Blogs spielen im Internet eine immer grössere Rolle. Einige haben es sich zur Aufgabe gemacht, gegen eine vermeintliche "Islamisierung Europas" anzukämpfen...
Von Alexander Hasgall, tachles v. 6. Juli 2007
Mittels sogenanner Blogs können Internet-Benützer ohne grossen Aufwand Texte veröffentlichen oder kommentieren. Das ist grundsätzlich eine gute Sache, schliesslich ermöglichen es Blogs gerade in Ländern mit mangelhafter oder fehlender Pressefreiheit, unterdrückte Informationen und dissidente Meinungen der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. So setzten unlängst durch Blogs und Videoportale weltweit verbreitete Videoaufnahmen von Folterungen durch ägyptische Polizeibeamte das dortige Regime unter Druck. Auch die Verurteilung des ägyptischen Bloggers Abdel Karim Nabil Suleiman zu vier Jahren Haft aufgrund vermeintlicher «Beleidigung des Islam» zeugt von der Brisanz des Mediums. Blogs werden auf der anderen Seite jedoch auch als Foren für antisemitische und antiisraelische Hetze missbraucht. So ist es ohne grossen Aufwand möglich, die wildesten Verschwörungstheorien zu propagieren, antijüdische Thesen zu verbreiten und den antisemitischen Ressentiments freien Lauf zu lassen.
Hetze gegen Muslime
Vom Blog http://www.politicallyincorrect.de/, der unter anderem mit den Parolen "Gegen Antisemitismus, gegen Antiamerikanismus, für Grundgesetz und Menschenrechte" im Netz steht, verspricht man sich zunächst eine Kampfansage an antisemitische und rassistische Tiraden im virtuellen Raum, ein Einstehen für Toleranz und Menschenwürde. Umso verstörender ist demgegenüber die im Blog anzutreffende Haltung gegenüber muslimischen Immigranten. "Ziegenficker", "Hinternhochbeter" oder "Migrationsmüll" – dies die Sprache des Blogs. Weiter wird zum Kampf gegen die angebliche "Islamisierung Europas" und die "schleichende Einführung der Scharia" aufgerufen. Die Website politicallyincorrect.de ist gemäss eigenen Angaben mit über 25000 Besuchern täglich eine der bekanntesten unter einer Vielzahl antimuslimischer Internetsites, die sich Namen wie "Dhimmi-Watch" oder "Eurobia" geben und sich zunehmender Popularität erfreuen. Inhaltlich unterscheiden sich die meisten dieser Sites nur geringfügig voneinander. Zumeist werden einzelne Geschichten aus anderen Medien aufgenommen; mit reisserischer Aufmachung und tendenziösen Kommentaren wird der Kulturkampf beschworen.
Alles negativ
Dabei wird, so die Berliner Autorin und Islamismusexpertin Claudia Dantschke, auf diesen Sites "nichts analysiert", sondern einfach "alles, was negativ ist, aufgegriffen" und so ein einseitiges Bild des Islam gezeichnet. Das wäre, wie wenn zum Beispiel alle Überfälle von Neonazis in der ostdeutschen Provinz gesammelt und daraufhin alle Deutschen als Nazis bezeichnet würden, so Dantschke weiter. Auch würden Vorkommnisse verfälscht. So behaupte Buchautor Udo Ulfkotte, Vorsitzender des Vereins Pax Europa, der den Blog http://www.akte-islam.de/ betreibt, dass an zwei Berliner Schulen separate Eingänge für Muslime und Nichtmuslime eingerichtet worden seien. Nach ihren Recherchen, so Dantschke, habe dies so nie stattgefunden. Vielmehr habe ein Jugendrichter in einem Zeitungsinterview mit dem Berliner "Tagesspiegel" erklärt, dass an einer Berliner Schule von Schülern inoffiziell ein Eingang für Türken und Araber eingerichtet worden sei. Mit seiner Darstellung aber suggeriere Ulfkotte, dass dieses ein offizieller Akt der Schule gewesen sei.
Kampf der Kulturen
Grundsätzlich befürchtet Dantschke, dass die Rhetorik solcher Blogs den Islamisten letztlich zuarbeite und sie stärke. Es werde darin eine homogene muslimische Gemeinschaft gezeichnet und diese durch zahlreiche Beispiele pauschal kriminalisiert. Dies ermögliche es islamistischen Organisationen wiederum, die These des "Kampfes der Kulturen" zu propagieren, nach welcher der Islam dem Westen nach dem Kalten Krieg als neues Feindbild In Sachen westliche "Welteroberung" diene. Auch bestärke es Islamisten in ihrer Erklärung, sie seien die "Verteidiger der Interessen der Muslime".
