Psycho-soziale und pflegerische Leistungen für durch NS-Verfolgung traumatisierte Menschen jüdischer und teiljüdischer Herkunft und deren Angehörige...
"Der halbe Stern" ist für diejenigen Menschen da, die unter dem NS-Regime aufgrund ihrer jüdischen oder teiljüdischen Herkunft verfolgt wurden, seien sie nun Christen jüdischer Herkunft, Partner und Partnerinnen in sog. Mischehen oder "Mischlinge" welchen Grades auch immer, ihre (oftmals nichtjüdischen) Angehörigen eingeschlossen.
Besser als eigene Worte drückt das Zitat von Ingeborg Hecht aus, warum es nun (und es ist ja schon spät geworden, gut 60 Jahre nach der Shoa) an der Zeit ist, etwas aufzubauen, das auf mehrfältige Weise den genannten Personengruppen Betreuung und Begleitung bietet.
'Wir (die sog. "jüdischen Mischlinge" ersten und zweiten Grades, gleich ob getauft oder nicht getauft, B.G.) waren rechtlos gewesen, haben nichts Gescheites lernen, keine Existenz aufbauen können und nicht heiraten dürfen. Wir haben die Angst mit denen geteilt, die die Verfolgung nicht überlebten - und wir haben die Scham erleiden müssen, es besser gehabt zu haben als der Vater, die Verwandten, die Freunde, die Kameraden. Wir haben das nicht unversehrt überstanden.' (Aus "Als unsichtbare Mauern wuchsen" - eine deutsche Familie unter den Rassengesetzen, Hamburg 1984, S. 156).
In den letzten 15 Jahren sind viele Familien jüdischer und teiljüdischer Herkunft aus den Ländern der ehemaligen Sowjetunion nach Deutschland zugewandert. Viele der Zugewanderten haben sogar ein doppeltes Verfolgungsschicksal erlitten:
- durch die NS-Gewaltherrschaft, den Vernichtungskrieg gegen die Sowjetunion, Verschleppung und Zwangsarbeit
- durch die stalinistische Unterdrückung und den nicht zuletzt staatlich beförderten Antisemitismus.
Reichweite "des halben Sterns": einerseits bundesweit, bestimmte Projekte betreffend; andererseits, was die Betreuung von Einzelpersonen anlangt, das Gebiet: Niederrhein / Duisburg - Wuppertal - Köln / Bonn - Koblenz.
Leitsätze
- "Der halbe Stern" organisiert und vermittelt psycho-soziale und pflegerische Leistungen an Personen jüdischer und teiljüdischer Herkunft - deren Angehörige eingeschlossen -, die unter den Folgen der NS-Verfolgung leiden
- Damit trägt "der halbe Stern" zu einer historisch sensiblen Altenhilfe insgesamt bei. Eine solche aufmerksame und behutsame Altenhilfe zweckt gleichzeitig darauf ab, den genannten Personen gerecht zu werden
- Der explizit politischen Aufgabe kommt der Verein "des halben Sterns" nach: indem Räume geöffnet werden, Lebens- und Überlebensgeschichten zu erinnern, und dafür Sorge getragen wird, Erinnertes zu überliefern
- Deshalb arbeitet "der halbe Stern" transgenerationell
Ziele des Verein "Der halbe Stern e.V." sind u.a.,
- an die Verfolgten jüdischer Herkunft, die aufgrund des antisemitischen Rassewahns entrechtet, bedroht, verfolgt, ermordet wurden, zu erinnern.
- dafür Sorge zu tragen, dass diese Erinnerungen wach gehalten und überliefert werden.
- den Überlebenden, ihren Familien, den jüdischen Vorfahren und Nachkommen gerecht zu werden.
- politisch wach allen Tendenzen und Bestrebungen des Antisemitismus und Rassismus aktiv entgegenzutreten.
- theologisch begründet jedweder Judenmission entgegenzuwirken.
