagement für die Verbesserung der Lebensbedingungen seiner Mitbewohner in einem Barackenlager, in welchem in Katzhütte Asylbewerber unter hygienisch unzumutbaren Bedingungen leben...
Von Michael Stade
Ich habe diesen Vorgang bewusst „Deportation“ genannt. Das Wort „Abschiebung“ welches die deutschen Behörden verwenden, soll den Vorgang, der damit verbunden wird, schönfärben. Unter Abschiebung versteht man „Rückführung in seine Heimat“ - freilich, man hilft ein wenig nach, aber wer wird sich am Ende nicht freuen, seine Heimat wiederzusehen? Das Wort „Abschiebung“ soll den Blick dafür verschleiern, dass Flüchtlinge deswegen ihre Heimat verlassen, weil dort Gewalt herrscht, weil Diktatur und Tyrannei dort das Leben bedrohen. Niemand verlässt freiwillig seine Heimat, wenn er flieht!
Abschub haben auch die Nazis ihre Deportationen genannt. Sie waren stets darauf bedacht, dass alles, was von ihrem Verbrecherstaat ausging, ja nicht mit negativ assoziierten Wörtern bezeichnet werden durfte. Dem Reichstatthalter von Thüringen und engen Vertrauten Hitlers, Fritz Sauckel, war auf seinen Reisen das Wort „Deportation“ im Zusammenhang mit der Aushebung von Zwangsarbeitern zu Ohren gekommen. In einer Rede machte er klar, dass wohl Engländer, Franzosen und Russen deportiert hätten, aber das deutsche Volk habe Deportation nie gekannt – „ich deportiere nicht, der Führer würde mich erschießen, wenn ich das täte“.
Das Schönreden verbrecherischer Handlungen war ein wichtiges Element bei der Steigerung der Brutalität staatlicher Maßnahmen. Der Mensch denkt nun einmal in Wörtern und unbewusst, wenn harte Wörter immer wieder als unangemessen bezeichnet und vermieden werden, dann entsteht auch das Gefühl, dass die Vorgänge ja so schlimm gar nicht sein können. Die Kriminalisierung harscher Kritik verfehlte ihre Wirkung nicht. Das Volk blieb ruhig, sah bei Verbrechen weg und unterstützte die Politik der Verbrecher-Clique bis zum „Endsieg“.
Kriminalisierung von Kritik ist eine bisher völlig unterschätzte Wurzel des Faschismus.
Mir selbst wurden diese Zusammenhänge klar, nachdem ich einen Strafbefehl über 1500 Euro erhalten hatte. Nach meinem Widerspruch warte ich zur Zeit in dieser Sache auf das Hauptverfahren. Ich hatte den Strafbefehl deswegen erhalten, weil ich in Briefen an das Landratsamt, in denen ich die Abschiebung einer albanischen Frau kritisiert hatte, welche unvorstellbare Angst hatte, in ihre Heimat zurückzukehren, weil dort ihr ehemaliger Mann nur darauf wartet, durch ihre Ermordung seine „Ehre“ wieder herzustellen. Dabei hatte ich das Wort „Deportation“ benutzt!
Ich erkläre an dieser Stelle ausdrücklich, dass ich hier die volle Verantwortung dafür übernehme, dass ich nun wiederum das Wort „Deportation“ benutze. Dieser Artikel erscheint hier nicht, weil die Herausgeber von haGalil ihn für gut befinden. Er erscheint auf meine nachdrückliche Bitte hin. Im Gegensatz zur Bundesregierung, die diesem, für eine Verständigung von jüdischen und nichtjüdischen Deutschen so wertvollen Magazin, jegliche Mittel aus dem Topf zur Bekämpfung von Rechtsextremismus und Antisemitismus verweigert, unterstütze ich mit meinen bescheidenen Mitteln haGalil.
Die Kriminalisierung von Kritik ist nach wie vor in Deutschland fest verwurzelt. Wehe es wagt jemand, staatliches Handeln mit Handlungsweisen aus dem Dritten Reich zu vergleichen. Die Anwendung der Lehren, die sich aus der Aufarbeitung der Nazi-Vergangenheit ziehen lassen, sind bei der Kritik staatlichen Handelns striktes Tabu – und jeder hält sich daran!
Beim Ausland ist man da nicht so penibel. Immerhin sind die USA eigentlich ein gut befreundetes Land. Aber Guantanamo darf wohl ein Foltergefängnis genannt werden. Wenn Leute auf ihrem T-Shirt ein Porträt von George W. Bush mit „Terrorist Nr. 1“ bezeichnen, kommt niemand auf die Idee, darin eine, die Persönlichkeitsrechte verletzende Schmähung zu sehen. Warum auch – einem Michael Moor den Mund zu verbieten kommt ja noch nicht einmal dem amerikanischen Präsidenten selbst in den Sinn. Im Englischen gibt es auch gar kein Wort für Abschiebung, jeder Übersetzer muss es mit „deportation“ übersetzen.
Deswegen werden in den amerikanischen Medien (wie übrigens auch in den Medien Israels) die Dinge beim Namen genannt. Und sie werden beim Namen weiter zitiert. Deswegen fallen dort Menschenrechtsverletzungen auch sofort auf. Das ist freilich alles andere als angenehm. Aber sowohl in den USA wie auch in Israel kommt es, sobald der Verdacht auf Menschenrechtsverletzungen ruchbar wird, zu breiten öffentlichen Protesten. So funktioniert Demokratie. Deswegen können dort zwar Menschenrechtsverletzungen vorkommen, aber sie werden dort nie solche Ausmaße annehmen, wie in Ländern, in denen Kritik kriminalisiert wird.
Wir werden eines Tages staunen, Menschenrechtsverletzungen welchen Grades zu Tage treten, gegen die fast nie jemand demonstriert hat, falls einmal ungeschminkt über das deutsche Asylsystem berichtet werden sollte. Dann werden wir wieder fest stellen, dass wir von alledem nie etwas gewusst haben!
Einzelheiten zu Katzhütte sind unter
http://thevoiceforum.org/ nachzulesen.