Koschere Gummibärchen
Als der konservative deutsche Innenminister Wolfgang Schäuble – den niemand ernsthaft als Freund der multikulturellen Gesellschaft bezeichnen würde – Offenheit gegenüber Muslimen einforderte, wurde auf der Website politicallyincorrect.de süffisant nachgefragt, ob er damit "Zwangsverschleierungen, Unterdrückung der Frauen, Beschneidungen, Ehrenmorde, Zwangsheirat und die Einführung der Scharia" meine. Die Aussage der Website ist klar: Wer Offenheit gegenüber Muslimen sagt, der meine eigentlich eine Islamisierung Europas.
Demgegenüber werden im Blog diffuse christlich-jüdische Werte des Abendlandes vertreten, oft auf fast skurrile Art und Weise: So wurde die Produktion von schweinefleischfreien Gummibärchen durch den Süsswarenhersteller Haribo auf politicallyincorrect.de als ein "Unterwerfen" gegenüber dem Islam interpretiert und es wurde zu Protestschreiben an Haribo aufgefordert. Gummibärchen mit Schweinegelatine sollen, folgt man der Logik der Autoren, die jüdisch-christlich-abendländische Kultur symbolisieren.
Auch der dezidierte Kampf gegen das von Muslimen und Juden praktizierte Schächten irritiert. Beate Klein, Autorin bei politicallyincorrect.de, forderte in einem Beitrag, dass man "diesen barbarischen Brauch ohne Wenn und Aber verbieten" sollte, und: "Wem das nicht passt, der soll eben vegetarisch leben!" Eine Argumentation, die man sonst eher von Antisemiten wie dem Präsidenten des Schweizer Vereins gegen Tierfabriken, Erwin Kessler, kennt. Auch auf akte-islam.de wird zuweilen heftig gegen die rituellen Schlachtungen Stimmung gemacht. Angefragt, ob er damit nicht Argumente aus antisemitischen Kreisen aufgreife, erklärt Ulfkotte, dass er "aus Tierschutzgründen" das Schächten grundsätzlich ablehne. Jedoch unterscheide er zwischen dem Schächten bei Juden und dem Schächten bei Muslimen. Juden würden "nicht tonnenweise geschächtetes Fleisch einführen" und auch nicht "undeklariert in Dönerbuden verkaufen". Da stellt sich die Frage, wie Ulfkotte reagieren würde, sollte die Zahl koscher essender Juden in Deutschland anwachsen und mehr koscheres Fleisch importiert werden.
Auch der Umstand, dass der Holocaust von den meisten selbsternannten Kämpfern gegen Antisemitismus zumeist nur dann thematisiert wird, wenn er in den Zusammenhang mit einer muslimischen Mitschuld gebracht werden kann, stimmt nachdenklich. Schliesslich erinnert dies an altbekannte Formen von Schuldabwehr: Wer mit dem Finger auf andere zeigt, muss sich nicht mit der eigenen Vergangenheit beschäftigen. Dass nicht nur Ulfkotte, sondern auch der Gründer von politicallyincorrect.de Stefan Herre in neorechten Postillen wie "Junge Freiheit" publiziert, erstaunt daher nicht.
Expansion in die Schweiz
Udo Ulfkotte plant seinen Verein Pax Europa zu einem Teil einer gesamteuropäischen Bewegung auszubauen. In diesem Zusammenhang seien auch Schweizer Sektionen geplant, und die Geldgeber aus der Wirtschaft seien schon gefunden, wie Ulfkotte gegenüber tachles erklärt. Auch beständen Kontakte zur Politik, und er sei SVP-Nationalrat und Herausgeber der rechtsbürgerlichen "Schweizerzeit" Ulrich Schlüer schon seit längerem verbunden. Es verwundert also nicht, dass auf der Internetseite zur "Minarettinitiative", der Schweizer Volksinitiative, die den Bau von Minaretten verbieten möchte (tachles berichtete), bis dato nur zwei Links zu finden sind: Zum Webauftritt der «Schweizerzeit» und zu Ulfkottes akte-islam.de. Die virtuelle Welt des Blogs ist von der handfesten Politik xenophober Kreise also nicht mehr zu trennen.
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