- Initiierung und Durchführung von Erinnerungs- und Gedenkprojekten auf lokaler und regionaler Ebene in Zusammenarbeit mit Kirchengemeinden der christlichen Konfessionen und mit Städten und Kommunen
- Initiierung und Durchführung von Projekten der Altenhilfe für Betroffene der benannten Verfolgtengruppe
- Dokumentation und wissenschaftliche Begleitung der Vereinsarbeit, v.a. der Projekte
- Förderung des Dialogs mit den christlichen Kirchen
- Förderung des Dialogs mit islamischen Organisationen
- Förderung des Dialogs mit den Gesellschaften für christlichjüdische Zusammenarbeit
- Gewinnung, Qualifizierung und Begleitung von ehrenamtlichem / bürgerschaftlichem Engagement, das die Vereinszwecke unterstützt und fördert
- Beratung in Entschädigungsfragen und in Fragen der Recherche der familialen Herkunft
- Öffentlichkeitsarbeit, Aufklärung und Information
- Arbeit mit Zeitzeuginnen und Zeitzeugen
- Vorträge, Seminare, Workshops
- Initiierung und Durchführung von Projekten der Thematik "Zweite Generation" und des "transgenerationellen Arbeitens"
"Der halbe Stern" bietet - in Zusammenarbeit mit ambulanten Pflegediensten - eine häusliche Pflege an, die dem Bedarf der Betroffenengruppe angemessen ist. Pflegediensten, die dem Anliegen "des halben Sterns" aufgeschlossen gegenüberstehen, bieten wir eine entsprechende Qualifizierung und Fortbildung ihrer Pflegekräfte. Insgesamt dient eine solche Zusammenarbeit mit unterschiedlichen Pflegediensten dem Ziel, die Seniorenarbeit in diesem Lande an die besondere Situation der Überlebenden der NS-Zeit anzupassen.
Laufende Aktivitäten und Projekte
- Einzelgespräche mit Überlebenden der 1. und 2. Generation im ganzen Bundesgebiet.
- Präsenz auf vielen Veranstaltungen von Kölner Institutionen der Gesundheits- und Altenbetreuung.
- Im November 2007 öffnete das Erzählcafé "Putewodnaja Swesda" ("Unter einem Stern gehen") für russischsprachige Seniorinnen und Senioren seine Türen. Die Treffen finden an jedem zweiten und vierten Donnerstagnachmittag von 15-18 Uhr im Chorweiler Begegnungszentrum PHOENIX Köln e.V., Tiberstr. 3 statt. (In Zusammenarbeit mit PHOENIX Köln e.V.)
"Es tut gut zu erzählen: denjenigen, die sprechen, und denen, die zuhören und vielleicht fragen. Gewiss fühlen auch viele von Ihnen sich allein und einsam, obgleich Sie reich an Erinnerungen und lebensgeschichtlichen Erfahrungen sind. Für Sie alle werden wir das Cafe "Putewodnaja Swesda" zu einem Ort gestalten, an dem man regelmäßig zusammenkommt und sich wohlfühlt.
Eine ungezwungene und vertraute Atmosphäre wird den Rahmen schaffen und es ermöglichen, über das eigene Leben zu sprechen, über Vergangenes, das nicht vergangen ist, sondern in der Erinnerung lebendig bleibt.
Für alle, denen es körperlich schwer fällt zu kommen, steht ein Fahrdienst zur Verfügung, der von zuhause holt und wiederum nachhause bringt. Und selbstverständlich können Sie alles, was Ihnen wichtig ist, in Ihrer Muttersprache erzählen."
- Gemeinsam mit dem Moskauer Partner, der Organisation "Sostradanie" (Wohltätige Stiftung für die Unterstützung der Opfer von Folter und organisierter Gewalt - Sostradanie, Moskau), wird eine deutschrussische Projektkooperation entwickelt. Diese wird vor allem im Bereich der ambulanten Pflege und Betreuung angesiedelt sein. Im Sinne einer kultursensiblen Altenhilfe wird dabei die Qualifizierung von Pflegefachkräften hinsichtlich der besonderen Bedarfslage von traumatisierten Opfern des Holocaust und der stalinistischen Repressionen angestrebt.
- In der Planungsphase befindet sich eine interdisziplinäre Tagung zu den Themen "des halben Sterns". Sie soll im März 2009 in Berlin stattfinden.
Weitere Informationen:
www.der-halbe-stern.de