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Neo-Nazis am 1. Mai: Bundesweit mehrere Demonstrationen geplant
Am morgigen 1. Mai, dem traditionellen Tag der Arbeit, wollen die neonazistische NPD und mit ihr zusammen sogenannte "Freie Kameradschaften" mit mehreren Demonstrationen ihre sozialdemagogische und rassistische Hetze verbreiten – und zugleich verstärkt versuchen, soziale Proteste und sozialen Unmut für sich zu nutzen...
Von Jörg Fischer
Im Gegensatz zur Meinung vermeintlicher "Rechtsextremismus-Experten" ist diese Strategie, mit sozialen Themen Anhänger zu gewinnen, bei den Neonazis nicht neu – ganz im Gegenteil. Schon Hitler versuchte, die NSDAP als vermeintliche "Partei des ehrlichen, deutschen Arbeiters" auszugeben und den Kampf "gegen das raffende Kapital" zu führen, welches von den Nazis als antisemitisches Synonym verwendet wurde. Genau in dieser Tradition stand die NPD dann auch schon in den 70er und 80er Jahren (Wahlkampfparole der NPD im Bundestagswahlkampf 1976: "Deutsche Arbeitsplätze für deutsche Arbeitnehmer"; in den 80er Jahren verbreitete die NPD die Parole "Nationalen Solidarität und soziale Gerechtigkeit – Gegen Ausbeutung" und versuchte 1982 mit den sogenannten "Germersheimer Thesen" von 1982 versuchte die NPD dann auch auf programmatischer Ebene sich einen pseudo-sozialen Anstrich zu geben). Veranstaltungen zum 1. Mai gehörten etwa bei der bayerischen NPD schon in den 80er Jahren zum Standard, damals allerdings noch als sogenannte "Mai-Feiern" in geschlossenen Räumlichkeiten, etwa in einem Kulmbacher Gaststätten-Saal.
Am 1. Mai diesen Jahres sind mehrere Demonstrationen angemeldet worden: In Neubrandenburg, Dortmund, Erfurt, Nürnberg, Vechta, Rüsselsheim und Raunheim wollen die Nazis aufmarschieren. Nach Einschätzungen von Beobachtern können in Vechta, Rüsselsheim, Raunheim und Neubrandenburg mit jeweils etwa 200 bis 250 Teilnehmern gerechnet werden, in Nürnberg werden bis zu 400 Teilnehmer für möglich gehalten.
Schwerpunkte der neonazistischen Mobilisierung sind eindeutig Dortmund und Erfurt. In Dortmund werden etwa 1.000 Teilnehmer erwartet, hier sollen auch NPD-Bundeschef Udo Voigt und der führende Kopf der "Freien Kameradschaften", der Hamburger Christian Worch, auftreten. Für Erfurt, wo die zentrale Kundgebung für die ostdeutschen Bundesländer stattfinden wird, sind bis zu 800 Teilnehmer erwarten.
Brauner Schulterschluss
Als besonders bemerkenswert kann der gemeinsame Auftritt von Voigt und Worch in Dortmund gewertet werden. In den vergangenen Jahren hatte Worch zum 1. Mai gezielt versucht, in Leipzig in bewußter Konkurrenz zur NPD eigene Demonstrationen durchzuführen. Dass er nunmehr nicht nur auf eine eigene Veranstaltung verzichtet, sondern sogar gemeinsam mit dem NPD-Vorsitzenden auftritt, kann als Annäherung auch jenen Teils der braunen "Kameradschafts-Szene" an die NPD gewertet werden, die der Partei bislang eher distanziert gegenüberstand. Diese Annäherung von Worch dürfte ihren Grund u.a. in seinen Mißerfolgen der vergangenen Jahre haben. Die von Worch organisierten Demonstrationsversuche in Leipzig endeten stets in einem Fiasko, meist nach nur wenigen Metern mußten die Neonazis wieder umkehren, da die Proteste zu massiv, zu zahlreich und teilweise auch zu gewalttätig waren. Aus dieser alljährlichen Frustration resultierte dann auch eine merkliche Abnahme der Mobilisierungsfähigkeit und ein entsprechend kontinuierlicher Rückgang der Teilnehmerzahlen bei den Worch-Aufmärschen.
In Erfurt ist der gemeinsame Auftritt von NPD und "Freien Kameradschaften" hingegen nichts Ungewöhnliches. Im ostdeutschen Freistaat gelten die Verflechtungen zwischen NPD und "Kameradschaften" als eine der engsten bundesweit. Während der NPD-Aufzug in Dortmund als Beginn eines verstärkten Engagements der Partei im Ruhrgebiet gelten kann, steht der Aufzug in Erfurt in direktem Zusammenhang mit den Kommunal- und Landtagswahlen 2009 und der langfristigen Wahlkampfstrategie der NPD.
Proteste
Zwar wird es bei allen neonazistischen 1. Mai-Demonstrationen zu Protesten kommen, folgerichtig konzentriert sich jedoch vieles auf die beiden zentralen NPD-Auftritte in Dortmund und Erfurt. Gewerkschaften, Verbände, Kirchen, Parteien, Initiativen und Bündnisse rufen dazu auf, an diesem Tag ein deutliches Signal für eine wehrhafte Demokratie zu setzen.