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Günther Oettinger im "Bild"-Interview: "In der SA waren viele …, die nicht die Kraft zum Widerstand hatten"

In einem am Montag veröffentlichten Interview mit der "Bild"-Zeitung versucht Günther Oettinger, (Noch-)Ministerpräsident von Baden-Württemberg, zwar eine halbherzige "Entschuldigung" wegen seiner "Trauerrede" für den Nazi-Marinerichter und ehemaligen Ministerpräsidenten Hans Filbiger – verkündet aber gleichzeitig seine ganz persönliche, abstruse Geschichtsauffassung...

Von Jörg Fischer

Die vermeintliche "Entschuldigung" des skandalgeschüttelten CDU-Politikers wirkt beim Lesen des Interviews mehr als fadenscheinig und vorgeschoben. Faktisch bekräftigt er sogar seine kritisierten Aussagen aus der Trauerrede für Filbinger.

Oettinger zur Rolle Filbingers: "… so, wie ich ihn später kennengelernt habe, war er ein zutiefst christlicher und konservativer Mensch mit einer belegbaren inneren Distanz zum NS-Regime. Ich glaube übrigens, man sollte einen Menschen nicht sein Leben lang für Fehler verurteilen, die er möglicherweise als junger Mensch in diesem grausamen System gemacht hat."
Was Oettinger hier allerdings unterschlägt, ist die Aussage Filbingers nach seinem Sturz als Ministerpräsident 1978 gegenüber Journalisten in Bezug auf die von ihm ausgesprochenen Todesurteile als NS-Marinerichter: "Was damals rechtens war, das kann heute nicht unrecht sein." (In einem "Spiegel"-Interview am 15. Mai 1978) und: "Wer meuterte, gefährdete das Ganze." (In dem Interview mit der "Badischen Zeitung".)

Aber Oettinger hat nicht nur in Hinblick auf Filbinger einen sehr eigenwilligen "Wahrnehmung" der deutsche Geschichte, sondern scheint auch die Geschichte der NSDAP-Unterorganisation SA umschreiben zu wollen. War die SA etwa gar nicht die Prügel- und Terrormannschaft der NSDAP, sondern eine Gruppe verhinderter "Widerstandskämpfer"? Oettinger im O-Ton im "Bild"-Interview: "In der SA waren viele Anhänger, aber auch viele Menschen, die nicht die Kraft zum Widerstand hatten."

Oettingers Seilschaften

In ihrer Montags-Ausgabe berichtet die "Berliner Zeitung" Interessantes über die parteiinternen Seilschaften Oettingers, die ihn vor Kritik aus der eigenen Partei schützen: "Schließlich aber kann er sich auch noch eines besonderen Schutzes vor öffentlicher Kritik aus der Partei sicher sein. Er gehört zu dem legendären Andenpakt, mit dem sich vor mehr als 25 Jahren damals führende Funktionäre der Jungen Union die Treue schworen. Dazu gehört das Versprechen, nicht gegeneinander zu kandidieren und sich öffentlicher Kritik aneinander zu enthalten.
Diesem Pakt gehören Männer wie die Ministerpräsidenten Roland Koch, Christian Wulff und Ole von Beust sowie der Berliner CDU-Fraktionschef Friedbert Pflüger an…"

Rückhalt erhält Oettinger daneben vor allem vom rechtskonservativen, bis deutsch-nationalen Flügel seiner Landespartei. In dem Artikel der "Berliner Zeitung" heißt es hierzu: "Sein Beharren sei dann damit zu erklären, dass der konservative bis deutsch-nationale Flügel der baden-württembergischen CDU geradezu mit Begeisterung auf die Würdigung Filbingers reagiert hat. In diesen Kreisen wird Oettinger trotz seiner Herkunft aus der als besonders reaktionär geltenden schlagenden Verbindung Landsmannschaft Ulmia liberaler Neigungen verdächtigt."

"… eigentlich nicht mehr tragbar."

Gegenüber dem "Bayerischen Rundfunk" erklärte der Generalsekretär des Zentralrats der Juden in Deutschland, Stephan J. Kramer: "Die Entschuldigung ist natürlich nur ein erster Schritt." Durch das "Hin und Her und durch das Immer-wieder-Bekräftigen des Ministerpräsidenten", so Kramer weiter, sei ein Schaden entstanden, der mit einer Entschuldigung allein nicht mehr zu beheben sei. Oettinger habe mit seiner Rehabilitation Filbingers den deutschen Widerstand in der NS-Zeit "pervertiert". Der SPD-Bundestagsabgeordnete Klaus-Uwe Benneter nannte Oettinger "als Ministerpräsident eigentlich nicht mehr tragbar".

