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Mehr als bloßes Gerede

Was wäre leichter, als sich über eine Friedensvision wie die Rückkehr zu den Grenzen von 1967 lustig zu machen? Zu einer Zeit, da ein ganzes Regiment benötigt wird, um zwei Familien in Hebron zu evakuieren, fällt es schwer zu glauben, dass neben uns ein palästinensischer Staat auf 100 Prozent des Westjordanlands entstehen wird. Schwer zu glauben, dass auch nur einer der 104 illegalen Außenposten geräumt, geschweige denn ein palästinensischer Staat auf der Grundlage eines Landtauschs geschaffen werden wird...

Von Yoel Marcus, Haaretz, 10.08.07

Ist die Auflösung von Siedlungen wirklich so unmöglich? Natürlich nicht. Es ist eine Tatsache, dass Ariel Sharon Gush Kativ geradezu im Handumdrehen geräumt hat. Sein einziger Fehler war, dass er das Unglaubliche ohne vorheriges Abkommen getan hat. Läge er nicht im Koma, wäre er ohne Zweifel mit der zweiten und dritten Stufe fortgefahren – wie auch immer sie sich gestaltet hätten – und hätte es den Israelis eingehämmert, dass der Traum von Großisrael Geschichte ist.

Die Nachricht von einem palästinensischen Staat, der sich über 100 Prozent der umstrittenen Gebiete erstrecken soll, erscheint auf den ersten Blick als „bloßes Gerede“. Die Idee ist vielleicht an sich gut, aber nicht mehr ganz neu und nicht ernsthaft. Noch vor zwei Wochen hat der Verfasser dieses Artikels Ehud Olmert davor gewarnt, Shimon Peres nicht zu einer aktiven Involvierung in den politischen Prozess zu ermuntern, wenn er dessen Angebot nicht ernst nehme. Und so ist es geschehen. Peres machte einen Vorschlag, und Olmert nahm ihn auf und machte mit ihm Schlagzeilen. Ob er ernst ist, bleibt noch unklar. Auf alle Fälle hat die Deklaration eines palästinensischen Staates in den Grenzen von 1967 ein ausgezeichnetes Bühnebild für das Treffen in Jericho abgegeben, es machte die Speisen von Frau Erakat noch schmackhafter und die Händedrücke noch wärmer.

Die Extremisten und die Skeptiker sagen, dass alles nur Gerede ist. Aber die Geschichte der blutigen Beziehungen zwischen Israelis und Arabern ist auch mit Gerede gepflastert. Es ist noch niemand daran gestorben, den Weg des Dialogs eingeschlagen zu haben. Die Gespräche Kissingers nach dem Yom-Kippur-Krieg haben bewiesen, dass selbst in den schlimmsten Situationen nichts unmöglich ist. Tatsache ist, dass die von Kissinger initiierten Gespräche zu dem Abkommen zwischen Ägypten und Israel geführt haben, in dem ein voller Frieden für die Rückgabe besetzten Landes und die Zerstörung der Siedlungen in der Ebene von Rafiah bis auf den letzten Millimeter vereinbart wurde. Und wer schaffte den Präzedenzfall des „letzten Millimeters“, wenn nicht der Menachem Begin des Großisrael?

‚Gerede’ führte zum Friedensabkommen mit Jordanien und dem Osloer Abkommen, das die grundsätzliche israelische Anerkennung des Rechts der Palästinenser auf einen eigenen Staat begründete. Die Diskussion drehte sich und dreht sich noch immer um die Gebiete. Es gab auch ‚Gerede’ mit Syrien, und jeder weiß, dass, wenn der Dialog zwischen beiden Staaten von neuem beginnt, er da ansetzen wird, wo das ‚Gerede’ gestoppt hat – beim Preis.

Das Prinzip Land für Frieden ist der Schlüssel zum Frieden. Die Frage ist wie viel für was, oder was für wie viel. Es hängt davon ab, ob die beteiligten Politiker – Ehud Olmert, Mahmoud Abbas und Bashar Assad – stark genug sind, den Teufelskreis der Feindschaft mit territorialen Kompromissen zu durchbrechen. Freilich sieht sich jeder von ihnen nicht geringen Problemen gegenüberstehen. Über Olmerts Kopf schweben der letzte Teil des Winograd-Berichts, eine Reihe von Ermittlungsverfahren und ein möglicher Gewaltkonflikt mit den Siedlern – drei Bedrohungen, die ihn zu Fall bringen können. Ein Forschritt im Friedensprozess könnte für ihn der Rettungsring sein. Mahmoud Abbas hat Probleme mit der Hamas, deren Führer der palästinensischen Autonomiebehörde die Kontrolle über den Gaza-Streifen entrissen haben und ihn untergraben und erniedrigen. Man könnte den beiden noch den saudischen König zur Seite stellen, der sich vor dem Iran und dessen durchgedrehtem Führer fürchtet, der das gute Leben der Golfstaaten bedroht, und auch Hosni Mubarak und König Abdallah, die vor dem Einsickern des islamischen Fundamentalismus in ihre Herrschaftssysteme Angst haben.

Der Gipfel im November, den US-Präsident Bush gemeinsam mit dem Quartett initiiert hat, stellt für ihn die letzte Chance dar, das Nervenzentrum des islamistischen Terrors auszuschalten, der die freie Welt bedroht, und der Achse des Bösen mit einer Reihe von Abkommen den Garaus zu machen. Die politischen Führer der Region werden mit Ideen und größtmöglicher Offenheit reüssieren müssen.

Wir werden wissen müssen, in wessen Namen Mahmoud Abbas spricht und wie er ein von der Herrschaft der Hamas gesäubertes Gaza zurück zu gewinnen gedenkt. Wir werden wissen müssen, inwieweit Olmert zum Verzicht in Richtung der Grenzen von 1967 bereit ist. Wir werden wissen müssen, ob Syrien dazu fähig ist, ein Gesprächspartner zu sein, und ob Saudi Arabien als Patron seine feinen Füßchen in das Becken eine umfassenden Abkommens zu stecken bereit ist, während die Augen des Irren aus dem Iran auf es gerichtet sind. Es ist dies Bushs letzte Chance, eine Luke zu öffnen, durch die wir das Segel eines Friedens am Horizont schimmern sehen können.

Category: Politik
Posted 08/11/07 by: admin