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Stef Wertheimer im antisemitischen Fadenkreuz

Der reichste Mann Israels, Stef Wertheimer, wurde Anfang März mit der Buber-Rosenzweig-Medaille ausgezeichnet. Mit fragwürdigen Argumenten verweigerte jedoch zunächst ein Internet-Auftritt der Bundeszentrale für politische Bildung, des Goethe-Instituts, des Instituts für Auslandsbeziehungen und der Deutschen Welle die Veröffentlichung eines Portraits dieses Mannes...

Von Ulrich W. Sahm, Jerusalem, 7. April 2008

Wertheimer kam 1926 im badischen Kippenheim zur Welt und floh 1936 mit seinen Eltern aus Nazideutschland nach Palästina. Wertheimers Vater hatte im ersten Weltkrieg bei der Schlacht vor Verdun ein Bein verloren. Ganz im amerikanischen Stil, wo Tellerwäscher zu Millionären werden, hat sich Wertheimer hochgearbeitet. Der junge Wertheimer diente in der „Palmach“, dem Vorläufer der israelischen Armee. Seinen Erfolg verdankt er dem Waffenembargo des französischen Präsidenten de Gaulle 1968. Er produzierte die nun fehlenden Ersatzteile für Flugzeuge im Wert von 1,2 Milliarden Euro, zehn Prozent der Industrieproduktion Israels. Inzwischen kaufte Amerikas reichster Mann, Warren Buffet, Wertheimers Fabriken für vier Milliarden Dollars.

Wertheimer fliegt Journalisten per Helikopter nach Galiläa ein zur Führung durch seine Werke und seinem Museum der Kultur der Jekkes, den deutschen Juden. Wertheimer ist ein Idealist. Sein Industriepark in Tefen, gespickt mit moderner Kunst und den höchsten Ansprüchen des Umweltschutzes angepasst, dient als Vorbild für eine Lösung der Konflikte im Nahen Osten. „Kunst ist für mich der Inbegriff der Kreativität. Bei einer erfolgreichen Industrie geht es vor Allem um Kreativität.“ Wertheimer exportierte sein Konzept eines „kapitalistischen Kibbuz“ in die Türkei und nach Jordanien. Auch Libanon und die palästinensischen Gebiete will er auf „Erfolgskurs“ bringen. Am 2. März ehrte der Koordinierungsrat der Gesellschaften für christlich-jüdische Zusammenarbeit den ungewöhnlichen Friedensaktivisten mit der Buber-Rosenzweig-Medaille.

Diese Ehrung erhielten seit 1968 Joschka Fischer, Johannes Rau, Hans Koschnick, Richard von Weizsäcker, Hildegard Hamm-Brücher, Annemarie Renger, und Friedrich Dürrenmatt sowie jüdische Persönlichkeiten wie Jehudi Menuhin und Daniel Barenboim.

Der in Berlin lebende israelische Journalist Jigal Avidan wollte für Qantara.de, dem gemeinschaftlichen Internet-Auftritt der oben genannten Bundesdeutschen Institutionen veröffentlichen. Vom zuständigen Redakteur Lewis Gropp erhielt er eine Absage: „weil es ein jüdischer Preis ist, der an einen jüdischen Israeli vergeben wurde, der sich offen zum Zionismus bekennt, aber für sein Engagement für israelische Palästinenser ausgezeichnet wurde. Die Botschaft, die man bei so einer Story herausdistellieren (sic) kann, ist: Zionismus und das Engagement für die Palestinenser (sic) lassen sich wunderbar miteinander vereinbaren! – Nun, es gibt Leute, die in dieser Aussage einen Widerspruch entdecken würden... Nur müssen wir und wollen wir als Dialogportal ein besonderes Gewicht auf die Ausgewogenheit unserer Berichterstattung legen."

Avidan antwortete mit „zionistischem Gruss“: „Zum einen ist die Buber-Rosenzweig-Medaille, anders als Sie annehmen, kein „jüdischer Preis“, sondern sie wird vom Koordinierungsrat der Christlich-Jüdischen Gesellschaften verliehen, die (aus bekannten historischen Gründen) mehrheitlich aus Nichtjuden bestehen. Stef Wertheimer setzt sich nicht besonders für Palästinenser (und nicht Palestinenser) ein, sondern für alle Menschen im Nahen Osten, die arbeiten wollen und die Gewalt und Fanatismus ablehnen. Zum anderen ist der Zionismus die Antwort auf die Judenverfolgung in Europa und bildete die Grundlage für die Errichtung des Staates Israel. Wäre der Zionismus erfolgreicher gewesen, so wären möglicherweise nicht sechs Millionen Juden ermordet worden.“

Dieser Briefwechsel wurde per Email verbreitet. Inzwischen reagierte der Koordinierungsrat: „Über die Argumentation Herrn Gropps sind wir doch sehr erstaunt und schockiert. Dass Herr Gropp meint, die Buber-Rosenzweig Medaille sei ein jüdischer Preis, ist seiner mangelnden Recherche im Vorfeld zuzuschreiben und zeigt uns, dass er einen Beitrag in völliger Unkenntnis der Materie ablehnt, worauf auch die fehlerhafte Orthografie hinweist. Die Begründungslinie jedoch, „Zionismus und das Engagement für die Palestinenser“ (sic) seien ein Widerspruch und ein entsprechender Beitrag gefährde die Ausgewogenheit der Berichterstattung, verschlägt uns den Atem.“

Den Brief des Dachverbandes für 83 Gesellschaften für christlich-jüdische Zusammenarbeit an Intendant Bettermann unterzeichneten Eva Schulz-Jander (Kath. Präsidentin), Ricklef Münnich (Evang. Präsident) und Landesrabbiner Henry G. Brandt (Jüdischer Präsident).

Immerhin hat Qantara.de am 26. März 2008 Avidans Wertheimer-Porträt doch online gestellt. Martin Kloke kommentierte bei Hagalil.com: "Wenn ein Internet-Portal, das sich einerseits mit Vorliebe "israel-kritisch" geriert, andererseits über palästinensische Raketenangriffe auf Israel großzügig hinwegsieht, eine "ausgewogene" Berichterstattung anmahnt, ist das schon mehr als bizarr."

© Ulrich W. Sahm / haGalil.com

Ausgewogenheit:
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Category: Deutschland
Posted 04/08/08 by: admin