Ganz anders scheint das CDU-Chefin und Bundeskanzlerin Angela Merkel zu sehen, die letzte Woche noch Oettinger für seine Trauerrede öffentlich gerügt hat. Ihr scheint die "Entschuldigung" auszureichen. "Ich erwarte jetzt, dass die Entschuldigung auch gehört wird", sagte sie in Berlin. Mehrere CDU-Spitzenpolitiker forderten, die Sache nunmehr auf sich beruhen zu lassen. Der hessische CDU-Ministerpräsident Roland Koch meinte, es müsse jetzt auch wieder über andere Themen diskutiert werden.

Nachtrag: Wie am Abend in den Medien berichtet wurde, hat Oettinger nach einer massiven Erhöhung des Drucks durch CDU-Chefin Merkel seine "Entschuldigung" erweitert, und die Aussage zurückgenommen, Filbinger sei ein Nazigegner gewesen und sich von diesem Satz distanziert.

Vom NS-Marinerichter zum Ministerpräsidenten: Hans Filbinger ist tot
Günther Oettinger und Hans Filbinger: Deutsche Nibelungentreue

Category: General
Posted 04/16/07 by: admin

Comments

wrote:
Ts ts..Das Oettinger nicht zurücktreten muss, liegt nur daran, dass der 2. Weltkrieg schon lange her ist, und eigentlich bereits nach Kriegsende keiner mehr etwas davon hören wollte. Man stelle sich vor, er habe einen DDR-Richter, der Dessidenten auch nur zu Haftstafen veruteilt hätte (auch nach der dortigen Gesetzeslage) derart in Schutz genommen...Er wäre sofort fällig gewesen.

Und was soll das heißen "belegbare innere Distanz" Das Filbinger nach dem 2. WK mit den Nazis nichts mehr zu tun haben wollte is ja wohl klar, der Wind hatte sich nunmahl gedreht, und da hat er halt sei Fähnchen hingedreht.
04/17/07 10:01:58

wrote:
"Wer (im NS) meuterte, gefährdete das Ganze"
Dies ist eine 1978(!) gemachte Aussage, die ich so bisher nicht kannte.
Vielen Dank!
04/17/07 14:20:57

wrote:
Das Verhalten Oettingers hat nun leider schon fast traditionellen Charkter im Nachkriegsdeutschland.
Mir stellt sich jetzt nur noch die Frage:
Wie konnte ein ehemaliger Nazirichter, der aktiv an Todesurteilen mitwirkte, ein Staatsbegräbnis bekommen ?
04/17/07 15:18:22

wrote:
@Arik...schon komisch! Wenn man sich als Hausmeister bewirbt muss man einen vollständigen Lebenslauf mitschicken...scheint bei Ministerpräsidenten wohl anders zu sein.
04/17/07 16:24:49

wrote:
Worüber wundern wir uns noch ?!
Gemahnt und gewarnt haben wir doch genug.
Jeder von uns kann sicherlich Begebenheiten berichten, die zu sehr an die Zeit des Nationalsozialismus erinnert.Mir reicht es langsam in Deutschland.Auf die Eingangstafel unseres Friedhofes wird geschossen und es ist nur ein dummer Jungenstreit(ein rechtsradikaler Hintergrund war von der Polizei nicht zu erkennen). Mein Sohn wird von Neonazis verprügelt nur weil er seine Jamulke trug - Ermittlungen eingestellt, Täter konnten nicht ermittelt werden !Am Jom haShoah kommt kein Vertretet der Stadt zur öffentlich angekündigten Gedenkveranstaltung unserer Gemeinde.
Doch Schuld sind wir doch selbst, auch im Fall Oettinger, denn von Seiten des Zentralrates wurde dessen Rücktritt gefordet. Dieser Ansicht sind jedenfalls 76 % der Bundesbürger ( n-TV Umfrage vom 16.04)
04/17/07 18:41:05

wrote:
Man kann zwar Geld vererben, aber niemals Schuld!
04/22/07 01:26:20

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